Veränderungen

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Yves

Anfangs versuchte ich das Klingeln zu überhören, aber als die Person einfach nicht aufhören wollte, stapfte ich wutentbrannt zur Haustür. Mit nur einem Wimpernschlag verwandelte sich die Wut in Besorgnis. Ich staunte nicht schlecht als Ava und die bedröppelte Curie vor meiner Haustür standen. Draußen schien es zu regnen, denn beide waren sie durchweicht bis auf die Haut. Tropfend standen sie im Eingangsbereich, als Ava mir lautstark eröffnete: „Es regnet draußen, aber ich habe uns was mitgebracht.", ungeschickt zog sie eine halb leere Flasche Rotwein hinter ihrem Rücken hervor. „Du verträgst doch gar keinen Rotwein." „Ups, hab ich wohl vergessen." Sie kicherte und sah auf das Etikett. „Richard hatte den besorgt, der musste weg." Ich ging in mein Gästezimmer und holte ein paar Klamotten und Decken für die beiden. „Zieh dich erst mal um und dann erzähl mir, was passiert ist. Niemand steht nachts um 3 Uhr grundlos vor der Tür, außer du wolltest nur Hallo sagen." Aus dem Wohnzimmer hörte ich sie laut rufen. „HALLO YVES." Sie war total betrunken, auch Curie schien das bemerkt zu haben, denn sie schaute ihr Frauchen mit einem verachtenden Blick an. Leise schloss ich die Tür zu meinem Schlafzimmer, eilte in die Küche, um einen Krug Wasser zu füllen und stellte ihn vor Ava ab. „Sei still, du weckst noch meine Nachbarn." „Du hast nicht mal Nachbarn, das ist deine Etage." Wo sie recht hatte, ich setzte mich auf den Boden und rubbelte Curie trocken. „Leg los, jetzt kann ich eh nicht mehr schlafen." Ein leerer Blick traf die Flasche auf dem Tisch, als sie leise sprach. „Ich habe mich von Richard getrennt." „Du hast was?", brach es aus mir heraus. „Von Richard, meinen Freund, getrennt." „Das habe ich schon verstanden, aber warum?" Sie fiel matt auf das Sofa zurück und ließ dabei einen Arm von der Couch baumeln. „Ich weiß nicht." „Du kannst mir nicht erzählen, dass es keinen Grund gab." „Ich bin der Grund, Richard ist so Herzens gut, ich habe ihn nicht verdient. Stell dir vor, er wollte mit mir zusammenziehen. Und ich habe abgelehnt, ich kann das nicht. Ich kann meine Karriere nicht an den Nagel hängen für eine Beziehung", sprudelte es aus ihr. „Oh wow, das hattest du mir gar nicht erzählt." „Weil die Thematik für mich nicht mehr relevant war, jedenfalls nicht bis... Was, wenn es falsch von mir war?" Ich setzte mich an das Ende der Couch und nahm ihren Kopf in den Schoß. „Wie fühlt es sich an?" Sie schloss ihre geröteten Augen und sagte leise. „Ungewohnt, aber gut." Ihre Haare wellten sich unter der Nässe. „Siehst du. Ihr habt euch damit beiden nur einen Gefallen getan, auch wenn es jetzt noch nicht danach aussieht. Warte nur ab und du wirst dich noch besser damit fühlen." „Yves?" „Ja?" Sie atmete schwer aus. „Hast du den Film von Chris gesehen?" „Klar, er war wirklich gut, auch wenn er so ein Idiot ist." „Ja, war er wirklich, besonders das Ende, so hätte es laufen sollen." „Was hätte so laufen sollen?" „Wer hat so herumgebrüllt?" Avas Kopf schnellte nach oben und sie sah benommen über die Lehne. „Sebastian?" „Ava?" Beide sahen sich entgeistert an, bis Ava mich ansah. „Überraschung." Sang ich durch zusammen gebissene Zähne. „Ihr beide? Wie jetzt? Seit wann? Warum weiß ich nichts davon?" „Ich war in der Gegend und brauchte einen Platz zum Schlafen." Was für eine dumme Ausrede von ihm, sie war nicht dumm, sondern nur angetrunken. „Ja genau und da bist du in Yves Bett gefallen", herausfordernd zog sie ihre Brauen nach oben. „Seit ungefähr drei Wochen." „Wir wollten es für uns behalten, damit niemand darauf herumtrampeln kann. Außerdem hat Yves auch erst vor kurzen die Sache mit Tom beendet." Seb setzte sich geschlagen neben mich und tätschelte Ava die Schulter. „Und ihr habt nichts gesagt..." Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich an. „Wir wollten es demnächst machen." Sie sah uns beide an, grinste in die Runde und nahm uns in den Arm. „Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich mich für euch beide freue. Endlich kann ich meine Schilder herausholen und verteilen." „Vielleicht wartest du damit noch etwas." Sie freute sich wirklich, obwohl sie gerade das Gegenteil von dem durchmachte, was ich und Seb gefunden hatten. „Was wolltest du vorhin sagen?" Sie sah mich strahlend an und klopfte mir auf meinen Oberschenkel. „Nichts." Das war gelogen, doch sie würde es mir jetzt nicht mehr erzählen. „Ich werde mich ins Gästezimmer verziehen, wenn es recht ist." „Klar, ruhe dich aus." Sie drückte uns beide, bevor sie losging und Curie hinter sich her pfiff. Kurz bevor sie verschwand, drehte sie sich um und sagte. „Macht bitte nicht so laut, ich kann euch beide hören." Und zwinkerte uns zu.

Als sie gegangen war, lehnte ich mich zurück, aufgewühlt von so vielen Neuigkeiten. „Sie hat es sehr gut verkraftet." „Was hättest du anderes von ihr erwartet? Sie war diejenige, die uns zusammen geführt hat." Seb rutschte an mich ran und nahm mich in den Arm. „Dafür sollten wir ihr dankbar sein, sonst hätte ich dich jetzt nicht." Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und ich legte meine Beine über seine. „Ja sollten wir." „Warum steht sie überhaupt mitten in der Nacht vor deiner Tür?" „Sie hat sich von Richard getrennt." „Was wieso?", genauso musste ich auch geschaut haben, wie er mich jetzt anschaute. „Sie hat davon gesprochen, dass er zu gut für sie sei. Er wollte sogar mit ihr zusammenziehen, kannst du dir das vorstellen." „Wow, da meinte es aber jemand ernst." „Ja, aber sie schien sich eingeengt zu fühlen. Was mich jedoch noch mehr beunruhigt ist, dass sie von Chris gesprochen hat." „Evans?" „Wer den sonst?" „Ich gebe, den beiden noch ein Jahr, bis sie sich komplett zerstört haben." „Aber Chris ist doch glücklich mit Alice." „Bis jetzt schon, aber es wird nicht lange dauern, bis die Nachricht sich herumspricht und bei ihm ankommt. Wir sind alle sehr gute Schauspieler Liebling, das hat Ava gerade bewiesen." „Ihr seid alle verrückt." „Und du nicht?" Ich gab ihn einen flüchtigen Kuss und sprach dann. „Ich bin oscarverdächtig."

Ava

Die kommenden Wochen wurden eine Prozedur, ich traute mich nur mit Begleitung und Sonnenbrille vor die Tür. So viele waren scharf darauf, mich leiden zu sehen, deswegen blieb ich die meiste Zeit im Schutz meiner Wohnung oder bei Yves und lernte Texte für den kommenden Film. „Du musst auch mal wieder das Oberteil wechseln." Yves kam gerade mit einigen Tüten zur Tür herein, als ich auf ihrem Sofa saß und Eis aß. „Ich habe es erst seit 4 Tagen an, das ist noch sauber." „Es ist nicht automatisch sauber, nur weil du es verkehrt herumträgst." „Ich wechsle es nachher." „Du solltest mal wieder herausgehen, Freunde treffen und dein Leben wieder genießen." „Das tue ich doch." „Du lernst seit Tagen unentwegt das Skript auswendig und nicht nur deine Rolle, sondern alle." „Ich knie mich eben voll rein." Ich wusste, dass ich nicht länger so weiter machen konnte. In ein paar Tagen war die BAFTA Verleihung, zu der ich eingeladen wurde. Was auch daran lag, dass ich das erste Mal nominiert war für eine Auszeichnung, nur freuen konnte ich mich nicht wirklich darauf. „Du solltest mal einen Beauty Day machen, damit du ihnen zeigst, dass du die Sache gut verkraftet hast." „Ich habe ein Spitzenteam, welches mich auf Vordermann bringt." „So viel Concealer gibt es gar nicht, wie du derzeit brauchen würdest." Sie hatte mich gerade hässlich genannt, das war nicht die Hilfe, die ich von ihr erwartete hatte. Bockig verließ ich das Sofa und steuerte auf das Bad zu. Der Spiegel würde mir zeigen, wie gut ich aussah oder auch nicht. Meine Augen waren dunkel unterlaufen und mein Haar ungekämmt. Puh, da schien mehr Arbeit zu sein, als ich mir in den letzten Wochen eingestehen wollte. Zuerst bürstete ich mein ellbogenlanges Haar durch. Spaß war was anderes, ständig blieb die Bürste in Knoten hängen und auch der Glanz war verloren gegangen. Ich schüttelte meine braune Mähne ein paar Mal hin und her, als ich kurzentschlossen zur Schere griff. Unschlüssig nahm ich eine Strähne in die Hand und schnitt in Brusthöhe ab. Je länger ich das tat, umso leichter fühlte sich mein Kopf an. Mit meinen Haaren verließ mich auch jeder negative Gedanke. Alles, was mir in den letzten Wochen schwerfiel, glitt federleicht zu Boden. Vor mir stand eine neue Ava, ich entsprach dem Klischee der typischen Trennung. Doch ich fühlte mich wohl und verließ selbstsicher das Bad. „O Gott, was hast du gemacht? Du solltest eine Maske machen oder ein Bad nehmen, aber doch nicht die Schere!" Yves schlug die Hände vor ihren Mund und sah mich entsetzt an. „Ich habe die überflüssigen Zentimeter gekürzt." „Weißt du eigentlich, wie viel das ist? Das meinte ich nicht mit Beauty Day.", sie deutete mit ihrem Finder die Länge, an, die mir nun an den Spitzen fehlte. „Mir gefällt es." Sie fuhr mir durch die Haare und schüttete entsetzt den Kopf. „Du bist verrückt." „Ich weiß. Deswegen musste ich es tun, für mich."



Time goes by and still I am stuck on youOnde histórias criam vida. Descubra agora