Kapitel 9

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Der Biker-Typ führte mich erneut durch das Gebäude. Diesmal hielt er mich jedoch nicht fest und stellte sich sogar als Dirk vor. Ich fragte mich, ob er das auf Anweisung von Louis tat oder selbst so nett war.

Wir betraten den Flur, auf dem ich zuletzt eingesperrt gewesen war, gingen aber an meinem alten Zimmer vorbei bis zum Ende des Ganges. Vor der letzten Tür blieben wir stehen.

"Das ist das Zimmer von diesem depressiven Mädel. Vielleicht kriegst du ja sogar ihren Namen raus", höhnte Dirk und schloss die Tür auf. Neugierig linste ich in den Raum doch es war niemand zu sehen. Dirk schob mich in den Raum und schloss hinter mir ab. Vorsichtig ging ich ein paar Schritte weiter in das Zimmer. Auch hier gab es zwei Betten, einen Tisch mit Stühlen und einen Schrank, doch zusätzlich noch ein kleines Badezimmer. Bestimmt war das ein ehemaliger Raum für Privatpatienten gewesen.

"Hallo?", rief ich zögerlich. "Ich tu dir nichts!"

Ich warf einen Blick ins Bad, doch dort war niemand. Langsam durchquerte ich den Raum, bis ich an der Fensterfront stand. Hatte Dirk sich geirrt und das war gar nicht das Zimmer des Mädchens?

Plötzlich nahm ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Instinktiv drehte ich mich ruckartig danach um und bemerkte, wie meine Hand zu dem Messer in meiner Hosentasche schoss. Auf dem Boden, zwischen dem hinteren Bett und der Außenwand kauerte ein blondes Mädchen und starrte mich völlig verängstigt an. Sie zitterte und hielt schützend eine Gabel vor sich.

Hektisch überlegte ich, was ich jetzt tun sollte. So stehenbleiben konnte ich jedenfalls nicht. Langsam ging ich runter und setzte mich im Schneidersitz an die ihr gegenüberliegende Wand, um sie nicht zu bedrängen.

"Ich heiße Max. Und du?"

Sie schwieg und starrte mich noch immer panisch aus großen blauen Augen an. Was könnte ich sagen, um ihr die Angst zu nehmen?

"Tja, ich weiß nicht, ob dich das beruhigt, aber ich bin auch schwanger."

Sie rührte sich nicht.

"Allerdings nicht von diesen Schweinen hier sondern von meinem Freund. Er wurde mit mir gefangen." Ich merkte, wie ich beim Gedanken an Floh zusammenzuckte. Wenn ich nur wüsste, dass es ihm gutging...

"Die wollen mich in den nächsten Tagen testen. Im Bogenschießen. Wenn ich gut bin, darf ich öfter hier raus um Nahrung zu beschaffen."

Noch immer keine Reaktion ihrerseits.

"Vielleicht kann ich dann irgendwann fliehen. Und dann hole ich meinen Freund. Weißt du, wenn du auch sowas kannst, lassen sie dich auch raus."

Sie schluckte. Immerhin etwas.

"Am liebsten würde ich noch im nächsten halben Jahr abhauen, bevor mein Kind kommt." Unwillkürlich legte ich eine Hand auf meinen Bauch. "Andererseits habe ich Angst vor der Geburt. Hier gibt es immerhin diese ganze Technik." Ich schluckte. "Louis hat gesagt, dass er den Arzt bald mal zu mir schickt, damit der einen Ultraschall macht. Mittlerweile bin ich in der 14. Schwangerschaftswoche, also ist das auch bitter nötig."

Das Mädchen starrte mich noch immer an. Allerdings hatte sie aufgehört zu zittern und sah nicht mehr ganz so panisch aus. Das machte mir ein bisschen Mut und ich beschloss, einfach weiter irgendetwas zu erzählen, damit sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Vielleicht nahm ihr das die Angst.

"Ich denke, ich möchte ein Mädchen. Obwohl es ein Junge in dieser Welt bestimmt leichter hätte. Naja, abwarten. Das wird sich noch früh genug zeigen. Wo ich so darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, was Floh möchte. Vermutlich einen Jungen." Ich schwieg kurz. "Immerhin wird das Kind im Frühling geboren. Das ist schön. Dann kann ich mit ihm bei Sonnenschein im Kinderwagen spazieren gehen." Ich lächelte bei der Vorstellung.

Never Feel SafeWhere stories live. Discover now