Deadly People ✓

30 - Pille

Das Klirren von Glasflaschen holt mich wieder in die Gegenwart zurück, raus aus meiner gelähmten Verzweiflung, rein in den hysterischen Schmerz der Ausweglosigkeit. Als Reyes voller Vorfreude seine weiteren Pläne mit uns teilt, fürchte ich, gleich mit dem Hyperventilieren anfangen zu müssen.

"Das Syndikat wird herausfinden, was es mit dieser neuartigen Droge auf sich hat. Welchen Markt sie eröffnen kann!" Aufgeheitert schreitet Reyes durch den Raum und wendet sich an Juan, der sich einen zweiten Drink eingießt. "Das Ding muss analysiert werden, so genau wie möglich!"

Juan hebt ein Glas hoch und macht eine einladende Geste. "Boss!"

Reyes folgt der Aufforderung und nimmt das Glas. "Dann vervielfachen wir es und suchen ein paar erste Testsubjekte aus."

Juan grinst. "Auf unser neues Produkt!"

Reyes stößt mit ihm an. "Cheers."

Während sich beide nachschenken, kneife ich mir mit voller Kraft in die Handfläche, der Schmerz befreit mich aus meiner Trance und richtet meine Konzentration auf die kleine Tüte mit der Pille, die nun unbeaufsichtigt direkt vor mir liegt. Ein Teil von mir erklärt mir panisch, dass das keine gute Idee ist. Ein anderer zischt verzweifelt, dass es eine großartige Idee sei. Was auch immer es ist, inmitten meiner bitteren Todesangst ist es nunmal meine einzige Idee.

Reyes spricht weiter und ich gehe unauffällig zur Lehne, greife die Klarsichttüte und verstecke sie hinter meinem Rücken.

"Wenn all diese Prozesse durchlaufen wurden, kennen wir Francos Vision und wissen endlich, ob es sich um ein lohnendes Geschäft handelt."

Juan lacht kurz auf und nimmt noch einen Schluck. "Das wissen wir doch jetzt schon!"

Mit zitternden Fingern öffne ich den Druckverschluss, fische die kleine Pille aus der Tüte und Reyes stellt sein Glas ab. "Aber dann wissen wir es mit Sicherheit."

Gerade als ich die Pille zum Mund führe, blickt er zu mir. Seine entspannte Fassade wird blitzartig von einem Ausdruck explosiver Anspannung ausgetauscht. Ein Ausdruck animalischen Zorns, den ich noch nie zuvor an ihm gesehen habe.

"Untersteh dich!" Während er mit schnellen Schritten auf mich zuhechtet, versenke ich die Pille in meinem Mund. Seine Hand packt mit einer Wucht meinen Kiefer, die mich zusammenzucken lässt, eine Millisekunde zu spät, er registriert mein Schlucken mit einem wutentbrannten Funkeln in den Augen.

Aus dem Hintergrund höre ich, wie Juan sein Glas abstellt und ein gedehntes "Oh, Fuck" murmelt.

Reyes atmet einmal tief ein und wieder aus, bevor er mir seine Worte bedrohlich und leise ins Gesicht spuckt. "Ist dir eigentlich bewusst, was du da gerade geschluckt hast!?"

Sein Blick fesselt mich an Ort und Stelle. Meine Mundwinkel zucken. "Das olle Ding? War das denn wichtig?"

Er krallt seine Fingernägel in meinen Hals. "Du miese kleine Bitch ..."

Ich lege eine Portion Selbstgefälligkeit in meine Stimme. "Das tut mir wirklich leid. Hätte ich gewusst, dass das Ding wichtig ist ..."

Reyes' Zorn gewinnt komplett die Oberhand und endlich höre ich das Brüllen eines wahrhaftig angepissten Menschen, das schon die ganze Zeit unter seiner Fassade versteckt war. "Halt den Mund, bevor ich überlege, wo ich die verdammten Nagelklemmen hingeräumt habe!"

Ich weiß, es ist übermütig und dumm, aber ich kann nicht anders. Beim Anblick seiner Weißglut und Juans Zerknirschtheit huscht ein verwegenes Lächeln über mein Gesicht. Reyes legt den Kopf in den Nacken, atmet noch einmal tief ein und wendet sich mit einem leisen Seufzen an mich.

"Gratulation, du bekommst eine Galgenfrist von 24 Stunden." Meinen Hals, den er gerade eben noch wie ein Raubtier umkrallt hatte, stößt er nun grob von sich, als hätte er sich daran verbrannt, geht zur Bar und schüttet sich noch einen Drink in den Rachen. 24 Stunden. Mehr als ich zu hoffen gewagt habe. Meine Atmung normalisiert sich wieder.

Juan nimmt sich die nun leere Tüte zurück, wendet sie planlos in seinen Fingern und sieht mich finster an. "Sie darf nicht aus den Augen gelassen werden. Ohne zweites Exemplar erstmal keine Vervielfachung. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als die Wirkung der Pille an ihr zu beobachten."

Reyes fährt sich durch die dunklen Haare und versucht allem Anschein nach, seine Gemütsruhe durch erhöhten Whiskykonsum wiederherzustellen. Aufgebracht starrt er mich an. "Das werde ich selbst übernehmen."

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