BAFTA

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Ava

Yves hatte recht, ich musste raus aus meinem Tief, dabei war es nicht mal ein richtiges Tief. Ich fühlte mich zwar schlecht wegen Richard, aber ich vermisste ihn nicht wie ich es annahm, vielleicht hatten die anderen recht was ihn anging. Wir machten uns etwas vor und das schon die gesamte Zeit, ob er mir etwas vormachte, wusste ich nicht, aber bei mir schien es immer mehr danach auszusehen. Ich war gerade auf dem Weg zu Yves um Curie bei ihr ein paar Tage abzugeben, da die BAFTAs stattfanden und sie nicht alleine zu Hause sein sollte. Wie sarkastisch, dass es eine britische Auszeichnung war, gerade wo ich mein britisches Anhängsel beseitigt hatte. Noch immer wurde mir nicht richtig klar, dass ich ebenfalls nominiert war für meine Rolle als Marie Curie. Der Film bekam fabelhafte Kritiken und aus einigen Quellen erfuhr ich sogar, dass die Rede von Oscar Nominierung für den Film sei. Vielleicht würde es durch den Abend etwas realer werden. Das erste Mal seit Wochen trug ich keine Sonnenbrille auf der Straße, was direkt auffiel. „Ava, wie geht es dir?" Auflauernde Paparazzi waren aus der Ferne auf mich aufmerksam geworden und waren dabei auf mich zuzustürmen. Mein Schritt beschleunigte sich zwar, doch ich würde nicht davor weglaufen. „Wie geht es Richard? Stimmen die Gerüchte?" Ich war nur selten mit Richard unterwegs, schon gar nicht zu Yves. „Ich möchte mich dazu nicht äußern." Ich versuchte möglichst selbstsicher und kühl zu wirken, die Bilder sollten gut werden und zeigen, dass es mir gut ging. PR kann nicht schaden, auch wenn es negativ für mich ist. Richard kann sie auch gebrauchen, jetzt wo bald die neue Staffel GoT herauskommt, ich tat ihn damit nur einen Gefallen. Später würde man lesen können, dass die einzige Spur einer Trennung die Abwesenheit Richards ist und mein gekürztes Haar. Recht hatten sie, ich war wirklich ein Klischee was das anging.

„Und es ist wirklich okay, dass ihr sie mitnehmt?" Yves streichelte gerade Curie, die ihr über die Hand leckte. „Klar, ihr wird das Wochenende auf dem Land auch gefallen, nicht nur die laute Stadt, sondern Kilometer weit nichts außer Felder und Wiesen." Ihr Koffer stand schon in der Eingangstür, sie und Sebastian würden ihr erstes gemeinsames Wochenende außerhalb verbringen, was mich wirklich freute für die beiden. „Ich möchte ein Bild von euch dreien." „Es wird sicher nicht bei einem bleiben. Was machst du dieses Wochenende?" „Ich werde es schon gefüllt bekommen. Texte lernen und so." Yves verdrehte die Augen und legte Curies Leine auf den Korb mit den Utensilien für sie. „Hab doch etwas Spaß, triff dich mit ein paar Freuden, geht feiern oder etwas essen, aber mach nicht wieder ein tristes Wochenende daraus." „Zu den meisten habe ich den Kontakt verloren, oder sie wollen mich ausnutzen. Und all die anderen, die ich kenne, haben keine Zeit für mich, also wird es wohl oder übel auf Skripte lesen hinauslaufen." „Dann such dir jemanden, die BAFTA ist perfekt dafür." fügte sie mit einem Zwinkern hinzu. „Wie stellst du dir das vor? Hallo, ich bin Ava, hast du Lust das Wochenende mit mir zu verbringen, ich bin einsam." „An manchen Tagen würde ich dich am liebsten schlagen für deine Negativität." „Yvey, du weißt, dass ich das niemals machen könnte."

Es war das erste Mal, dass ich komplett ohne Begleitung auf den Teppich kam, ein weiterer Auftritt, doch es würde das erste Mal sein, dass mir niemand sagen würde, was ich machen sollte und was nicht. „Mrs. Williams, Sie werden einige Interviews geben, da sie nominiert sind. Ich habe angeordnet, dass keine Fragen bezüglich ihrer derzeitigen privaten Lage gestellt werden dürfen." Ich lächelte Irina an, sie war meine neue Assistentin. Nach den Dreharbeiten zu meinem ersten Solo Film konnte ich die Arbeit nicht mehr bewältigen, deswegen war sie jetzt an meiner Seite und regelte den Großteil für mich. Wenn solche Berühmtheit etwas Gutes hatte, dann dass man ein Aushängeschild wurde, dabei auch noch wundervolle Kleider tragen durfte, wie ich es gerade tat. Meine Einstellung des Abends war es, die Diva zugeben, in diesem Kleid war das keine schwere Aufgabe. Der schwarze Stoff schmiegt mich in ein elegantes Schwarz mit einem rückenfreien Ausschnitt. Der Schein der Lichter und Kameras, die auf mir lagen, fühlte sich wie eine zweite Heimat an. Ich strahlte all meine Probleme aus den letzten Wochen davon. Obwohl ich alleine war, fühlte ich mich nicht so. Menschen, die ich nur aus dem Fernsehen kannte, kamen auf mich zu und unterhielten sich mit mir als würden wir uns schon Ewigkeiten kennen. Ich machte Bekanntschaft mit Emma Stone, Daniel Redcliff, Chris Pratt und RDJ. Der Letzte kam sogar auf mich zu und nahm mich direkt in seinen Arm, total überrumpelt stand ich da und konnte mich nicht bewegen. Ironman hatte mich umarmt, wenn ich wieder in New York war, musste ich Yves davon erzählen. „Mr. Downey, ich freue mich außerordentlich, Sie kennenlernen zu dürfen." „Ich bin Rob, wir sind schließlich Familie." Ich muss ihn fassungslos angesehen haben, denn er kniff mir in die Wange und sagte wie zu einem kleinen Hund. „Es ist jedes Mal wieder süß, unsere Frischling so betäubt zu sehen. Das geht vorbei Süße, spätestens wenn du siehst, dass wir auch nur Menschen sind." Perplex hörte ich auf zu Träumen und wurde rot bei seinen Worten. „Wir werden uns demnächst öfters sehen, habe ich gehört." „Ja, ich bin ebenfalls am Set für den neuen Marvel Film." Er schielte unter seiner orangen Brille hervor und schien sich mein Gesicht einzuprägen. „Wir müssen unbedingt mal zusammen zu Mittag essen. Ich hoffe, du hast keine Allergien." „Nein, ich bin ziemlich unkompliziert." Es musste ja jemand von meinen Abneigungen wissen, schon gar nicht, wenn man von RDJ zum Mittag eingeladen wird. „Ich drücke dir die Daumen." Er zwinkerte mir zu und fuhr mir väterlich über meine Arme. „Und nicht vergessen, am Set bin ich Ironman.", um dies ein für alle Male klarzustellen, führte er seine Signatur Pose vor mir aus, bevor er sich lässig wegdrehte und weiter ging. Quietschend schlug ich mir die Hand vor den Mund, die Freude steckte mir in der Kehle und ich musste einen freudigen Aufschrei zurückhalten. „Wenn Sie mir folgen wollen", sprach mich eine Stimme von der Seite an. Überwältigt von den Eindrücken des Abends, ließ ich mich zu meinem vorgesehenen Platz führen. Ich saß in einem Saal randvoll mit Persönlichkeiten meiner Kindheit, Jugend und Zukunft. Fasziniert von der Atmosphäre und Aufmachung, schaute ich mich neugierig im Saal um. So viele wunderschöne Menschen, Reden und Auftritte, die abgehalten worden. In diesem Moment fiel mir auf, dass ich nicht mal ein paar Worte zurechtgelegt hatte für den unwahrscheinlichen Fall den Award mit nach Hause zu nehmen. Als die Kategorie Best Hauptdarstellerin an der Reihe war, wurde mir klar, welches Ausmaß der Film hatte. „Wir kommen nun zur Kategorie »Best leading Actress« welche von zwei Sternen im Superhelden Himmel verkündet werden, wenn jetzt bitte die Superschurken für einen Moment ihren Blick abwenden, um deren Identität zu wahren." Gelächter war aus den Reihen des Publikums wahrzunehmen, auch von mir, denn ich wusste ja nicht, was mich erwartete. „Begrüßen Sie mit mir, Captain America und Superman alias Chris Evans und Henry Cavill." Die Überraschung stand mir nicht nur ins Gesicht geschrieben, ich war auch kaum in der Lage zu klatschen. Die beiden traten so souverän auf der Bühne auf, dass ich noch zehn Reihen hinter mir die Frauenherzen schmelzen hörte. Chris trat mit einem Gentleman-Lächeln an das Mikro heran und sprach „Die fünf Schauspielerinnen in dieser Kategorie überzeugten mit Mut, Facettenreichtum und leidenschaftlicher Hingabe für ihre Rolle." Warum stand ausgerechnet er da vorne, es gab Tausende von Personen, die es hätten präsentieren können, aber nein, ich hatte das Glück jedes Mal wieder an ihn zu geraten. „Stark, intelligent, entschlossen, passioniert und manchmal etwas angsteinflößend. Diese Frauen zeigten uns die unterschiedlichsten Gesichter der Menschlichkeit.", schloss Henry Cavill an. „Lassen Sie uns einen Blick auf die Nominierungen werfen." Ich wurde mit Avan Moore, Rosamund Pike, Amy Adams und Felicity Jones in einem Atemzug erwähnt. So viele herausragende Persönlichkeiten und ich mitten drin, für die meisten unbekannt und unscheinbar. Es war atemberaubend in die Reihe aufgenommen zu werden, der Applaus als mein Name mit einem Clip aus »Das Leben der Marie Curie« eingeblendet wurde, zu erhalten war unreal für mich. Als die Szenen vorbei waren, öffnete Henry den Umschlag und Chris sprach. Vor Nervosität blieb mir der Atem weg, mit verschränkten Fingern, starrte ich wie gebannt auf den Umschlag, den Henry in den Händen hielt. „Und der BAFTA geht am.", er stockte einen Moment, bevor er „Ava Williams." Ins Mikrofon rief. Wie in Trance klatschte ich, bis ich von der Seite angestoßen wurde. „Ava, wo bist du." Ich hatte gar nicht realisierst, dass ich gemeint war, erst als ich auf der Leinwand zu sehen war. Wie in Zeitlupe erhob ich mich und ging auf die Bühne zu. Erst jetzt erreichte die Botschaft meinen Körper, worauf er vor Aufregung zitterte. Der Applaus sauste in meinen Ohren und ich drehte mich lächelnd zur Menge um. Gerade noch war ich ein kleiner Stern in der Menge und jetzt hatte ich einen wirklichen Namen. Henry gratulierte mir zu dem Award, bevor ich vor Chris stand, der ihn in der Hand hielt und mich skeptisch beäugte. Er verpackte die Übergabe in eine peinliche halbe Umarmung. „Gratulation golden Girl." So hatte mich bis jetzt noch niemand genannt, erst recht nicht Chris. Feierlich überreichte er mir den Award, bevor sie mich alleine am Pult ließen. Ich konnte nur strahlen und um Luft ringen. „Ich danke euch allen vom ganzen Herzen, ich kann es noch gar nicht fassen, eigentlich wollte ich es gar nicht wahrhaben, deswegen stehe ich jetzt auch hier oben und weiß nicht, was ich sagen soll." Ein Lachen zog sich durch die Reihen, ich hielt ihn fest in der Hand so sehr, dass er sich in meine Haut drückte. „Ich kann gar nicht begreifen, dass ich die Chance hatte neben so unglaublichen Frauen nominiert zu sein, ihr seid alle wundervoll." Ich bekam einen Kuss von Felicity Jones zugeworfen, den ich aus der Luft fing. Das Publikum war amüsiert von so viel Gönnertum, was mir einen Moment gab, um mir ein paar Worte zurechtzulegen. „Diese Auszeichnung gilt nicht mir alleine, sie ist auch der einzigartigen Persönlichkeit der wahren Marie Curie zuzuschreiben. Meiner Familie und Freunden, die mich auf diesen Weg unterstützt haben, möchte ich von tiefsten Herzen danken. Doch der größte Dank geht an Francis, der den Film einmalig machte, er setzte mich so gut in Szene, dass man nicht mal meine Makel sah, Richard, mein bezaubernder Drehpartner, Linda, George, Katrin und allen andere, die so enorm wichtig waren und noch immer sind. Ich danke allen, die mir geholfen haben, um überhaupt hier stehen zu können." Ich schritt ein Stück zurück, bevor ich den Mut fand, Chris von der Seite anzusehen, der mir einen liebevollen Blick zuwarf. Tosender Applaus flutete mein Herz, das war einer der Momente, für die ich leben wollte.

Time goes by and still I am stuck on youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt