Kapitel 13

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Die Tage zogen ohne weitere Vorkommnisse ins Land. Flohs Wunde heilte gut ab und er begann gegen den Rat des Arztes, schon wieder zu trainieren. Dafür ging er in das winzige Fitnessstudio des Krankenhauses, welches eigentlich für ergotherapeutische Zwecke gedacht war, und stemmte Gewichte. Oder er hängte sich einfach an Geländer und machte Klimmzüge. Danach war er irgendwie immer total ausgeglichen, also verbat ich mir, ihn davon abhalten zu wollen, damit die Wunde nicht wieder aufging. Als Herr Pfaff ihn schließlich für geheilt erklärte, lief Floh mehr oder weniger direkt zu Louis und verlangte, nicht länger in der Küche arbeiten zu müssen. Louis willigte ein und meinte, er würde ihn als jemanden einsetzten, der bei Bedarf Dinge aus der Stadt holen sollte oder eben mit den anderen mitfuhr, wenn sie Wohnhäuser aus der Umgebung plünderten. Floh war damit vollkommen zufrieden.

Anna redete mit uns, wenn auch nicht viel, über sämtliche Themen. Zu den anderen dagegen war sie verschlossen und ihre Panik gegenüber Dirk bestand weiterhin. Sie beklagte sich im Gegensatz zu Floh nicht über die Arbeit in der Küche. Ich hatte sogar das Gefühl, dass es ihr Spaß machte. Und da sie sich anscheinend wirklich gut mit Noah, dem Mittzwanziger, der in der Küche arbeitete, verstand, fiel ihr die Arbeit leicht. Anfangs selten, doch dann immer häufiger lagen Karten und Blumen auf ihrem Bett, die von Robin stammten, dem Typ, der sie - unfreiwillig! - geschwängert hatte. Doch sie ignorierte alle Bitten seinerseits, ihm zu vergeben und warf die Sachen draußen in den Müllcontainer. Wenn sie ihn persönlich sah, tat sie, als wäre er gar nicht da, obwohl er sich wirklich anstrengte, dass sie ihm verzieh.

Mindestens einmal in der Woche gingen Martin und ich in den Wald, um Fleisch für die Gruppe zu beschaffen. Das Töten der Tiere tat mir in der Seele weh, doch ein Aufbegehren gegen meine Aufgabe kam nicht in Frage, denn ansonsten hatte ich eigentlich nichts zu tun, da die fortschreitende Schwangerschaft mir die meisten meiner Kräfte raubte, sodass wir jede Woche ein klein wenig länger für den Weg brauchten. Es wurde beinahe zur Routine, dass ich mich kurz nach dem Aufwachen übergeben musste, daher hatte ich schon früh damit begonnen, einen Eimer neben mein Bett zu stellen. Auch wenn Floh mir jedes Mal half, wurde seine liebevolle Fürsorge nicht weniger. Im Gegenteil, er machte sich immer mehr Sorgen, denn ich aß entweder den ganzen Tag gar nichts oder stopfte mich abwechselnd mit Schokolade und Chips aus dem Ort voll. Er schaffte es trotz meines seltsamen Geschmacks, mir auch gesunde Sachen unterzujubeln, damit das Kind mit allem nötigen versorgt wurde. Flohs Begeisterung war dennoch groß wie nie und es kam nicht selten vor, dass er mehrmals am Tag zu mir geschlichen kam und beide Hände auf meinen Bauch legte. Jeder Tritt des Kleinen, den er somit spürte, zauberte ein entzücktes Lächeln auf sein Gesicht.

Anna und ich betrachteten meine Schwangerschaft eher objektiv und wussten beide wohl nicht so recht, wie das alles ausgehen würde. Natürlich freute ich mich und war glücklich wie lange nicht, doch die Angst war allgegenwärtig. Anna schien alles genau zu beobachten und es im Stillen auf sich selbst zu übertragen. Sie war jetzt im vierten Monat und jedes Mal, wenn sich mein komisches Essverhalten wieder zeigte, musterte sie mich mit einem Blick, der zeigte, dass sie eigentlich überhaupt keine Lust auf all diese Strapazen hatte.

Her Pfaff bereitete mich ein wenig mit einer Art Geburtsvorbereitungskurs vor, machte wöchentlich einen Ultraschall und druckte die Bilder aus, um sie zuerst Louis zu zeigen und dann uns zu geben. Floh kam jedes Mal aus dem Lächeln nicht wieder raus, wenn er die Bilder gesehen hatte. Er würde wahrscheinlich der stolzeste Vater werden, den es je gegeben hatte.

Das Wetter änderte sich auch. Mittlerweile war es Ende Februar und deshalb richtig Winter geworden und eine dünne Schneeschicht lag über allem und betonte noch einmal, dass wir die einzigen weit und breit waren, da unsere und die Spuren der Tiere im Schnee die einzigen blieben. Es war gleichzeitig schrecklich und wunderschön.

Never Feel SafeWhere stories live. Discover now