Zehn

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Tag: 1203; Stunde : 5

Sie sitzt neben ihm und er bewegt sich nicht. Sie verlagert ihr Gewicht, das Holz unbequem unter ihr und sie streift seinen Arm mit ihrem. Er starrt auf die letzte Stufe der Veranda oder auf den Fleck aus Dreck, aber sie glaubt nicht, dass er irgendetwas wahrnimmt. Es waren lange Minuten oder kurze Stunden, bevor sie das Rascheln seiner Klamotten auf der Verandastufe hört und sie erwidert seinen Blick, als sich sein Kopf zu ihr dreht.

Ihre Hände sind so kalt wie seine Wangen, als sie sie auf sein Gesicht legt, seine Lippen sind rau, als sie sie küsst. Sein warmer Atem trifft auf ihre Lippen, als er tief ausatmet, aber er erwidert den Kuss nicht. Sie zieht sich leicht zurück, blickt in seine grauen Augen, die zur Farbe des bewölkten Tags passen und fühlt sich durch die leichte Röte und Wärme auf seinen Wangen ermutigt.

„Alles Gu –", fängt er an. Aber wie weiß was er sagen will und es ist nicht der richtige Zeitpunkt für Geburtstagsglückwünsche.

„Du hast dein Bestes gegeben."

Es war das Falsche, das zu sagen, obwohl sie es nicht ändern würde, wenn sie die Chance dazu hätte, und er löst sich von ihren Händen und steht auf. Sie dreht den Kopf und blinzelt seinen Stiefeln nach, als sie aus ihrem Blickfeld verschwinden, bevor sie sich aufrichtet und ihm gegenübersteht.

„Draco, du bist ein verdammt guter Stratege. Es gab nichts, was du hättest tun können!"

Er wirbelt herum, der Wind ist harsch auf ihrer kalten Haut, und seine Haare geraten durcheinander. „Ich hätte alles tun können! Denn ich war es, der nicht gut genug war. Ich habe versagt. Ich habe es vermasselt. Ich bin nicht derjenige, dem man sagen muss, dass alles in Ordnung ist, verdammt! Sag das mal Smitts' Familie oder Chang, die jetzt im Krankenhaus liegt, ohne ihre verdammten Finger!"

„Aber es ist nicht deine Schuld! Du konntest nicht vorhersehen, was passieren würde! Du hast das Beste aus dem gemacht, was du hattest! Du warst nicht ausreichend informiert. Es war offensichtlich eine schlimme Situation, und trotzdem hast du es geschafft, vier von euch lebend da rauszuholen! Wäre es jemand anders als du gewesen, wären sie alle auf dem Weg zum Friedhof in der Kieser Avenue gewesen! Niemand gibt dir die Schuld. Du kannst dir nicht die Schuld geben."

Er starrt sie an und schüttelt den Kopf, starrt weiter und schüttelt ihn wieder, bevor er sich umdreht und ins Haus stürmt. Sie geht zwei Schritte hinein, bevor sie eine Tür zuschlagen hört, und sie weiß, dass sie heute Abend nicht mehr zu ihm durchdringen wird.

Tag: 1204; Stunde: 10

An diesem Nachmittag wartet sie mit dem Frühstück auf ihn, als er sich endlich aus dem Schlafzimmer wagt, in das er sich am Abend zuvor zurückgezogen hatte. Sie glaubt, dass es der Geruch war, der ihn in die Küche geführt hatte, anstatt vom Bad zurück ins Zimmer. Er versteckt sich eigentlich nie.

„Eier sind alles, was wir haben." Sie zuckt mit den Schultern, und er braucht ein bisschen, um sich zu entscheiden, ob er das in der Pfanne verbliebene Rührei essen will.

Schließlich setzt er sich ihr gegenüber hin, obwohl sie gedacht hat, er wäre schon gegangen, aber er isst schweigend, und sie lässt es dabei bewenden.

Später, lange nachdem er das Zimmer verlassen und sie den Abwasch erledigt hatte, findet sie ihn auf der Veranda wieder, wie er in den Wald hinausstarrt. Er spricht über Veränderungen und die Kontrolle über sein Leben und darüber, dass er beides nie richtig machen konnte. Für ihn war es wie die Leichtigkeit des Wassers für andere, fließend und nahtlos, aber er wurde immer im Stich gelassen. Sie hört zu und sagt lange Zeit nichts.

„Es ist wie mit den Pflanzen. Wie Pflanzen Licht brauchen, dem sie entgegen wachsen können. Und ich winde mich und wachse, aber ich kann das verdammte Licht immer noch nicht finden. Ich habe nichts, wonach ich suchen könnte. Überlebe den Krieg – und wo werde ich danach sein?"

The Fallout deutschWhere stories live. Discover now