Die Frau, die er liebte

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August 1979

Flackernd tanzten die Schatten an den Wänden, die das kleine zitternde Kerzenlicht auf dem Küchentisch erzeugte. Draußen war es stockdunkel, noch immer Nacht. Drinnen erhellte nur die kleine Kerzenflamme den Raum. Es war still, fast vollkommen. Aber nur fast.

Gwendolyn saß mit dem Rücken an der Wand auf dem Küchenboden zwischen Esstisch und Küchenzeile, die Knie mit den Armen umklammert, sich auf- und abwiegend, um sich zu beruhigen, ihres schnellen, unregelmäßigen Atems oder des Zitterns ihres Körpers, der sich einfach ihrem Willen widersetzte, kaum bewusst.

Sie hatte die Lider fest aufeinander gepresst, unterdrückte die Tränen, die versuchten, an die Oberfläche zu kommen.

Immer wieder kamen die Bilder zurück: die braunen Augen, grünes Licht und die anschließende Leere. Gwendolyn schluchzte leise. Es war ein entsetzlicher Schmerz gewesen, ein Schmerz, als hätte ihr jemand bei lebendigem Leibe den Brustkorb zertrümmert. Als wäre ihre Seele in unzählige Stücke zerrissen worden, in dem Moment, da das Leben in ihm erloschen war.

Diese Szene wollte sie nicht wiederholen. Keinesfalls würde sie wieder töten! Nie wieder, so schwor sie sich an jenem Abend, würde sie einem Menschen das Leben nehmen!

Gwendolyn schauderte.

Sie hatte gemordet, mit ihren eigenen Händen. Mit ihren eigenen Händen ein unschuldiges Leben genommen. Die letzte Hemmschwelle überwunden, die sie noch aufrechterhalten hatte.

Dearborn hatte es gewünscht, doch es änderte nichts an der Tatsache: sie war eine Mörderin.

Sie blinzelte die Tränen weg und schluchzte leise, vergrub ihren Kopf auf den Knien und versuchte den dicken Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken, doch er blieb.

Keine zwei Wochen waren vergangen seit Regulus' Verschwinden und schon wieder begann Gwendolyn zu zweifeln. An sich selbst und an ihren Entscheidungen. Sie hatte alles daran gesetzt, sich die Gunst des Dunklen Lords zu erkämpfen. Hatte skrupellos alle Opfer erbracht, die nötig waren, und jetzt - jetzt war sie sogar über Leichen gegangen.

„Gwen?"

Sie zuckte erschrocken zusammen. Der Griff um ihren Zauberstab wurde fester. Als sie aufsah, spürte sie einen Stich im Herzen, der die aufkeimende Hoffnung erdrückte.

„Du bist zurückgekommen?", flüsterte sie ungläubig.

„Ja!" Sirius berührte sie sachte am Arm.

Er hatte sich zu ihr auf den Boden gekniet, besorgt und vorsichtig. Sein Gesicht und der Blick aus seinen grauen Augen waren gezeichnet, doch er war zurückgekommen.

„Warum?" Gwendolyn wagte es nicht daran zu glauben.

Nicht nach allem, was geschehen war.

„Weil ich dich nicht im Stich lasse, Gwendolyn!" Er rückte näher zu ihr. „Gemeinsam finden wir einen Ausweg! Ich helfe dir! Ich helfe dir von denen loszukommen!"

Es fühlte sich an, als hätte Sirius einen Eimer Eiswasser über sie gegossen. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Man konnte nicht einfach von Lord Voldemort ‚loskommen'. Das war unmöglich und Gwendolyn konnte dies schon gar nicht!

Sollten all die Opfer, die sie erbracht hatte, umsonst gewesen sein? Sollte selbst Dearborns Tod umsonst gewesen sein? Wenn sie Voldemort nun den Rücken kehren würde, war alles umsonst.

Doch Sirius war zu ihr zurückgekehrt. Sie hatte sein Herz mit Füßen getreten, mit und ohne Absicht und er war, trotz allem, wieder da. Er liebte sie und Gwendolyn liebte ihn ebenso, doch sie wusste auch, dass sie nicht bereit war, das Erreichte aufzugeben. Weder das noch ihre Ziele.

Im Schatten eines großen NamensDonde viven las historias. Descúbrelo ahora