Kapitel 75

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Niedergeschlagen gehe ich wieder zurück in mein Zimmer. Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt darf, doch ich stelle mich einfach unter die eiskalte Dusche. Ich lege den Kopf in den Nacken und lasse das Wasser auf mich herunterprasseln. Das kann doch nicht Harrys Ernst sein! Er bekommt eine Niere, die ihm das Leben rettet und er hat nichts Besseres zu tun, als sich darüber zu beschweren! Auch wenn er mir seine Sichtweise erklärt hat, aber wirklich nachvollziehen kann ich es absolut nicht. Ich schnaube wütend und raufe mir die Haare.

Können Harry und ich nicht einfach zusammen sein, ohne solche Probleme?! Ist es uns nicht gegönnt??

Es ist zum verrückt werden! Kaum dass man denkt, es geht wieder bergauf und eine Hürde ist überwunden, da steht bereits die nächste direkt vor uns! Wütend greife ich nach dem Duschgel, schleudere es mit Wucht auf den Boden und lasse dann meine Faust gegen die Fliesen an der Wand krachen. Es tut höllisch weh, aber es beruhigt mich für einen Moment. Und wieder lasse ich die andere Hand dagegen knallen. Und wieder und wieder... bis irgendwann meine Knöchel aufgeplatzt sind und Blut an meinen Händen herunterläuft. Ich blicke an mir herunter. Diese hässliche Naht. Am liebsten würde ich so lange daran herumreiben, bis sie verschwindet. Und damit auch meine Sorge, Harry könnte sie entdecken. Aber leider geht das ja nicht.

Frustriert spüle ich das Blut an meinen Händen ab und steige dann aus der Dusche. Mir ist eiskalt. Aber wen wunderts, wenn man mit nicht gerade warmem Wasser duscht.

Kann Harry diese verfickte Niere nicht einfach akzeptieren und fertig?! Muss er sich da jetzt so viele Gedanken drum machen? Niere ist Niere, verdammte Scheiße. Das Schlimme ist vor allem, sollte Harry herausfinden, dass sie von mir ist, werden wir uns streiten. Er wird wütend auf mich sein. Dabei soll er sich nicht aufregen. Es geht ihm gesundheitlich gerade wieder einigermaßen gut, da darf er sich nicht wegen so etwas aufregen. Ich möchte für ihn da sein.

Und das werde ich auch.

Harry wird nichts erfahren.

Hoffe ich.

~*~

Am Abend kommt Dr. Carter wieder vorbei und verbindet meine Wunde neu. "Das sieht soweit gut aus. Wenn Sie heute Nacht keine Beschwerden mehr haben, werde ich Sie wohl morgen Vormittag entlassen. Der Schnitt der Operation verheilt sehr gut und ich wüsste nicht, was Sie dann davon abhalten sollte, mach Hause zu gehen". Erleichtert ziehe ich mein Shirt wieder runter und lehne mich in meinem Bett zurück. "Na endlich", seufze ich. Okay, ich war wirklich nicht lange hier als Patient, aber die paar Tage haben mir schon gereicht. Vielleicht kann ich zu Hause meine Gedanken wieder ein wenig ordnen, wenn ich nicht mehr dicht an dicht zu Harrys Zimmer bin. Ich fahre mir einmal durch die Haare und zische leicht auf. "Alles okay?", fragt Dr. Carter, die sich gerade zum Gehen gewendet hatte. Ich nicke bloß. Sie sieht mich skeptisch an und kommt wieder näher. Möglichst unauffällig versuche ich, meine Hände unter der Bettdecke zu verstecken, doch leider ohne Erfolg. Dr. Carter zieht die Augenbrauen zusammen und schnappt sich mein Handgelenk. Dann zieht sie scharf die Luft ein. "Was haben Sie denn angestellt?! Waren Sie heute Boxen?", fragt sie und dreht meine Hände ein wenig.

"Mehr oder weniger", murmle ich bloß und starre an ihr vorbei. - "Sie werden wohl nicht mit der Sprache herausrücken, oder?", meint die Ärztin und schnappt sich Verbands- und Desinfektionszeug. Ich bewege leicht meinen Kopf nach rechts und links. Während sie meine Hände säubert und sorgfältig verbindet, sagt sie: "Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, und eigentlich geht es mich auch nichts an. Aber falls sie Probleme haben, kann ich Ihnen einen meiner Kollegen empfehlen. Er kennt sich auf dem Gebiet psychotischer Stress sehr gut aus. Wenn es bei Ihnen schon so weit ist, dass Sie sich selbst verletzen, dann-"

"Was?! Nein, ich bin nicht psycho! Ich hatte einfach Streit mit Harry! Ich war wütend und da musste ich mich einfach abreagieren! Aber okay, das nächste mal bestelle ich einen Boxsack bei Ihnen", fauche ich sie an. Sie blickt mir unbeeindruckt in die Augen und verbindet meine Hände fertig. Dann räumt sie die Plastikverpackungen in den Mülleimer und steht auf. "Es war nicht meine Absicht, Sie zu verärgern", sagt sie, lächelt sogar sanft und geht.

Na vielen Dank, jetzt habe ich ihr gegenüber auch noch ein schlechtes Gewissen.

~*~

Den ganzen restlichen Abend sitze ich in meinem Bett und starre aus dem Fenster. Draußen regnet es. Wen wunderts. Meine Laune passt perfekt zu diesem Wetter. Als mir eine Krankenschwester mein Abendessen bringt, schiebe ich das labbrige Brot lustlos auf meinem Teller herum. Ich habe absolut keinen Appetit, die miese Stimmung zwischen Harry und mir nervt mich. Niall meinte, ich soll die Sache einfach ruhen lassen. Immerhin sind Organspenden normalerweise ja ohnehin anonym, es sein denn ich würde erlauben, dass der Empfänger meinen Namen erfährt. Ich habe nur Angst, dass Harry die Narbe sieht beziehungsweise erkennt. Immerhin schlafe ich nachts auch immer ohne Shirt, also sieht er mich spätestens dann oberkörperfrei. Und eine billige Ausrede wie: ich habe mich verbrannt, funktioniert dann bestimmt nicht.

Mein Handy klingelt. Wenn man vom Teufel spricht.

"Hi Harry", sage ich monoton. Ich höre, wie er kurz stockt. Leider zu spät stelle ich fest, dass ich ihn ziemlich kühl und ohne irgendwelche Kosenamen begrüßt habe. "Ähm... hey. Störe ich grad?", fragt er schüchtern. Er atmet ein wenig hektisch, doch ich denke mir nichts dabei. Ich seufze leise. "Nein, was gibts?"

- "Ist... ist alles in Ordnung? Du warst schon heute Morgen so kühl zu mir und... und jetzt auch wieder. Habe ich etwas Falsches gesagt?" Ich überlege einen Moment. Eigentlich kann ich nicht böse auf Harry sein, aber ich bin einfach noch zu geschockt von seinen Worten. - "Nein, alles gut", entgegne ich, "also wieso rufst du denn an?"

"Ich weiss nicht, ich... ach vergiss es. Ist nicht so wichtig. Gute Nacht, Lou. Ich liebe dich". Und schon hat er aufgelegt. Verwundert schaue ich auf mein Handy. Was war das denn jetzt?

Beinahe habe ich wirklich ein schlechtes Gewissen. Ich war gerade wirklich extrem unfreundlich und scheiße zu Harry und er sagt sogar trotzdem noch 'ich liebe dich'. Ich dagegen habe nichts dergleichen zu ihm gesagt.

Was soll ich denn nur tun?? Ich kann ihm unmöglich die Wahrheit sagen. Vielleicht später mal irgendwann, aber im Moment bin ich neben Niall, Liam und Zayn die einzige Person, der er sich wirklich anvertraut. Wenn er merkt, dass ich ihn die ganze Zeit anlüge beziehungsweise etwas gegen seinen Willen getan hat, wird er mir das nie verzeihen. Natürlich bereue ich auf keinen Fall, dass ich ihm meine Niere gespendet habe, immerhin habe ich ihm damit das Leben gerettet und würde es jederzeit wieder tun. Ich möchte ihn nur nicht die ganze Zeit anlügen müssen. Aber bleibt mir denn wirklich etwas anderes übrig?

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Bitte das Voten nicht vergessen😊

Bald gibt es übrigens wieder viel Drama👀

Emerald green eyes || Part 1 (Larry Stylinson)Where stories live. Discover now