Kapitel 12

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Irgendwie schaffte Floh es mit seiner charmanter-heißer-Typ-Masche, Anna zum Reden zu bringen. Sie erzählte uns, wie sie nach der Apokalypse so lange durchgehalten hatte. Anscheinend war sie jeden Tag ein Haus weiter gezogen und hatte anhand der sich im Haus befindlichen Sachen herauszufinden versucht, was für Leute dort gelebt hatten, um sich einen Überblick zu verschaffen, wo es was für Zeugs gab. Falls sie jemals etwas Bestimmtes brauchen würde, hätte sie nur auf ihrer Liste nachschauen müssen, um es zu finden. Ich hatte eine unheimliche Bewunderung für dieses Mädchen und ihre Disziplin.

Nachmittags erklärte Floh Anna die Waffen. Sie versuchte sich alles zu merken, doch sie verstand die komplexe Technik einfach zu wenig, um mit Flohs vielen Fachbegriffen und Detailausschmückungen mitzuhalten. Am Abend ging ich runter zur Küche des Krankenhauses und traf auf einen Mann mittleren Alters, der jedoch tiefe Ringe unter den Augen hatte und nichts tuend in der Kantine saß. Als er mich erblickte, hellte sich sein Ausdruck allerdings ein wenig auf.

"Hallo", meinte ich freundlich. "Wissen Sie, wo man hier was zu essen bekommt?"

Er nickte. "Noah ist in der Küche." Seine Stimme war rau und leise, doch er schien eine gewisse Neugier an mir zu haben, denn als ich mit einem Tablett voll Essen zurück durch die Kantine lief, hielt er mich an.

"Ich möchte nicht unhöflich sein. Mein Name ist Gregor Pfaff. Deinen Namen kenne ich schon; du bist Maximilia, richtig?"

Ich nickte. "Eigentlich nennen mich alle nur Max."

"Auch gut. Früher war ich hier Arzt..."

Ich unterbrach ihn. "Sie haben mich untersucht!"

Er versuchte zu lächeln, doch es klappte nicht ganz. Ich denke, sein Schmerz über all die Verluste saß einfach zu tief. Er war ein gebrochener Mann.

"Ja. Süßes kleines Kerlchen, das du da mit dir rumträgst."

Ich lächelte. "Ähm...nur aus reiner Neugier...auf welchem Fachgebiet haben sie damals gearbeitet?"

"Kindermedizin."

Ein Stein fiel mir vom Herzen. "Das ist hervorragend!"

Er nickte. "Der Kleine wir bei mir gut aufgehoben sein. Und um die Geburt mach dir mal keine Sorgen, das schaukeln wir schon."

Die plötzliche Vorstellung, dass von diesem Mann in weniger als sechs Monaten einiges abhängen würde, gab mir ein äußerst mulmiges Gefühl. Trotzdem bemühte ich mich um ein Lächeln, bedankte mich kurz und ging dann schnell zurück zu unserem Zimmer. Den stechenden Blick von Herrn Pfaff spürte ich noch im Nacken, als ich die Kantine längst verlassen hatte.

Später am Abend kam Dirk ohne anzuklopfen ins Zimmer geschlurft, klatschte ein kleines Tablett mit zwei Gläsern Wasser und zwei Tabletten auf den Tisch und verschwand genauso wortlos wieder. Ich wunderte mich nicht weiter, nahm meine Pille zusammen mit dem Wasser ein und setzte mich wieder zu Floh und Anna aufs Bett. Anna nahm ihre nach langem Zuspruch von Floh und mir auch, sodass Dirk sie dieses Mal nicht zu würgen brauchte, als er die Sachen wieder abholte.

Die Nacht verlief ruhig. Ich schlief in Flohs Armen ein und kam mir ein bisschen gemein vor, dass Anna alleine in ihrem Bett lag. Doch sie beklagte sich nicht.

Geweckt wurde ich von der allmorgendlichen Schlechtigkeit, die mich irgendwann noch den letzten Nerv kosten würde. Nach ein paar Minuten ging es jedoch wieder und ich stellte fest, dass Floh seine Arme um mich gewickelt hatte, als wäre ich sein Teddybär und so laut schnarchte, dass es ein Wunder war, dass ich überhaupt die Nacht durchgeschlafen hatte. Grinsend hielt ich ihm die Nase zu. Einen Moment passierte nichts, dann schnappte er nach Luft, wischte sich resigniert mit einem Arm übers Gesicht, drehte sich auf den Rücken und pennte einfach weiter. Kopfschüttelnd kletterte ich aus dem Bett. Anna hatte sich tief in ihre Decke gekuschelt und schlief wie ein Stein. Ich tapste gähnend zur Balkontür und warf einen Blick nach draußen. Es war bewölkt und es sah kalt aus, doch immerhin regnete es nicht. Fröstelnd lief ich zurück zu Flohs Bett und schlüpfte zu ihm unter die Decke. Ich trug nur Unterhose und Hemd, weil wir nicht in unseren dreckigen Klamotten hatten schlafen wollen. Als ich meine kalten Füße an seine warmen Beine hielt, um sie wieder aufzuwärmen, wurde er wach.

Never Feel SafeМесто, где живут истории. Откройте их для себя