28 - Tür

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Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Bedürfnis jemals in einer Hölle wie meiner empfinden würde, aber ich tue es. Ich sehne mich nach menschlichem Kontakt. Ich sehne mich danach, dass ich Worte höre, die nicht aus meinem eigenen Mund kommen.

Die Einsamkeit in dieser engen, grauen Schachtel lässt mich langsam aber sicher den Verstand verlieren. Ich fasle seltsames Zeug vor mich hin. Einen Zeugenbericht über die Taten des Syndikats, den ich vor einem imaginären untersetzten Cop mit grauen Haaren vorgetragen habe. Als ich damit fertig war, fing ich mit dem dazu passenden Polizeibericht an. Danach natürlich diverse Exekutionspläne. Und ein professionelles Geständnis, in welchem ich mich zu den Taten bekenne.

Inzwischen sind sechs Tage vergangen. Sechs Male hat sich der winzige Lichtspalt unter der Tür verdunkelt. Sechs Male wurde mir ein klägliches Stück Brot vor die Füße geworfen. Sechs Male wurde die Tür danach kommentarlos wieder zugeschlossen. Von irgendjemandem, der nichts von persönlichem Kontakt zu halten scheint und keine einzige Sekunde auf mein Betteln reagierte.

In den letzten Tagen habe ich gelernt, mit den Verzerrungen und Wunden meines Körpers klarzukommen. Ich habe mich bewegt, wider meinem eigenen Willen, aber zugunsten meiner Glieder. Inzwischen kann ich laufen, ohne dabei Schmerzenslaute zu fabrizieren. Großer Fortschritt. Das kalte Duschen war auch scheiße, aber all die Prellungen regelmäßig zu kühlen, hat geholfen. Schließlich ist es nicht so, als hätte ich hier drinnen irgendetwas Besseres zu tun.

Ich liege auf dem Rücken und starre die Decke an. Keine Ahnung, was das soll. Diese Zelle. Das Brot. Die Abschottung. Wahrscheinlich soll es mich einfach nur fertig machen. Aber ich bin doch schon komplett am Boden. Ich hab meine verfluchte Lektion doch schon gelernt! Über die scheiß Mauer versuch ich es ganz sicher nicht nochmal!

Ich strecke meine Beine an der Wand nach oben und frage mich, wann Reyes mich umbringen wird. Und warum er es bis jetzt noch nicht getan hat. Die zweite Frage ist leichter zu beantworten. Weil ich leiden soll. Deshalb. Leide ich denn noch nicht genug, verfluchte Scheiße?

Meine Füße tasten gelangweilt die kahle Wand ab und ich falte die Hände im Nacken. Von draußen kommen Schritte näher, die mir mein alltägliches Festmahl bringen werden.

Nein, heute nicht. Heute werde ich nicht mit dem aussichtslosen Betteln und der jämmerlichen Fragerei anfangen, es ist doch sowieso alles sinnlos ...

Die Tür wird aufgeschlossen. Aber es kommt kein Brot geflogen. Die Gestalt an der Tür ist eine andere als in den vergangenen Tagen, denn sie scheint es überhaupt nicht eilig zu haben. Ich blinzle ein paar Mal und blicke in Pacos Gesicht. Für einen Moment herrscht Stille.

"Wo ist mein Brot?", ist alles, was ich hervorbringen kann.

Paco zuckt mit den Schultern. "Keine Ahnung." Er schaut mir dabei zu, wie ich mich aufrapple, und trägt dabei den kritischen Ausdruck auf seinem blassen Gesicht, der so typisch für ihn ist.

Ich starre ihn an. "Sag mir, wie lange ich noch in diesem Loch hocken muss!"

Er kratzt sich am Kinn. "Ich hab dir gesagt, dass das mit der Mauer keine gute Idee ist."

Ich schnaube verächtlich. "'Ich hab's dir ja gesagt!' Jedermanns verfluchter Lieblingssatz! Ja, ich hab's kapiert! Die Mauer ist tabu! Bin ich nicht schon genug gestraft?! Wann komme ich endlich raus aus dieser Zelle?!"

Paco knirscht mit den Zähnen. "Heute ist dein Glückstag."

Meine Atmung geht schneller und meine Stimme klingt hoffnungsvoll. "Ihr schließt mich nicht länger ein?"

"Sozusagen. Reyes will dich sehen."

Ich muss schlucken. "Was will er von mir?"

"Das wird er dir schon selbst sagen. Komm mit." Als er sich zum Gehen wendet, packe ich ihn am Arm und wiederhole meine Frage. Diesmal voller Eindringlichkeit.

"Was will er von mir?" Ich erkenne es in seinem Gesicht, dass er meine Sorgen erahnt. Was zur Hölle wird mit mir geschehen? Werde ich nun endgültig aussortiert?

Er schüttelt mit dem Kopf und wirkt noch verkniffener als vorher. "Ich schätze, ich soll die Überraschung nicht kaputt machen. Er sagt es dir selbst. Nur so viel: Du bist der Bestandteil eines Plans."

"So wie ich der Bestandteil einer verfickten Wette war? So ungefähr?!"

"Ja, so ungefähr." Er macht eine auffordernde Handbewegung und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Auf dem Gang kann ich endlich mal wieder durch die Fenster nach draußen sehen. Es ist Abend. Ich folge Paco in den nächsten Korridor und kann nicht umhin festzustellen, dass seine Miene noch finsterer ist als gewöhnlich. Wir bleiben vor einer Holztür stehen. Er öffnet sie und ich höre Reyes' hassenswerte Stimme von der anderen Seite. "Na, endlich! Komm rein, Ausreißerin!"

Ich balle meine Hände zu Fäusten und wage einen letzten Blick zu Paco. Bevor er wieder weggeht, murmelt er einen Satz des Bedauerns.

"Tut mir leid, Allison."

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Immer her mit Meinungen, Vermutungen, Feedback und Votes!! Und immer schön gespannt bleiben ;)

Deadly People  ✓Where stories live. Discover now