𝐓𝐡𝐞 𝐛𝐞𝐠𝐢𝐧𝐧𝐢𝐧𝐠 𝐨𝐟 𝐚 𝐧𝐞𝐰 𝐬𝐭𝐨𝐫𝐲

~𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟐~

MIRA

Unsanft weckte mich mein alarmbetörender Wecker aus meinem Schlaf. Jeden Morgen kommt in mir die Frage auf, wieso ich den Klingelton nicht ändere. Doch mein Gehirn redete mir ein, dass alle anderen Klingeltöne mich nicht wecken würden. Verschlafen schreckte ich auf und sah mich um. Nach mehrmaligem Blinzeln kam ich wieder in der Realität an und fuhr einmal über mein Gesicht.

Ein Blick auf mein Handy Bildschirm genügte, um wieder stöhnend in mein Kissen zu sinken. Wir hatten 8:30 Uhr und ich musste um 9:00 Uhr in der Schule sein. Heute war mein erster Schultag an meiner neuen Schule, weshalb ich etwas später in die Schule musste als sonst. Obwohl ich normalerweise nervös oder aufgeregt wäre, war ich es nicht. Mariam war in meiner Klasse, was mir half, mich zu beruhigen.

Als sie vor einer Woche mit ihrer Familie nach Frankfurt umgezogen ist, dachte ich wirklich, dass ich keinen Lebenssinn mehr finden würde. Das klingt jetzt übertrieben, da ich immer noch meine Familie hatte, aber niemand verstand mich so gut wie sie. Mariam war meine Seelenverwandte, das hatte ich schon lange entschieden. Ich musste nichts sagen und sie verstand, was ich meinte. Ich musste keinen Mucks von mir geben und sie wusste, wie ich mich fühlte. Sie war die Einzige, die aus meinen Augen herauslesen konnte, wie es mir ging.

Ich dachte, dass es jetzt komplett vorbei wäre mit unseren Zukunftsplänen... Wir wollten beide gemeinsam Medizin studieren, obwohl sie in eine andere Richtung gehen wollte als ich, wollten wir dennoch zusammenhalten. Ich wollte dabei sein, wenn sie ihre große Liebe trifft und ihn heiratet, wenn sie Kinder bekommt und in ein eigenes Haus zieht. Ich hatte große Angst, dass all das zerplatzen würde, aber in letzter Sekunde kam meine Rettung. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie dankbar ich Mariams Eltern war, dass sie sich auch um meine Familie gekümmert haben. Allerdings war ich der Familie Díaz noch dankbarer, dass sie uns ein neues und besseres Leben ermöglicht haben.

Persönlich kannte ich Tiago nur von Erzählungen. Er war der Grund, warum Mariam noch am Leben war. Das mag übertrieben klingen, aber es war so. Sie hat eine sehr schwere Vergangenheit hinter sich, aus der Tiago ihr geholfen hat herauszukommen. Zwar war es für Tiago vielleicht verständlich, die Familie seines besten Freundes zu schützen, aber Mariam sah das anders. Das Wort Dankbarkeit reichte nicht aus, um auszudrücken, was sie für ihn empfand. Tiago Díaz, Mariams Held, hat sie aus dem Kriegsleben gerettet und ihr Sicherheit sowie ein neues Leben ermöglicht. Er hat mich vor einem Absturz bewahrt, weshalb ich stolz sagen kann, dass ich jetzt hier bei meiner besten Freundin bin.

Meine Tür, die aufgeschlagen wurde, holte mich wieder aus meinen vertieften Gedanken. "Mira, beweg deinen Hintern aus dem Bett", brummte Youssef genervt, ehe er die Augen verdrehte, als ich die Decke aus reiner Provokation wieder über mich zog. Ein weiteres böses Knurren nahm ich wahr, ehe mir plötzlich die Decke weggerissen wurde und ich auf einer breiten Schulter lag. Hat dieser kleine Hund mich tatsächlich über seine Schulter geworfen?!

Doch.

Meine innere Stimme schien das zu amüsieren, aber mich regte es abnormal auf, da er somit gewonnen hatte und seinen Willen durchsetzen konnte. Hämmernd schlug ich ihm auf seinen harten Rücken und zappelte wild mit meinen Beinen, damit er mich wieder runterließ. "Lass mich los!", fauchte ich giftig, doch es brachte nichts. Gelassen, als würde ich ihm nicht gerade seinen Rücken brechen, brachte er mich in die Küche.

"Wo sind Mama und Baba?", fragte ich meinen älteren Bruder, nachdem er mich auf einen der Stühle niedergelassen hatte. "Auf der Arbeit.", meinte er schlicht und setzte sich ebenfalls auf einen der Stühle. Stirnrunzelnd musterte ich ihn und fragte mich, ob er mich verarschen wollte. "Hat Mama kein Frühstück gemacht?", fragte ich verwirrt und sah mich um. Es stand nicht einmal eine Schüssel Obst auf dem Esstisch, so wie sonst immer. Aber ich kann es ihr nicht verübeln. Wir sind erst gestern hierhergezogen...