Severus' Warnung

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Oktober 1979

Gwendolyn saß am Kamin des Salons und war in ihre Lektüre vertieft. Es war noch früh am Abend, dennoch war sie alleine. Ihr Kopf brummte von den ganzen magischen Formeln und sie ließ das Buch für einen Augenblick auf ihre Knie sinken und starrte ins Feuer. Sie fragte sich, ob Sirius bereits zu Hause war und auf sie wartete, doch es war unwahrscheinlich.

Gwendolyn seufzte. Sie sehnte sich nach seiner Nähe, doch irgendwie schafften sie es nicht, sich wieder einander anzunähern. Er war zu ihr zurückgekommen, er hatte ihr nichts vorgeworfen und war stets freundlich zu ihr gewesen, aber noch immer gingen sie sehr distanziert miteinander um.

Hatte Severus vielleicht recht? Waren sie zu unterschiedlich um miteinander auszukommen, so wie Lily und er? Sollte sie vielleicht ihre Konsequenzen daraus ziehen. Gwendolyn schüttelte den Kopf um den Gedanken zu vertreiben und versuchte sich wieder auf das Buch zu konzentrieren.

Das Studium lenkte sie ab. Nicht nur von Sirius, sondern auch von den Fragen, die sie täglich quälten, seit Voldemort ihr das erste Mal gestattet hatte, ihn zu begleiten.

Sie knirschte wütend mit den Zähnen, als sie sich daran erinnerte, während die Buchstaben auf den Seiten vor ihren Augen verschwammen. Sie hatte Voldemort bei seinen persönlichen Missionen begleitet, ohne je den Sinn verstanden zu haben. Sie war zu geblendet gewesen, von ihrer eigenen Aufregung und der Freude darüber, dass er sie mitnahm, dass sie die Frage nach dem „Warum?" immer in den Hintergrund gestellt hatte.

Doch bereits beim letzten Mal hatte Gwen gemerkt, dass sie sich nicht länger damit zufrieden geben wollte. Gwendolyn wollte Antworten, wollte Antworten um das große Ganze, das um sie herum geschah zu begreifen. Es genügte ihr nicht länger zu lernen. Sie wollte wissen, was Voldemort beabsichtigte. Doch vor allem wollte sie wissen, welchen Zweck all ihre Mühen hatten.

Die Tür im Salon öffnete sich und ließ Gwendolyn aufhorchen.

„Da bist du ja!"

Sie erkannte die Stimme, ohne sich umzudrehen.

„Hey Sev. Schön dich mal wieder zu sehen!" Es war echte Freude in ihrer Stimme und es brachte den Tränkemeister zum Schmunzeln.

„Tja", sagte er, während er zu dem Tablett mit dem Weindekanter ging, „anscheinend ist es schwerer, bei dir eine Audienz zu bekommen als bei der Ministerin."

Er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, der augenblicklich fruchtete. Schuldbewusst ließ Gwendolyn ihr Buch zuschnappen und rückte sich auf dem Sofa zurecht.

„Ich war sehr ausgelastet in der letzten Zeit", versuchte sie sich zu rechtfertigen.

„Magst du ein Glas?", fragte Severus, ohne ihren Einwand zu beachten.

Gwendolyn lehnte ab und Severus nahm schräg gegenüber in einem der großen Ohrensessel platz und nippte an seinem Glas Wein.

„Du hast mir nicht einmal erzählt, wie der Auftrag mit dem Zauberstabmacher lief."

Gwendolyn warf das Buch neben sich, bevor sie antwortete: „War ganz ok. Wir haben ihn überrumpelt. Er konnte gar keinen Widerstand leisten."

Mit einem unangenehmen Ziehen in der Magengegend erinnerte sie sich an Ovangkol und an die Tatsache, dass er sie erkannt hatte.

„Hat er die Häftlinge mit Stäben versorgt?"

Sie nickte nur und starrte ins Feuer und einige Minuten fiel kein Wort zwischen den beiden Freunden.

„Mich würde interessieren", sagte Severus, während er das bauchige Glas in seiner Hand drehte, „wohin die Dementoren verschwunden sind."

Gwendolyn schwieg. Das war eine der vielen Fragen, die ihr ebenfalls im Kopf herum geisterten, als sie die Schlagzeile in der Zeitung gelesen hatte. In jener Nacht, als sie Voldemort begleitet hatte, waren sie noch da gewesen. Sie fluchte innerlich und nach und nach wurde ihr immer mehr bewusst, dass Voldemort nicht wollte, dass sie den Sinn im vollen Ausmaß begriff. Er wollte womöglich nicht, dass sie zu viel wusste und er gestattete ihr nur, ihn zu begleiten, solange sie gehorsam und ruhig war.

Im Schatten eines großen NamensDove le storie prendono vita. Scoprilo ora