1 - Wespen

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Das Wespennest. Drei Etagen vollgestopft mit den reichsten Menschen der Stadt, Unmengen an Champagner und unaufdringlichen Jazzklängen im Hintergrund. Warmes Licht durchflutet den Saal und versucht, die Zwielichtigkeit der anwesenden Wespen zu kaschieren. Erfolglos. Ein Blick in ihre Augen reicht, um zu sehen, dass sie alles Nötige getan haben, um dazuzugehören. Sie nippen an ihren Gläsern mit dieser beneidenswerten inneren Ruhe, laufen an den Gemälden alter Meister vorbei ohne diese auch nur eines Blickes zu würdigen, lassen sich auf das teure italienische Leder sinken und lachen mit kalten Gesichtszügen. Mittendrin steht er. Duarte, der Gastgeber des heutigen Abends. Besitzer des Hotels, das dieses schöne warme Licht fabriziert und heute sein hundertjähriges Jubiläum feiert. Familienunternehmen. Altes Geld.

Er steht inmitten von Geschäftsmännern in Designeranzügen, eleganten Damen in Abendroben, Politikern mit Zahnpastalächeln, alten Freunden und alten Feinden. Ich weiß, dass nicht wenige der Anwesenden ihn gerne tot sehen würden. Ich bilde da keine Ausnahme. Er agiert in einem Kreis mächtiger Menschen, die eben manchmal ihre Skrupellosigkeit unter Beweis stellen müssen. Da wiederum bilde ich eine Ausnahme. Ich bin lediglich eine Beobachterin.

Gerade beobachte ich zwei breitschultrige Männer mit Buzz Cut und Zigaretten in den Mundwinkeln, die sich in Richtung Terrasse bewegen. Ich bin nicht die einzige, die erkennt, zu wem sie gehören. Viel bezeichnender als die Knasttattoos auf ihren Handgelenken ist die Art, wie die anderen Gäste ihnen ausweichen, beinahe unbewusst. Ihrer Sippe gehört quasi die halbe Stadt. Illegaler Handel mit Waffen und Pillen, ein Zusammenschluss aus Verbrechern, getarnt als geschäftliches Unternehmen. Das Syndikat.

Niemanden wundert es, dass sie auch hier sind. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Duarte schon seit Jahren in enger Verbindung mit dem Syndikat steht.

Die beiden Männer sind nun außer Sichtweite und ich lasse meinen Blick wieder durch den Saal schweifen, bis er an Duarte hängen bleibt. Gerade schüttelt er einem älteren Mann im weißen Anzug die Hand und ich lehne mich ein wenig nach links, um ganz sicher zu sein, dass mich meine Wahrnehmung gerade nicht getäuscht hat. Tatsächlich. Anscheinend Duartes neueste Bekanntschaft, gefährlich wie kaum ein anderer. Beinahe muss ich grinsen. Franco. Das Oberhaupt einer berüchtigten Verbrecherbande und mittlerweile die größte Konkurrenz des Syndikats. Die Art von Rivalität, bei der Leute draufgehen, wenn eine einfache Begrüßung als Bedrohung missverstanden wird.

Also ist doch was dran an den Gerüchten. Duarte steht in Verbindung zum Syndikat und zu Franco, was nur bedeuten kann, dass er wohl der Vollidiot ist, für den ihn viele halten. Er versucht, auf zwei Seiten gleichzeitig zu spielen. Wenn das mal nicht tödlich für ihn ausgeht ...

Seit kantiges Gesicht zeigt jedenfalls kein Anzeichen der Sorge. Er lässt Francos Arm los und lächelt kalt. Und dann sieht er zu mir. Shit. Gerade noch rechtzeitig schluck ich den Gähner herunter, der mir schon seit ein paar Sekunden im Hals saß und drück das Kreuz durch. Duarte bedeutet mir mit einer Handbewegung, zu ihm zu kommen und ich bahne mir einen Weg durch die Masse von Wespen.

"Bringen Sie sie das nächste Mal mit, es wäre mir eine Ehre.", höre ich Duarte zu Franco sagen, während ich mich vor den beiden positioniere.

"Eine lohnenswerte Konversation lässt sie sich ebenso ungern entgehen wie ich. Aber in Sälen wie diesen weiß man immer erst am Ende des Abends, ob etwas Lohnenswertes dabei war.", meint Franco und schmunzelt.

"Champagner?", fragt Duarte und reicht seinem suspekten Gesprächspartner ein Glas nachdem er sein leeres zurückgestellt hat. Während der Gastgeber weiter mit dem Mafioso flirtet, haue ich wieder ab, balanciere das Tablett mit Gläsern vor mir her und bin heilfroh, dass mich beide nicht weiter beachtet haben.

Während ich den Saal durchquere, spüre ich ein kurzes Vibrieren in meiner Rocktasche und gehe noch ein wenig zügiger, als ich realisiere, was das Signal zu bedeuten hat. In der Küche lass ich die leeren Gläser stehen und ignoriere das servierfertige volle Tablett, das mir vorwurfsvoll hinterhersieht, als ich in der Toilette fürs Personal verschwinde. Die Tür fällt ins Schloss und ich seufze erleichtert auf.

Endlich allein.

Vorfreudig stürze ich mich auf mein Handy und grinse spitzbübisch, als ich die neue Nachricht von Kim sehe. Eine Update in Punkto Decodierung. Es geht nicht um irgendeine Entschlüsselung. Es geht um keinen Geringeren als Duarte, der schon seit einiger Zeit Briefe zugeschickt bekommt, die in einer seltsamen Geheimschrift verfasst sind.

Ich habe mich gerade aufs Fensterbrett geschwungen, als die Tür aufgerissen wird und mein Herz einen Satz macht.

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Immer her mit Meinungen, Vermutungen, Feedback und Votes!! Und immer schön gespannt bleiben ;)

Deadly People  ✓Where stories live. Discover now