Kapitel 1

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"Hast du mal probiert, das Teil zu ersäufen?"

"Mehrmals. Es ist und bleibt wasserfest."

"Kannst du es vielleicht aufschrauben?"

"Hab ich auch probiert. Unzerstörbar."

"Hast du schon versucht, es lockerer zu machen?"

"Ja. Geht nicht."

Er schwieg. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und stellte gelangweilt meinen Ventilator auf die nächst höhere Stufe. Dieser Sommer war zu heiß, auch wenn man die Erderwärmung berücksichtigte.

Floh seufzte. "Vielleicht hätten wir es einfach lassen sollen."

Ich schüttelte den Kopf. "Ich bereue nichts. In diesem Kaff kann man sowieso nichts tun. Ich würde genauso im Haus hängen, wie ohne Fußfessel."

"Echt Kacke, dass ihr weggezogen seid. Wenn ich mal frei habe, komme ich dich besuchen."

"Ja, tu das. Wie viele Tage musst du noch Überstunden machen, um einen Tag rauszubekommen?"

Er überlegte kurz. "15. Ich darf nicht zu lange arbeiten, sonst ziehen sie mir das ab."

"Geht das denn?"

Floh nickte. "Ich bin schließlich nur Ferienarbeiter. Normalerweise könnte ich gar keine freien Tage durch Überstunden raushauen."

"Oh." Ich schwieg. "Ich vermisse dich."

"Ich dich auch. Aber wir kriegen das hin, mit der Fernbeziehung. Es ist ja nur eine Stunde mit dem Zug. Wenn die Schule wieder anfängt, komme ich mindestens jedes Wochenende."

"Du machst Abi, vergiss das nicht. Ich will nicht, dass wegen mir deine Noten schlechter werden."

Er grinste. "Ach Quatsch, die werden höchstens schlechter, wenn ich dich nicht sehe. Du bist meine Motivation." Seine braunen Augen funkelten.

Ich schüttelte nur den Kopf, musste aber lächeln. Floh konnte echt süß sein, wenn er wollte.

Im Hintergrund schrillte eine Klingel und er sah auf.

"Pause ist um. Ich muss Schluss machen. Nach der Arbeit rufe ich wieder an, ja?"

"Ja, klar. Ich wünschte, ich könnte einfach kommen."

"Ich auch. Ich liebe dich."

"Ich dich mehr."

Er warf mir durch den Monitor einen Kuss zu, grinste und beendete den Videoanruf. Ich starrte kurz auf den Chatverlauf, der jetzt wieder angezeigt wurde und schloss Skype. Ohne große Lust öffnete ich YouTube in einem neuen Fenster und klickte auf das neueste Video von LeFloid, das erst vor ein paar Minuten online gegangen war. Sieben Minuten Ablenkung von meiner persönlichen Hölle. Sieben Minuten, in denen ich erfuhr, dass sich die Angelegenheiten rund um den Terroranschlag durch den IS in Moskau soweit verschärft hatten, dass Russland mit Bombenhagel auf ein Lager des IS in Syrien geantwortet hatte. Blöderweise waren dabei auch hunderte US-amerikanische Soldaten umgekommen, die vor dem IS-Lager die Stellung gehalten hatten. Die USA hatten Russland sofort zur Stellungnahme aufgefordert und gefragt, ob Russland gewusst hätte, dass sie auch die Soldaten gefährden. Doch Russland war zu keinerlei Aussage bereit gewesen. Und wie es schien, war denen das Wohl der amerikanischen Soldaten ziemlich egal.

Das war, laut LeFloid, gestern gewesen. Ich schluckte. Sah nach Ärger aus. Aber es war nicht in der Nähe. In Syrien war doch schon seit Jahren Krieg und Russland und die USA hatten sich auch früher schon nicht verstanden. Ohne weiter darüber nachzudenken surfte ich weiter auf YouTube und suchte nach Videos, die Anleitungen zur Demontage von elektronischen Fußfesseln gaben.

Never Feel SafeWhere stories live. Discover now