Teil 4

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Lamia

Der Tiefgrund meines Lebens bestand darin in der Unterwelt gefangen zu sein. Und das nun schon lange, schmerzhafte 9 Jahre. Ich zählte jeden einzelnen Tag, in der Hoffnung am nächsten meine Tochter wieder in die Armen schließen zu konnte.

Jeden Tag an dem ich in diesem Gefängnis aufwachte hielt mich ihr strahlendes Lächeln am Leben. Sie gab mir Kraft und Mut.

Sie war mein Engel und ich würde sie wiedersehen.
Ich stellte sie mir immer als eine starke, intelligente und selbstbewusste junge Frau vor. Mutig und liebenswert, wie ihre Mutter einmal.

Mit einem gequälten Blick sah ich mich jedoch dann schließlich doch in meiner Zelle um, es umgab mich wie immer Dunkelheit, Kälte und Angst.

Die schwarzen Wände waren Meterhoch und von oben konnte man den Eingang nicht sehen. Gitter Stäbe oder Fenster gab es nicht, der einzige Durchgang war durch die Decke die ich aber nicht erreichen konnte.

Ich sah den Tag an dem ich hier ankam noch immer in meinen Kopf abspielen. Wie ich hierher kam und meine Tochter verlor.

Zeus

Ohne irgendein Wort zu verlieren zog ich sie hinter mir zum Fluss Styx, dem Fluss der die Oberwelt von der Unterwelt trennte.

Wimmernd und mit Tränen in den Augen war Lamia hinter mir und wehrte sich mit aller Kraft gegen meine Hand an ihrem Oberarm.

"Lass mich los!", schrie sie wütend und zog an ihrem Arm. Mit der anderen Hand versuchte sie meine bei Seite zu schieben um sich zu befreien. Wie angewurzelt blieb ich stehen.

Ihr leises Weinen zerbrach mir das Herz. Ich konnte sie so nicht sehen. Mit zusammen gekniffenen Augen, drehte ich mich zu ihr. Langsam und darauf bedacht sie nicht zu verschrecken, umschloss ich ihre Hand mit meiner.

"Lass mich gehen.", ihr Flehen ließ mich beinahe Weich werden und durch den hellen Klang ihrer Stimme stahl sich ein verzweifeltes Lächeln in mein Gesicht. Ich konnte sie nicht gehen lassen, so sehr es mein Herz auch wollte. Mein Verstand hatte eine Entscheidung getroffen.

"Du hast Kinder umgebracht.", es schien so als würde sie kurz zögern. Als würde sie überlegen ob ihre nächste Aussage überdacht wäre. "Du trägst Schuld an dem Tod unseres Sohnes.", kleine Tränen glitten ihre Wangen hinunter und ließen mich schwach werden.

"Wegen dir ist er tot!", sie schrie weiter und schluchzte ununterbrochen. Mit einem bedrücken Gefühl, drehte ich mich wieder um und ging weiter, ich packte sie wieder am Arm und zog sie mit mir mit.

"Du hast nichts dazu zu sagen?", brüllte sie mich an und blieb stehen.
Meine Beherrschung war am Ende.
"Ob ich was zu sagen hab?", ich drehte mich zu ihr um und augenblicklich wurde ich Lauter und lauter.

"Und was ich zu sagen habe Lamia! Es tut mir leid! Es tut mir leid, dass ich schuld daran bin, dass unser Sohn nun tot ist. Es tut mir leid, dass ich dir nicht half. Es tut mir leid, dass ich verdammt noch mal jeden Tag meines Unsterblichen Lebens an dich denken muss. Es tut mir leid, dass ich mich in unsere gemeinsamen Zeit zurück wünsche. Es tut mir leid, dass ich..", ich stockte und sah in ihren überraschten jedoch auch verwirrten Gesichtsausdruck.

"Dir... Dir tut es leid?", fragte sie schluckend und wischte sich mit ihrem Handrücken die Tränen weg.
Mit einem schlechten Gewissen sah ich zum Eingang der Unterwelt.
"Es ist nicht wichtig.", wich ich ihrer Frage kalt aus und sah ihr in die Augen.

"Du wirst dort unten verrotten, Qual empfinden und nichts und niemand wird dir helfen, niemals. " antwortete ich ihr härter als gewollt. Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute zur Seite.

Ungewollt konnte ich sehen, dass sich weitere Tränen in ihren Augen bildeten. "Du wirst es also wirklich tun?", fragte sie mich, ohne zu mir zu sehen. "Habe ich etwa eine Wahl?" "Man hat immer eine Wahl!", fuhr sie mich an und drehte sich ruckartig zu mir.

"In dem Fall nicht." "Lass mich bitte gehen.", ein weiteres Mal konnte ich ihr nicht in die Augen sehen und das flehen in ihrer Stimme ließ mich verrückt werden. "Es geht nicht."
"Ich gehe nicht in die Unterwelt.", sie klang entschlossen und schüttelte ihren Kopf.

"Du musst durch den Styx.", erklärte ich ihr mit undurchschaubarer Miene und ging nicht auf ihre Entscheidung ein. "Sicher nicht.", mit geweiteten Augen, sah sie zum Fluss und ihr Körper zitterte. Das dunkel blaue Wasser ließ sie zurückweichen und ich versuchte mich an alles was ich über den Styx wusste zu erinnern.

"Jeder der durch den Styx geht, fühlt bei der Überquerung bei jeden gebrochenen Versprechen unerträgliche Schmerzen.", murmelte ich vor mich hin und Lamia nickte langsam. "Was für Versprechen hast du gebrochen?", fragte ich sie neugierig.

"Das hat dich nichts zu interessieren.", mit einem verärgerten Unterton sah sie mich an. "Du musst durch.", meine Stimme versagte und ich musste mich bemühen sie nicht doch gehen zu lassen.

Sie sah mich verzweifelt an, doch gab schließlich nach und stellte sich vor den Fluss.

Lamia

Mit gesenkten Blick schaute ich zu Boden und sah den dickflüssigen Fluss vor mir vorbeiziehen.
Ich drehte mich das letzte man zu Zeus und blickte ihn in seine stürmischen Augen. Er wusste es zwar nicht, doch er hatte mir das einzig wichtige in meinem Leben genommen, und dafür wollte ich ihn verletzten. Ihn brechen.

"Du warst der größte Fehler meines schlimmen Lebens. Würde ich in der Zeit zurück reisen können, hätte ich mich nie auf dich eingelassen.", ich ließ es mir zwar nicht anmerken, doch diese Worte waren eine Lüge. Eine Lüge, wie die das er mir nichts bedeuten würde.

Ich erkannte Verletzlichkeit in seinen strahlenden Augen, etwas das man nicht oft zu sehen bekam.
Dann kehrte jedoch seine gefühlslose Art zurück.

"Kann ich nur zurückgeben.", seine Stimme war kalt und ohne Emotionen. Seine Mimik war unbewegt und sein Blick war stur nach vorne gerichtet.

Ich biss mir in die Unterlippe, die nun schon blutete und unterdrückte ein Wimmern. Ich nickte und drehte mich wieder zum Fluss.

Zeus sagte nichts mehr, sondern verschwand. Ich sah nur noch eine schnelle Gestalt auf den Himmel zu fliegen. Er war verschwunden. Ich dachte, ich könnte nun zu Ariana zurückkehren, doch als ich versuchte einen Schritt nach hinten zu machen, wurde ich noch mehr zum Wasser gedrängt.

"Er hat mich eingesperrt...", murmelte ich. Noch einmal atmete ich tief ein und aus und setzte den ersten Fuß ins Wasser. Es gab nur einen Weg und der war hier durch. Auf der Stelle durchfuhr mich ein Schmerz, der sich anfühlte als würde ich lebendig verbrannt werden.

Mit unregelmäßigem Atem setzte ich nun auch den anderen Fuß in den Fluss. Als würden man mir Messer in den Bauch stecken, genauso fühlte es sich an.

Ich schrie auf und weinte ununterbrochen. Es schmerzte, brannte und zerstörte mich. Ich wollte das alles nicht. Hatte ich wirklich so viele Versprechen gebrochen?

Die Verlorene Tochter Des Himmels [In Überarbeitung] Where stories live. Discover now