Konflikte

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Emma

„Vielleicht solltest du das nochmal überdenken Liebes."

Seufzend schüttelte ich den Kopf und packte eins der letzten Kleidungsstücke in meinen Koffer. „Nein Mama, ich habe es schon überdacht. Vier Monate lang. Das ist die richtige Entscheidung."

„Und wenn nicht? Ich denke ihr überstürzt es. Zuerst die Hochzeit und jetzt gleich zusammenziehen? Ihr kennt euch doch noch gar nicht so lange."

Genervt schloss ich meinen Koffer und setzte mich auf den Deckel. Meine Mutter nahm mir die Blitzhochzeit mit Liam immernoch übel und dass ich jetzt zu ihm nach England ziehen würde konnte sie nur schwer nachvollziehen.

In der Hinsicht beneidete ich Maya und Grace. Ihre Eltern hatten sie gehen lassen ohne ewig mit ihnen zu diskutieren.

Warum meine Mutter das Ganze so engstirnig sah konnte ich nicht verstehen. Anders als Maya war ich nicht schwanger und ich befand ich mich auch nicht mitten in meiner Ausbildung oder den Abiturklausuren, wie Grace damals.

„Mama, ich liebe Liam. Wir sind verheiratet und ich will eine gemeinsame Zukunft mit ihm. Das wir zusammenziehen ist da ganz normal. Und England ist die beste Lösung. Ich hab ein tolles Jobangebot in einer hübschen kleinen Buchhandlung im Vorort von London und anders als Liam hier werde ich mich dort schnell zurechtfinden, weil ich der englischen Sprache mächtig bin."

Ruhig sah ich meine Mutter an, die noch immer nicht überzeugt war. Ganz anders war da mein Vater, der Liam vom ersten Moment an herzlich aufgenommen hatte. Ihr gemeinsames Interesse für Fußball und ihr ausgeprägter Beschützerinstinkt mir gegenüber begünstigten das noch.

Meine Mutter hingegen war zu Liam von Anfang an distanziert gewesen, was sich, als sie von unserer Hochzeit erfuhr, nur noch verstärkt hatte.

„Was wenn sich erst in eurem Ehealltag sein wahres Gesicht zeigt? Dann ist niemand da, der dir da raushelfen kann."

Wie immer nahm meine Mutter nur das schlimmste an. Liam war ein guter Mann, er war wie gemacht für mich, auch wenn es kitschig klang. Wir passten perfekt zueinander, auch wenn unsere Beziehung nicht immer perfekt war. Auch wir hatten unsere Tiefs an denen wir aber gemeinsam arbeiteten und die Probleme zusammen lösten. Wir gingen gestärkt aus jedem Streit hervor und nach jedem Tief kam ein umso schöneres Hoch.

Deshalb bestand für mich auch keinerlei Zweifel, dass ich das Richtige tat. Ich würde in London zusammen mit Liam mein Leben leben, was aber noch lange nicht bedeutete, dass meine Familie außen vor sein würde.

„Mama, wenn etwas sein sollte, dann wohnt Maya in meiner Nähe und Grace und Harry ziehen in der nächsten Zeit auch nach London", versuchte ich es jetzt auf die Tour.

„Maya und Grace die ich nicht kenne ja?"

Augenrollend verfrachtete ich meinen Koffer nach unten in den Flur, von wo aus mein Papa ihn ins Auto laden würde.

Mit einem letzten wehmütigen Blick in mein Zimmer, in dem ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht hatte, wandte ich mich meiner Mutter zu.

„Mama, ich bin 27. Ich weiß was ich möchte und ich kann auf mich aufpassen. Nur weil ich in London lebe bin ich doch nicht aus der Welt." Sanft schloss ich meine Mutter in die Arme, als sich Tränen in ihren Augen sammelten.

„Ich ruf dich an und wir skypen regelmäßig, das verspreche ich dir." Meine Mutter löste sich etwas von mir uns nickte.

Langsam trat ich mit ihr aus dem Haus und stieg nach einer kurzen Umarmung zu meinem Vater ins Auto.

Imperfect PerfectionWhere stories live. Discover now