Deadly People ✓

7 - Gast

Einen Moment lang ist es ganz still. Tattoogesicht wendet sich endlich von mir ab, steht auf und verfällt unter Reyes' kühlem Blick ebenfalls in Starre. Die grauen Augen wandern von mir zu ihm und endlich bricht Reyes die unerträgliche Stille.

"Bezahle ich euch nicht genug?", fragt er. Tattoogesicht lächelt verkniffen.

"Was?" ist das einzige, was er hervorbringt. Reyes steht noch immer entspannt gegen den Türrahmen gelehnt und verschränkt die Arme vor seinem Körper.

"Ich fragte ..." Er seufzt und mustert Tattoogesicht geringschätzig. "... Bezahle ich euch nicht genug?" Er holt sich eine Zigarette hervor. Das Klacken seines Feuerzeugs reißt mich aus meiner Starre und verzweifelt fange ich wieder damit an, an den Kabelbindern zu rütteln, was aber nicht weiter auf Beachtung stößt.

Reyes nimmt einen Zug und sieht zu dem anderen. "Sind die Dienstleistungen des Rotlicht-Milieus zu teuer für dich, Gil? Die alternative Erklärung für das hier kann wohl nur sein, dass du ein hirnloser Vollidiot bist." Gil kratzt sich am Nacken und macht dann eine entschuldigende Handbewegung in meine Richtung.

"Es tut mir leid, Boss. Ich weiß, das ist nicht das, was Sie sich unter Zeugenbeseitigung vorgestellt hatten ..." Reyes schneidet ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.

"Was genau hab ich mir wohl vorgestellt?"

"Keine Zeugen zurücklassen. Daran hab ich mich gehalten.", bringt Gil unter einem schiefen Grinsen hervor. Reyes pustet ihm eine große Portion Rauch ins Gesicht.

"Du hast sie hierher gebracht. Das gefällt mir nicht. Es ist leichter, einen Flüchtigen umzubringen als einen Gast." Reyes durchquert den Raum und geht vor mir in die Hocke. Seine grauen Augen verschwimmen hinter der neuen Rauchwolke.

"Diese Angelegenheit ist mir wirklich peinlich. Ich hasse es, Unbeteiligte in meiner Basis zu töten. Das entspricht einfach nicht meinem Verständnis, wie mit Gästen umgegangen werden sollte." Der Rauch brennt in meinen Augen.

"Meinem Verständnis entspricht das auch nicht." Ich muss husten. "Vielleicht lässt sich die Sache anders lösen, Sir."

Reyes seufzt. "Ich fürchte nicht. Bitte entschuldige die Umstände, die mich dazu zwingen."

Ich werfe mich von einer Seite zur anderen. Ich gehöre hier nicht hin! Ich habe nichts mit dem Syndikat zu tun! Ich will noch nicht sterben! Warum zur Hölle ausgerechnet ich?! Meine Verzweiflung produziert einen geisteskranken Schrei und Reyes steht wieder auf.

"Kein Grund, hysterisch zu werden." Hinter ihm taucht plötzlich ein blasser Typ mit Knarre am Gürtel auf.

"Was'n hier los?" Reyes klopft ihm auf die Schulter, nimmt ihm die Waffe ab und reicht ihm als Austausch die angefangene Zigarette.

"Du kommst gerade rechtzeitig, Paco. Du kennst doch alle Tagespläne meiner Mitarbeiter. Sag mir doch mal, zu welcher Aufgabe Gil eingeteilt wurde, denn Herumlungern im Keller war es ganz sicher nicht." Der Blasse sieht grimmig zu mir, dann zu Tattoogesicht.

"Recherche.", grummelt er. "Gil wurde zugeteilt zu Recherchearbeit für das Entschlüsselungsteam." Ich werde hellhörig. Entschlüsselung?

Reyes zuckt mit den Schultern und lädt die Waffe. "Tja, er hätte sich entspannt mit Duartes Briefen beschäftigen dürfen. Stattdessen wird er nun diesen wunderschönen Nachmittag mit der Beseitigung einer Leiche verbringen."

Reyes hebt die Waffe und richtet sie auf mich. Mein Herzschlag spielt verrückt, kalter Schweiß läuft über meine Stirn bis zu meinen Lidern und meine Gedanken bahnen sich zitternd einen Weg über meine Lippen, noch bevor ich sie mir gut zurechtlegen kann: "Ein durchgestrichener Halbmond."

Reyes' Mundwinkel zucken, er senkt die Waffe und kommt einen Schritt auf mich zu. Jetzt wo er es nicht mehr tut, ist es wohl mein krankhafter Puls, der mich gleich umbringen wird.

"Was hast du da gerade gesagt?" Seine Stimme ist bedrohlich. Ich hole tief Luft und sehe ihm in die Augen. Nichts zu verlieren. Außer mein Leben.

"Ich sagte ..." Nochmal tief Luft holen, bevor ich fast in Ohnmacht falle. "... Ein durchgestrichener Halbmond." Ich halte seinem Blick stand und drücke meinen Rücken durch. "Das Zeichen am Anfang jedes verschlüsselten Briefes, den Duarte je bekommen hat. Ich weiß, was es bedeutet."

Reyes' regungslose Fassade beginnt sich zu verändern. Ein Lächeln spielt um seine Lippen.

"Dann verrat's mir."

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