Kapitel 24

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Dass Floh hier war, war also eine Tatsache. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen beflügelte meinen Verstand und ich krückte so schnell es ging hinter Christian her. Zwei Leidgardisten gingen vor und zwei hinter uns. Wir stiegen die Treppen der großen Halle hinab und gingen dann in schmalen Wendeltreppen weiter ins Erdinnere. Mir war schon ganz schwindelig, als endlich eine Tür in Sicht kam, welche sich anscheinend nur mit einem Schlüssel von Christians Schlüsselbund öffnen ließ, denn die Leibgardisten traten zurück. Ungeduldig wartete ich, bis der Anführer hinter uns wieder abgeschlossen hatte. Der Gang wurde nur von einer einzelnen Funzel erhellt. Die Luft war feucht und Schimmel bedeckte vereinzelt die Wände. War das hier eine Art Verließ? Hoffentlich ging es Floh gut. Wieso hielt man ihn hier unten? Wenn sie ihm auch nur ein Haar gekrümmt hatten..!

Wir folgten dem Gang ein paar Meter, bis die ersten Zellentüren erschienen, doch die meisten standen offen. Nur vereinzelte waren verschlossen und unwillkürlich fragte ich mich, welche armen Seelen dort eingesperrt waren. Vor der allerletzten Tür blieben wir schließlich stehen und wieder kam der Schlüsselbund Christians zum Einsatz. Voll Erwartung hielt ich die Luft an, doch wir betraten lediglich einen kleinen Vorraum. Der Anführer murmelte zweien der Leibgardisten etwas zu, woraufhin diese kurz verschwanden. Ich sah nicht, wohin sie gingen, denn jetzt wurde die eigentliche Zellentür geöffnet. Ich wollte mich an Christian vorbeiquetschen, um so schnell wie möglich zu Floh zu gelangen, doch die verbliebenen zwei vermummten Männer hielten mich davon ab. Sie entwendeten mir mit gekonnten Bewegungen die Krücken und stellten diese beiseite. Bevor ich schnippisch fragen konnte, wie ich jetzt vorwärts kommen sollte, packte mich einer der beiden und trug mich kurzerhand in den Raum.

Sobald ich Floh erblickte, erstarrte ich. Seine Hände steckten in rostigen Handschellen, welche an der Decke befestigt waren und die Füße waren ähnlich am Boden gefesselt. Sein Oberkörper war nackt; er trug nur die Hose, welche er beim Kampf im Krankenhaus angehabt hatte. Schlaff hing er in den Ketten, den Kopf mutlos gesenkt. Panisch warf ich einen Blick auf seine von Schrammen und blauen Flecken übersäten Brust - sie hob und senkte sich langsam, aber regelmäßig. Er atmete noch, Gott sei Dank. Flohs ganzer Körper war schmutzverkrustet und überall sickerte Blut und Eiter aus zahlreichen Wunden. Hatte man ihn gefoltert? Eine Seite seines Bartes schien angesengt und ihm fehlte ein Büschel Haare. Was hatten sie ihm getan?!

"Floh!", rief ich verzweifelt. Ich wollte, dass er mich ansah. Dass er erkannte, dass ich hergekommen war, um ihn irgendwie zu retten.

Regung kam in ihn und er blickte verwirrt auf. Seine Augen waren leer und glanzlos; blickten irr umher. Ich zappelte, damit mich der Mann losließ, doch er hielt mich zu fest. Flohs Augen fixierten mich; starrten mich an, als sei ich irgendeine Halluzination. Ich zappelte noch mehr herum und schaffte es, mich einigermaßen zu befreien. Sobald mein gesunder Fuß den Boden berührte, stürzte ich vor, hüpfte auf einem Bein auf ihn zu, stolperte, krachte mehr oder weniger in ihn rein und packte seinen Kopf mit beiden Händen. Musterte verzweifelt seine Augen und suchte nach dem alten Glanz.

"Floh, ich bin es, Max! Ich bin es wirklich!"

Er antwortete nicht. Starrte nur mit seinen gruseligen, leeren Augen. Aus reinem Instinkt heraus schnellte ich vor und presste meine Lippen auf seine.

Da wurde ich zurückgezerrt. Starke Arme umschlossen meine Taille und pflückten mich regelrecht von Floh ab. Ich schrie. Floh sah mich an - sah mich wirklich an - und Erkenntnis zeigte sich in seinen Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde leuchteten sie auf, doch genauso schnell wie es gekommen war, war es wieder verschwunden. Dann ließ er wieder den Kopf hängen.

Was war nur mit ihm los? Was war im widerfahren, dass er so dermaßen desorientiert war?

Ich schlug und trat um mich, doch die Männer fesselten mich trotzdem mit Kabelbindern an den Stuhl, der mittlerweile herbeigeschafft worden war. Kreischend wehrte ich mich so gut es ging, bis sie mir einen Stofffetzen in den Mund steckten und ich beinahe erstickte. Dann bezogen die vier Männer hinter meinem Stuhl Aufstellung.

Never Feel SafeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt