15 - Schwamm

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Es klopft. Verstört wende ich mich auf die andere Seite. Das kann nicht sein. Es ist Mitte des Monats ... Miete ist erst in zwei Wochen fällig ... Es klopft noch einmal, diesmal lauter. Ricardo kann mich mal am Arsch lecken. Wenn gerade kein Feuer ausgebrochen ist, gibt es keinen guten Grund, mich an einem Sonntagmorgen zu stören. Ich ziehe die Decke höher und grummle Kauderwelsch, als ich das Öffnen der Tür höre. Es ist doch Sonntag, oder? Außer der Frage, was mein Vermieter in meiner Wohnung zu suchen hat, ist da noch etwas anderes Verstörendes. Das hier ist nicht meine Decke.

Nochmal ein lautes Klopfen, diesmal von innen. Ich schrecke auf, reibe mir die Augen und erblicke den Mann in der Tür. Das ist nicht mein Vermieter. Dwayne räuspert sich und schaut demonstrativ auf sein Handgelenk. "8.00 Uhr Abends, Zeit aufzustehen."

Die Realität schlägt mir wie eine Faust in die Magengrube und meine selige Unwissenheit ist wie weggeblasen. Kurz überlege ich, ob ich mich wieder hinlegen und einschlafen soll, um sie wiederzufinden. Dann registriere ich, wie der Schlägertyp vor mir ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippt und überlege es mir anders. Er macht eine auffordernde Handbewegung. "Mitkommen."

Ich komme einfach mit. Bin zu müde für Widerstand. Und auf Dwaynes eisernen Griff kann ich gut verzichten. Scheiße, ich bin sogar zu müde, um mir Sorgen zu machen, was jetzt schon wieder auf mich zukommt. Eine gefühlte Ewigkeit laufe ich ihm im Korridor hinterher und habe das Gefühl, gleich umzufallen. Von draußen kommt das friedliche Zirpen der Zikaden herein. Und dämmriges Licht, das auf die Vertäfelung scheint. Ich gähne ungeniert. Ich bin so unendlich müde. Auf der überdachten Terrasse angekommen, ziehe ich scharf die Luft ein. Und zwar nicht wegen dem atemberaubenden Anblick des unendlich scheinenden Dschungels in der Ferne.

Reyes sitzt am Holztisch. Er trinkt Rotwein und dreht sich um, als er Dwayne näher kommen hört. Eine einladende Handbewegung in meine Richtung. Verschlafen und aufgewühlt reibe ich über mein Gesicht und gehe auf ihn zu. Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Dwayne das auch für mich übernommen hätte, würde ich nicht parieren. Trotz der Anspannung kann ich meine Augen kaum offen halten, durch die ich Reyes' Anblick ertragen muss. "Guten Abend, Ally." Er deutet auf den Platz gegenüber von ihm. "Setz dich doch." Ich lasse mich auf den Stuhl fallen und stütze mich mit den Armen auf der Tischplatte ab. Verdammt, ich penn gleich ein.

"Ich hoffe, du hast gut geschlafen." Viel zu kurz. Ich lasse mein Gesicht in meine Hände sinken und murmele ein paar stumme Worte der Ermutigung in mich hinein, bevor ich die Kraft finde, wieder aufzusehen. Reyes schenkt mir ein Glas Wein ein.

"Das neue Gästezimmer ist sicherlich angenehmer als das vorherige. Wir wollen ja, dass du dich in unserer Basis wohlfühlst." Ist klar. Meine Stimme ist müde, so wie der Rest von mir. "Fünf Sterne. Wo kann ich euch bewerten?"

Reyes schwenkt sein Glas, bevor er noch einen Schluck nimmt. "Das geht wohl nur mündlich. Online sind wir nicht präsent." Wie rückständig. Er fährt fort. "Vielleicht sagst du Paco deine Bewertung. Er ist so stolz auf die Auswahl der neuen Steinfliesen."

Ich starre in die Abenddämmerung. "Möglicherweise hab ich ein paar davon vollgeblutet."

"Es wäre nicht das erste Mal, dass das passiert. Deshalb keine Teppiche." Seine grauen Augen mustern meine völlig erschöpfte Gestalt. "Die vergangenen Tage waren bestimmt sehr ... unannehmlich. Ich gehe nicht gern so mit Gästen um, aber manchmal verlangen die Umstände danach, das verstehst du sicher." Er lehnt sich entspannt zurück. "Nimm's mir nicht übel, aber sie waren notwendig, diese vergangenen Tage der ..." Er zögert.

"... Folter.", sage ich trocken.

Er macht eine wegwerfende Handbewegung. "Ja, Folter." Er lächelt entschuldigend. "Auf einen Neuanfang. Schwamm drüber." Ich starre ihn an. Schwamm drüber?!

S c h w a m m d r ü b e r . . .

Ich fahre mir erneut übers Gesicht. "Warum hast du geglaubt, ich wurde eingeschleust?"

"Hab ich nicht. Aber ich wäre ein Idiot, wenn ich nicht sicher gehen würde." Dieser scheiß verfluchte ...

"Und? Hat's Spaß gemacht?"

Er zuckt mit den Achseln. "Es gibt Aktivitäten, die mir mehr Spaß machen." Ich knirsche mit den Zähnen und er fährt fort. "Übel war es auch nicht, das gebe ich zu."

Ich höre Schritte und das Klappern von Besteck, was meine Sehnsucht nach Schlaf in den Hintergrund rücken lässt. Zwei Teller werden vor uns abgestellt. Steak mit Bohnen und Tomaten. Mein Hunger ist das Einzige, das größer ist als meine Wut und ich lange zu. Der Folterknecht lächelt beim Anblick, wie ich schlinge.

"Keine Eile, es ist nicht deine letzte Mahlzeit." Seine Bemerkung macht mich optimistisch, aber bringt mich nicht dazu, mein Tempo zu drosseln.

"Wie viele Mahlzeiten hab ich denn noch?"

"Genug. Drei täglich für eine Woche bei uns." Pause. "Und danach so viele wie du willst zurück in der Heimat."

Ich halte inne und blicke ihn an. Er nickt, als er die Hoffnung in meinen Augen erkennt. Ich hasse mich dafür, meine Miene nicht so verschließen zu können, wie er es tut. Das zu glauben wäre bescheuert. Sei nicht so scheiß naiv, Ally! Aber ich kann nicht anders, mein Herz schlägt hoffnungsvoll.

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Immer her mit Meinungen, Vermutungen, Feedback und Votes!! Und immer schön gespannt bleiben ;)


Deadly People  ✓Where stories live. Discover now