Sechzehn

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Tag: 1350; Stunde: 17

Man gewöhnt sich nie daran. Sie hatte ohne Zweifel geglaubt, sie würde sich nach einem Jahr, zwei oder drei Jahren daran gewöhnen. Aber ihr Körper zittert immer noch, als wäre ihr Blut Eiswasser, und sie zögert immer noch bei der Hälfte der Leute, wenn sie weiß das sich Feinde und Freunde im Gefecht befinden und sie Zauber auf entgegenkommende Leute abfeuern muss. Es würde ihr viel besser gehen, wenn sie danach nicht darüber nachdenken müsste, denn ‚Hatte ich Recht, hatte ich Recht?' ist jetzt eine viel schrecklichere Frage, als sie es damals gewesen war. Als sie in der kurzen Stille darauf gewartet hatte, dass ein Lehrer ihr die Antwort auf diese Frage gegeben hatte. Hier wird sie immer an sich selbst zweifeln, denn sie hat zu viele Menschen gesehen, die sich geirrt haben. Sie hat sich selbst bereits zu oft geirrt.

Aber sie ist schon viel weiter als früher, und es gibt weniger Zeiten, in denen die beiden Seiten in einem wilden Durcheinander von Verwirrung und Zauber gegen die eigenen Leute verschmelzen. Am Anfang waren sie fast noch Kinder. Es ist schwer, nicht zu denken, dass sie es immer noch sind.

Jeder macht hier Fehler. Selbst die ranghöchsten Auroren haben auf einem Schlachtfeld schon den Kopf verloren. Ihr härtester Feind war vielleicht, dass sie mehr Vertrauen in ihr eigenen Können haben sollte. Manchmal sind Menschen nichts anderes als Instinkt, ohne alle Schichten der Zivilisation und der Gesellschaft, und sie hat zu lange damit gekämpft, ihre eigene rohe Menschlichkeit zu akzeptieren.

Aber sie stellte sich in der Zwischenzeit besser an, und sie war bescheiden genug, um zunächst zu denken, dass alle anderen schlechter geworden sind, bevor sie merkte, dass sie nur besser geworden ist und sie nur alles vom Krieg keinen Ahnung hatten.

Zwei schwarz gekleidete Körper lassen die Reste des Winters um sich herum aufwirbeln. Dracos Füße suchen nach Halt und verwandeln den wenigen Schnee in Schlamm, und ihre Füße schlittern durch die oberste Schlammschicht, die das Eis als Pfützen hinterlassen hat, während sie fallen. Blutspritzer fallen in den Schnee, aber gehen im Matsch unter, den ihre Stiefel erzeugen, und verwandeln makelloses Weiß in dunkelbraune Linien und Formen um sie herum. Fred schreit sich heiser, und Draco ist ein stummer Kämpfer, der nur Atmet anstatt zu Reden.

Sie überlegt, sie zu stoppen, erinnert sich aber an die Beschimpfungen, die Malfoy und sie sich anfangs gegenseitig entgegengeschleudert haben, und überlegt es sich anders. Vielleicht brauchen sie das, auf eine Art und Weise, die keiner von ihnen wirklich versteht. Neville schreit, dass sie schon genug gegen die andere Seite kämpfen, um jetzt auch noch miteinander zu kämpfen, und wirft einen kurzen Blick auf den Kampf, der nur zwanzig Meter weiter oben stattfindet, aber auch er hält sie nicht auf.

Es ist so viel Spannung hier, im Krieg. Ein Gewicht, ein tiefer Druck auf Brust und Herz, der sich anfühlt, als müsste man ihn zerreißen und brechen und schieben, bis er weg ist. Und manchmal braucht man jemand anderen, an den man ihn auslassen kann.

Tag: 1354; Stunde: 19

Sie befürchtet, dass sie vielleicht anfängt, mehr für Draco Malfoy zu empfinden, als sie es sich jemals erlauben wollte. Ihre Zeit ist entweder damit ausgefüllt, dass er da ist, oder dass sie darauf wartet, dass er da ist. Das ist gefährlich und leichtsinnig, aber sie geht diesen Weg weiter, als ob es das Beste wäre, was sie tun könnte.

Sie mag es nicht, dass sie ständig an ihn denkt oder es genießt so viel Zeit mit ihm zu verbringen, selbst wenn sie sich streiten oder, dass es ihr jetzt etwas ausmacht, ob er überlebt oder stirbt oder verletzt wird. Sie will sich momentan um niemand anderen sorgen müssen, egal wer diese Person ist, weil gerade jetzt das Risiko jemanden zu verlieren zu hoch ist. Aber sie merkt, dass sie nicht anders kann, als sich Sorgen um ihn zu machen, egal was sie sich einredet oder wie sehr sie versucht, sich daran zu erinnern und sich selbst davon zu überzeugen, warum sie überhaupt nicht positiv über ihn denken sollte. Denn dann denkt sie wieder daran, dass er auf trockene, sarkastische Weise witzig ist, oder dass er sie auf brillante Weise herausfordert, oder dass sie seinen Mund und seinen Gesichtsausdruck mag, wenn er sich in ihr bewegt. Sie mag es, dass er grüblerisch und bissig ist und dass sie nie weiß, was auf sie zukommt, wenn sie in seiner Nähe ist. Sie mag es, dass er ein Fernbedienungsfanatiker ist, sich kitschige Werbespots ansieht, nie bereit ist, seine Snacks zu teilen, und sich nichts von ihrem Mist gefallen lässt, ohne seinen eigenen zurückzugeben.

The Fallout deutschWhere stories live. Discover now