5 - Versteck

4.9K 162 3
                                    

"Ein paar von Duartes Kumpanen sind erledigt. Die waren uns eh schon seit längerem ein Dorn im Auge."

Reyes brummt zustimmend. "Dass wir ihn nicht bekommen haben, ist mir gar nicht so unrecht. Er wird mir noch mehr von Nutzen sein, wenn ich seine Verbindungen durchschauen und dann gegen ihn verwenden kann."

Er läuft durch den Raum und macht eine ausschweifende Handbewegung. "Dann wird die Überraschung umso schöner!"

In den vergangenen Minuten haben die Wespen ihr wahres Gesicht gezeigt. Angst und Schrecken. Mord und Spektakel. Ablenkung und Raubzug. Natürlich war es keine Überraschung, dass sich das Syndikat für Duartes Verrat rächen würde, auf kaltblütige und erinnerungswürdige Weise. Aber mussten sie das ausgerechnet an dem Abend tun, an dem ich zur Schicht eingeteilt war?!

Endlich spüre ich meine Beine wieder, dafür habe ich nun das Gefühl, dass mein rasendes Herz gleich aus allen Nähten platzt. Der Schweiß an meinen Finger benetzt meine Lippen bis sie ganz salzig sind und ich lasse meine Hände in Zeitlupe sinken, als ich glaube, meine Atmung wieder im Griff zu haben. Ruhe zu bewahren wird aber immer schwieriger, als ich mich daran erinnere, dass ich so gut wie tot bin. Fuck.

Nochmal das Klicken eines Feuerzeugs. Tiefes Einatmen und das Ausstoßen von Qualm. "Die Hausbesetzung ist gut gelaufen, Männer. Nehmt euch noch ein paar von diesen hässlichen, sündhaft teuren Farbergé-Eiern aus dem Büro unseres lieben Gastgebers mit.", höre ich Reyes sagen, während er mit langsamen Schritten die Küche durchquert. Ich kann nicht mehr. Ich fixiere mich krampfhaft auf meine Schuhspitzen. Mein Herz pocht so scheiße laut. Dass die Mafiosi das noch nicht gehört haben, überrascht mich.

"Seine Revolver-Sammlung fand ich verführerischer." Ein anderer sagt irgendwas zu den Waffen der Verteidiger und als Reyes erneut spricht, habe ich das scheiß Gefühl, dass er direkt vor mir steht, finde aber noch immer nicht die Kraft aufzusehen.

"Stil ist ihm eben noch fremder als uns.", höre ich Reyes' dunkle Stimme vor mir murmeln.

"Hat Duarte noch etwas zu der Sache mit Franco gesagt?"

"Nichts Inhaltsvolles."

Ich zittere und kann nicht mehr. Ich sehe auf und blicke direkt in die grauen Augen des Mannes, der vor mir steht. Ich bin tot. Ich versuche, etwas anderes als Kälte in seinen Gesichtszügen zu finden. Es gelingt mir nicht. Er sieht mich einfach nur an, legt den Kopf leicht schief, während er meine kauernde Gestalt betrachtet. Er betrachtet mich so unbeeindruckt, wie er wohl auch die Farbagé-Eier in Duartes Büro betrachtet hat.

Ich atme schwer, starre ihn an und forme nach ein paar Sekunden der Todesangst zwei tonlose Worte mit meinen Lippen.

Bitte nicht.

Durch die aufsteigende Tränenflüssigkeit hindurch sehe ich nur noch verschwommen, wie er leicht mit dem Kopf schüttelt und meine letzte Hoffnung stirbt vollständig, als er spricht.

"Ich kann es mir nicht leisten, Zeugen zurückzulassen." Ich höre das Rascheln. Die anderen Männer sind mit den Papieren beschäftigt, die über die Küchenfläche verteilt sind. Der Ausgang ist frei.

"Der Wachmann in der zweiten Etage? Ist ausgeschaltet, Boss." Und warum sollte sich Reyes selbst die Hände schmutzig machen?

"Den mein ich nicht, Paco." Ich renne los, stoße mit meiner Schulter die Tür auf und stolpere in den Gang. Während ich die Schritte hinter mir höre, greift mein Körper auf seine letzten Energiereserven zurück, reagiert schnell und sprintet um die nächste Ecke des Ganges.

Geistesgegenwärtig stürze ich mich in die unauffällige Nische und hoffe, dass meine Verfolger einfach in der anderen Abzweigung des Ganges nach mir suchen werden. Natürlich ist den beiden mein Wunschdenken egal und sie teilen sich auf, seufzend, genervt von der Verzögerung ihres wohlverdienten Feierabends.

Ich sehe den Tattoogesichtigen mit seinem Gewehr auf die Nische zukommen und lasse mich an der Wand nach unten sinken. Lieber Gott, ich will noch nicht sterben! Tattoogesicht sieht zu mir runter und sein Blick bleibt an meinem Rock hängen, der während der Strapazen des Abends ein Stück nach oben gerutscht ist.

"Es ist irgendwas an diesen Uniformen." Er kratzt sich am Kinn. "Die lassen auch eine x-Beliebige plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen." Ein reumütiges Seufzen, dann beugt er sich ein wenig zu mir herunter. "So eine Verschwendung. Zu schade."

Nun taucht auch sein Kollege hinter ihm auf und geht ihn ungeduldig an. "Was dauert so lange, Gil?"

Er zuckt mit den Achseln, lässt sein Gewehr baumeln und das Grinsen auf seinem Gesicht ist unheilverkündend. "Nichts weiter. Ich habe nur gedacht, was für eine Verschwendung es wäre, die kleine Kellnerin abzumurksen."

Der andere verdreht die Augen. "Der Boss sagte, keine Zeugen zurücklassen." Das Grinsen des Tattoogesichtes wird noch breiter, als er sieht, wie mein Körper sich meinem Willen widersetzt. Meine Beine spreizen sich langsam auseinander und ich stelle beschämt fest, dass mein Selbsterhaltungstrieb stärker ist als meine Selbstachtung.

"Wer sagt, dass ich sie zurücklasse?" Das Letzte, das ich noch mitbekomme, ist das Geräusch, das mein Schädel macht, wenn er gegen die Wand einer Nische geschlagen wird. Danach ist alles schwarz.

~~~~~~~~~~

Immer her mit Meinungen, Vermutungen, Feedback und Votes!! Und immer schön gespannt bleiben ;)

Deadly People  ✓Where stories live. Discover now