38 - Waffen

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Ein vergleichsweise friedlicher Morgen. Kaffee, Notizen, Briefe. Das Übliche eben. Ich sitze allein im Arbeitszimmer und lasse mir geradezu unverschämt viel Zeit mit der Decodierung. Natürlich hätte jeder Andere diese öde Aufgabe genauso gut übernehmen können. Zu meinem Glück hat aber kein Anderer Bock darauf gehabt. In den letzten vier Tagen habe ich mich nicht nur mit den neuen Briefen beschäftigt, die kaum neue Erkenntnisse lieferten. Ich habe außerdem genügend Zeit gehabt, das Gelände zu erkunden und mich zu vergewissern, dass es außer dem elektrischen Schlag momentan keinen anderen Ausweg aus dieser Hölle gibt. Im Nachhinein wünsche ich mir, auf diese scheiß Erkenntnis verzichtet zu haben.

In den letzten Tagen schienen die Wespen angespannter als sonst zu sein. Angeblich hat sich die Situation mit Franco aufgeheizt. Gespräche über den Erzfeind des Syndikats sorgen in der Basis für Kopfschmerzen und allgemeine Gereiztheit. Einfach super. Gut, dass ich mich nicht leidenschaftlich für die Firma interessiere, sonst hätte mich der Stress der Anderen noch angesteckt.

Ich beuge überm Schreibtisch und lege den Kopf auf die graue Unterlage. Schlafen wäre nicht schlecht. Schlafen und die ganze Scheiße, in der ich mich befinde, vergessen. Ich habe Angst. Angst vor dem, was passiert, wenn ich nicht mehr gebraucht werden kann. Angst, dass Luna nicht mehr bestellt wird. Angst, dass ich all meine Hoffnung verliere. Und meine Zukunft. Angst, dass ich Valeria nie wiedersehe.

Der Bleistift zwischen meinen Fingern ist stumpf. Immer noch halb liegend male ich ein paar Kreise auf die Unterlage und seufze leise. Die Sonnenstrahlen, die durch die Jalousien dringen, machen mich müde.

Gerade als ich eindösen will, wird mein Trommelfell von einer Salve Schüsse erschüttert. Mein Körper reagiert schneller als mein Verstand und schubst mich unter den Schreibtisch. So eine Scheiße. Was zur Hölle ist los?! Der Krach wird lauter. Aufgeregtes Stimmengewirr aus dem Flur gesellt sich zu dem Geballer, das mich erzittern lässt. Ich will mich bewegen. Verschwinden. Kann es nicht. Bin wie gelähmt. Als die Scheibe hinter der Jalousie bei einer neuen Salve zerspringt, ist meine Lähmung wie weggeblasen.

Mein Blick hastet noch ein paar Mal zwischen den Jalousien und der Tür umher, dann renne ich endlich. Drücke die Klinke und stolpere in den Korridor. Noch mehr Schüsse. Wer, verflucht, greift an?! Womöglich die Polizei? Der Gedanke macht mich hoffnungsvoll.

Vor mir sehe ich die bekannten Gesichter der Wespen mit Waffen, die einander Anweisungen zurufen und Richtung Terrasse hetzen. Das vertraute Geräusch vom Einlegen tödlicher Magazine. Jemand lädt nach. Jemand feuert. Langsam gelingt es mir, ein paar der Stimmen zu entwirren.

"Los jetzt! Bewegt eure verfickten Ärsche zur Front!"

"Ezra, mehr Munition, verflucht nochmal!"

"Passt auf! Am Westflügel!"

Chaos. Ich renne. Immer in die Richtung, von der ich glaube, dass sie mich von der Front entfernt. Als ich das Blut auf den Fließen, an den Wänden und auf den Verteidigern der Basis sehe, wird mir klar, dass die Gegenwehr nicht optimal verläuft.

"Sie sind drin! Scheiße, sie sind drin!"

"Achtung zweite Etage!"

"Haltet die Augen offen! Schaltet sie aus!"

"Noch ein Magazin, Gomez!"

Ich renne schneller. Vor mir geht ein Mann zu Boden und ein heiserer Schrei verlässt meine Kehle. Stolpere. Renne weiter. Schüsse. Ganz nah. Die Angreifer sind hier drin, verfluchte Scheiße! Ich rüttle an Türen. Endlich eine, die sich öffnen lässt! Als ich hinter ihr ein weit geöffnetes Fenster sehe, mache ich wieder kehrt. Shit! Shit! Shit!

Am Ende des Flurs stehen schwarz gekleidete Typen mit Gewehren. Keine bekannten Gesichter. Fuck, haben sie mich gesehen?! Ich renne um die Ecke. Blut rauscht in meinen Ohren. Angstschweiß läuft mir in die Augen. Macht mich blind. Noch mehr Schüsse. Jemand reißt an meinem Arm. Einer der Angreifer muss mich eingeholt haben. Als ich schreien will, drückt er mir die Hand auf den Mund. Als ich um mich schlage, wird sein Griff härter. Jetzt ist es vorbei ... Jetzt ist es endgültig vorbei mit mir.

"Ally!", zischt der Mann und endlich gelingt es mir, durch den Schweiß und die Panik hindurch tatsächlich etwas zu erkennen. Besser gesagt jemanden. Paco. Er lässt mich los und weist mich mit einer Geste an, leise zu sein. Die Fingerabdrücke auf seiner Waffe sind blutig.

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AB JETZT KOMMT JEDEN TAG EIN NEUES KAPITEL! Und außerdem: Immer her mit Meinungen, Vermutungen, Feedback und Votes!! Und immer schön gespannt bleiben ;)

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