Überwindung

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Niall

„Geht das Baby etzt weg?" Noah blinzelte mich aus grauen Augen an und wartete gespannt auf meine Antwort. Entgegen meiner schlechten Laune musste ich schmunzeln, der kleine Mann freute sich überhaupt nicht auf sein Geschwisterchen.

„Ja das Baby kommt jetzt aus dem Bauch deiner Mama raus." Noahs Augen leuchteten begeistert auf und ich beeilte mich, weiter zu sprechen. „Dann besucht es uns alle hier und wir können es kennen lernen."

„Och sade, is dachte es deht füa imma weg und is hab Mama und Papa wida füa mis alleine", nörgelte er und verschränkte seine Ärmchen traurig vor der Brust. Nur schwer konnte ich mein Lachen unterdrücken, meine Mundwinkel zuckten heftig. Noah wollte wirklich kein großer Bruder werden.

„Aber wenn du einen Bruder oder eine Schwester hast, dann hast du immer jemanden zum Spielen", lockte ihn Liam, der gegenüber von mir auf einem der ungemütlichen Plastikstühle platzgenommen hatte. Aber auch dieses Argument überzeugte Noah nicht.

„Es soll weggehn. Is will Mama füa mis alleine haben", trotzte mein Patensohn und ich fragte mich, womit ich das verdient hatte. Eigentlich war ich hergekommen, um meinem Ärger Luft zu machen, ein paar Songs aufzunehmen und mal wieder was mit Harry und Liam zu unternehmen. Und jetzt, nur einen Tag nach meiner Ankunft, war ich im Krankenhaus um auf den Sohn des größten Arschlochs der Welt aufzupassen. Fehlte nur noch, dass Hayley hier auch noch auftauchen würde.

Und als würde Gott oder das Schicksal oder sonst irgendwer mich hassen, tauchte sie natürlich grade jetzt auf. Mein Patensohn lief glücklich quietschend auf sie zu und umarmte sie. Haltlos redete er auf Hayley ein und sie hörte ihm geduldig zu, während ich nicht mal fähig war, mich zu bewegen.

Grade jetzt wünschte ich, ich wäre so sorglos wie Noah und könnte einfach so mit Hayley reden. Aber das war ich nicht und so blieb mir nichts anderes übrig, als die Liebe meines Lebens anzustarren und mich zu fragen, wie wir uns so voneinander entfernen konnten.

Sie war noch immer wunderschön, keine Frage, aber sie sah auch ziemlich fertig aus. Als hätte sie in letzter Zeit kaum geschlafen und wenn mich nicht alles täuschte, dann hatte sie erst vor kurzem geweint. Hayley weinte eigentlich nie, es musste etwas passiert sein, aber trauriger Weise zweifelte ich daran, dass ich ihr noch genug bedeutete, als das sie um mich weinen würde.

Trotz der Augenringe und der fahrigen Art war sie noch immer wunderschön. Ihre langen braunen Haare, die warmen braunen Auge, ihr wunderschönes Lächeln, all das verfolgte mich in meinen Träumen. Sie jetzt leibhaftig vor mir zu sehen war zu viel für mich. Ich liebte Hayley, noch immer und ich wollte sie nicht verlieren. Aber wann immer ich sie sah, musste ich daran denken, wie ich sie und Louis gefunden hatte.

Meine Ex? schenkte mir ein schüchternes Lächeln, bevor sie sich mit Noah auf dem Schoß zu Liam setzen wollte. Der Hosenscheißer hatte da allerdings andere Pläne. „Is will bei Ontl Aiell sitzn und du auch", krakelte er und ich musste schwer an mich halten, ihn nicht durchzuschütteln. Irgendwie hatte er das Talent, Hayley und mich immer genau dann zusammen zu bringen, wenn wir es am wenigsten wollten.

Schwach lächelte Hayley mich an, ehe sie neben mir platznahm. Anders als ich erwartet hatte, redete sie nicht mit mir, sie startete nicht mal den Versuch und irgendwie enttäuschte mich das.

„Sieht so aus als wären fast alle versammelt. Es liegt eine gefühlte Ewigkeit zurück, seit dem letzten Mal." Nur leise klang Emmas Stimme in meinen Ohren und doch war sie viel zu laut für dieses stille, bedrückende Wartezimmer.

Obwohl wir heute wohl alle das Wunder des Lebens erfahren würden, war es mir unangenehm hier zu sein. Das sterile Weiß der Wände war zu kalt, der Boden war zu künstlich und alles in Allem fühlte ich mich hier schrecklich unwohl.

Imperfect PerfectionWhere stories live. Discover now