Achtzehn

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Tag: 1431; Stunde: 6

„Wie geht es dir? Wirklich?" Harry fragt es in einem Ton, der sie wissen lässt, dass er sie zu gut kennt und sie gar nicht erst versuchen muss ihn anzulügen.

Es ist spät, vielleicht zu spät, und Ron hatte sich vor nicht einmal zehn Minuten in sein Schlafzimmer zurückgezogen. Er hatte sich lautstark darüber beschwert, dass es keine Vorhänge gab, die die Morgensonne abhielten, und dass die Schlafzimmertür kein Schloss hatte. Hermine fragte sich, in was für einer Art von Unterkünften die beiden zu leben pflegten, und als ein bitterer Groll in ihr hochkam, wurde er von der Erinnerung daran, wie gut die Nacht verlaufen war, weggerissen. Es war alles Nostalgie, gefolgt von Geschichten darüber, was sie verpasst hatten, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, und sie alle waren sehr gut darin, so zu tun, als ob es ihnen nichts ausmachte, dass sie nicht dabei gewesen waren.

Hermine hatte eine Explosion der Wärme in ihrem Inneren gespürt, als sie zum ersten Mal Harrys Stimme hinter sich gehört hatte, und seitdem war sie nur noch gewachsen und hatte sich wie ein Feuer in ihr ausgebreitet. Sie hatte sich so sehr an den Versuch gewöhnt, zu vergessen, dass sie gar nicht wusste, wie sehr sie die beiden vermisst hatte, bis sie wieder Rons errötendes Gesicht und Harrys verlegenes Grinsen sehen konnte. Plötzlich vermisste sie sie so sehr, wie sie sie noch nie zuvor vermisst hatte, so sehr, dass es sogar wehtat und dass, obwohl sie vor ihr standen. Sie konnte sie jetzt berühren, sehen, hören, riechen; eine Sinnesexplosion ihrer Freundschaft, und sie fühlte sich, als wollte sie weinen, lachen, schreien und sich hüpfend im Kreis drehen, bis man sich zu ihr setzte und sie gründlich untersuchte.

„Ich meine wie soll es einem schon gehen? Wie geht es allen anderen?" Sie zuckt mit den Schultern, weil sie weiß, dass es am besten ist, dieses Gespräch zu vermeiden, weil es nur zu schlechtem Gesprächsstoff führt.

Zum Beispiel zu der Frage: Warum hast du mich zurückgelassen, oder, vielleicht noch wichtiger: Wie konntest du mich zurück lassen, denn sie glaubt nicht, dass sie es jemals geschafft hätte ihre beiden Freunde zurück zu lassen. Beinahe will sie diese dunklen, ekligen Fragen stellen, die nicht für diese Zeit in ihrem Leben gedacht sind – was bin ich für dich, und warum Ron und nicht sie, und was könnte ich noch tun, um eine bessere Freundin zu sein, und warum war ich nicht gut genug? Warum wolltest du nicht mich an deiner Seite haben? Sie wollte wissen, ob diese Kluft zwischen ihnen, die mit Erinnerungen an die Vergangenheit gefüllt ist, jemals mit etwas mehr gefüllt werden würde, oder ob diese Erinnerungen mit der Zeit und verschiedenen Richtungen verblassen würden und man nur noch diesen dunklen, tiefen, unerbittlichen Abgrund sehen würde, in den sie manchmal hineinschaut, wenn sie allein ist, und den sie in ihrem Bauch spürt. Sie will ihm sagen, dass es sich manchmal so anfühlt, als wäre sie nicht wichtig, und sie will grausam sein und ihm sagen, dass das an ihm liegt, und ein bisschen auch an Ron, weil er sich für Harry entschieden hat und nicht für sie. Sie will zugeben, dass sie sich egoistisch fühlt, und sie weiß nicht mehr, ob das so falsch ist.

Und sie will ihn packen und schütteln und von ihm verlangen, dass er sie mitnimmt. Weil sie das Gerede gehört hat, weil sie spürt, wie die Schatten nachts näher an ihr Bett kriechen, weil sie weiß, was kommt, und trotz ihrer Anwesenheit weiß sie auch, dass sie nicht hier sind, um sie mitzunehmen. Obwohl sie immer zu dritt sein sollten, und sie sich, anders als er oder wer auch immer jetzt für ihn entscheidet, nicht für einen anderen Weg entschieden hat. Er wird etwas sagen wie: Du kämpfst trotzdem für diesen Krieg, und sie wird sagen: Aber nicht mit dir, nicht wirklich. Dann würde er etwas sagen wie: Hermine, bitte, oder das ist nicht wichtig. Und sie würde ihm gerne sagen, dass es sehr wohl wichtig ist, sehr wichtig sogar, denn in all ihren Gedanken und Träumen und Ängsten und Umständen der Vorstellungskraft und möglichen Ergebnissen, seit sie ihn zum ersten Mal getroffen hat, bis jetzt, hat Hermine Granger sich immer an der Seite von Harry Potter und Ron Weasley gesehen, vor allem wenn es um Leben und Tod ging.

The Fallout deutschWhere stories live. Discover now