Kapitel 40

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"Woher denn dann?", frage ich. Harry schaut an mir vorbei und ich sehe Tränen in seinen Augen schimmern. "Von meinem Stiefvater".

Bestürzt sehe ich ihn an. "Von... von... von deinem Stiefvater?!", frage ich entsetzt, woraufhin Harry leicht nickt. "Jack verabscheut mich, weil ich schwul bin. Du musst wissen, früher war er nie so... bis er dann... er hat mich eines Tages mit meinem ehemaligen besten Freund entdeckt. Wir... wir haben uns geküsst... Wir waren nicht ineinander verliebt oder so, aber wir waren beide einfach neugierig, wie es ist, einen Jungen zu küssen, und dann ist es passiert. Jack hat mich an den Haaren nach Hause gezerrt und in mein Zimmer eingeschlossen. Über mehrere Tage... Ich durfte weder etwas essen noch aufs Klo gehen..."

Während seiner ganzen Erzählung merke ich, wie er immer mehr anfängt, am ganzen Körper zu zittern. Meine Wut auf ihn ist mit einem Mal wie weggeblasen und ich rutsche etwas dichter zu ihm und verschränke wieder meine Finger mit seinen. Kurz darauf landen einige Tränen von ihm auf meinen Händen. "Irgendwann habe ich dann gemerkt, wie sich die Tür geöffnet hat und plötzlich standen drei Männer in meinem Zimmer. Jack hat von außen wieder abgeschlossen, aber vorher meinte er zu mir.... wenn... er sagte, dass mir diese Männer mein Hirngespinst mit dieser Schwuchtelei austreiben würden. 

Ich wusste erst nicht, was er meinte, ich dachte, sie würden mich verprügeln oder so", sagt er und stockt erneut. "Was haben sie stattdessen gemacht?", flüstere ich bestürzt, auch mir stehen die Tränen in den Augen. "Naja... ich hätte mir gewünscht, sie hätten mich verprügelt... aber dann... haben mich zwei der Männer festgehalten, während der andere... er hat mich vergewaltigt. Und als er fertig war, haben sie noch zwei mal getauscht, ehe sie mein Zimmer verlassen haben. Ich.... ich konnte nichts machen, Louis! Sie haben mich so fest gehalten, ich konnte mich nicht wehren", schluchzt er und sinkt in sich zusammen.

Ich kann meine Tränen nun auch nicht weiter zurückhalten und spüre, wie Harry sich an mich klammert. Ich schlinge meine Arme um ihn und streiche beruhigend über seinen Rücken.

Irgendwann richtet Harry sich leicht auf, löst sich aber nicht aus meiner Umarmung. Dann erzählt er weiter. "Dann kam mein Stiefvater wieder... er hat mich windelweich geprügelt und gemeint, dass er keine Schwuchtel als Stiefsohn haben will. In den nächsten zwei Wochen sind die Typen jeden Tag wieder zu mir gekommen und es hat sich immer das Gleiche abgespielt".

Ich blinzle ein paar mal und räuspere mich leicht, bevor ich frage: "Und deine Mutter? Hat die nichts mitbekommen?"

"Sie war zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause, sie war geschäftlich unterwegs. Meine Schwester Gemma war auf Klassenfahrt. Als sie wiederkamen, lief der Alltag normal weiter. Jack tat vor ihnen so, als wäre nichts, doch wenn niemand außer uns beiden war, kamen die Typen wieder. Das Einzige, was mich noch davon abgehalten hat, mich von der nächsten Brücke zu stürzen, waren meine Mum und meine Schwester. Ich wollte ihnen das nicht antun. Und das mit meinem alten Team, was ich dir erzählt habe... es war nur die halbe Wahrheit.

Es waren zwei Kerle aus meinem Team, aber auch der Trainer. Sie wurden angestiftet... von wem muss ich wohl nicht sagen. Er wollte, dass sie mir auch das Letzte versauen, was mir noch blieb. Zwei Wochen später sind wir dann hierher gezogen. Vorher hat mir Jack aber noch gedroht, dass er das alles bei dem Kerl wiederholen würde, der mir diese Schwuchtelei wieder näher bringen würde".

Fassungslos starre ich Harry an. Beziehungsweise seinen Hinterkopf, da er sein Gesicht an meine Brust gedrückt hat. Leise murmelt er: "Vielleicht weißt du ja jetzt, warum ich dich immer wieder abweisen musste. Ich konnte nicht zulassen, dass er dir irgendetwas antut. Mit mir kann er machen, was er will, aber bei dir darf er das auf keinen Fall".

Entsetzt streiche ich ihm über die Wange. "Harry, auch mit dir darf er das nicht machen! Hast du ihn denn mal versucht, anzuzeigen?", frage ich. Er schüttelt den Kopf. "Ich habe ja keine Beweise, und die Typen, die er angeheuert hat, die brauche ich wohl erstrecht nicht fragen.

Als dich dieser Typ in dem Club dann angefasst hat, habe ich rot gesehen. Ich wusste nicht, ob mein Stiefvater ihn angestiftet hatte, also habe ich ihn von dir weggerissen und ähm... ja... ich war wohl nicht unbedingt sanft zu ihm. Die Securityleute sind damals nicht wegen ihm, sondern wegen mir zu uns gekommen. Ich kann wohl froh sein, dass ich nicht angezeigt wurde", Harry versucht ein kleines Grinsen, was ihm jedoch nicht gelingt. Die nächste Träne rollt seine Wange herunter.

Ich nehme ihn erneut in den Arm und drücke ihn an mich. Nach kurzer Zeit jedoch löst er sich plötzlich von mir und steht vom Sofa auf. "Naja dann... ich werde dann mal gehen", sagt er und verlässt das Wohnzimmer. Geschockt von seiner Erzählung bin ich nicht in der Lage, irgendwie zu reagieren. Es tut mir so unendlich leid, was ihm passiert ist. Als ich die Haustür ins Schloss fallen höre, erwache ich jedoch aus meiner Schockstarre und renne ihm nach einem Moment hinterher. Er ist bereits am Ende der Straße angekommen.

Dass ich keine Schuhe und Jacke trage, fällt mir nicht mal auf. Ich habe nur ein Ziel vor Augen: Harry.

Nach ein paar Sekunden hört er mich wohl, denn er dreht sich um und entdeckt mich. Ein trauriges Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht, als ich atemlos vor ihm stehen bleibe. "Geh nicht", flüstere ich. Er zuckt leicht mit den Schultern. "Ich kann verstehen, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest. Es ist wohl besser so", sagt er, während eine Träne seine Wange hinunterläuft.

Energisch schüttle ich den Kopf. "Quatsch! Du gehst auf keinen Fall! Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich jetzt allein lasse?!" Harry senkt seinen Blick. "Ich würde es dir zumindest nicht übel nehmen". 

Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe seine Wange zu meine herunter. Eine ganze Weile bleiben wir so stehen, bis er die Umarmung endlich erwidert und ich ihm einen sanften Kuss auf seine Wange hauche. Ich merke, dass er leicht erschauert und eine Gänsehaut bekommt, was mich lächeln lässt. Da scheint es wohl jemandem genauso zu gehen, wie mir. "Komm wir gehen rein, mir wird kalt", murmle ich. 

Erst jetzt bemerke ich nämlich die Kälte an meinen Füßen, da ich ja nur mit Socken hier stehe und leichter Schnee auf der Straße liegt. Bestürzt starrt Harry mich an. "Warum hast du keine Schuhe an? Bist du des Wahnsinns?!" Ich zucke grinsend mit den Schultern. "Es gibt Wichtigeres", sage ich. Daraufhin lächelt Harry und hebt mich plötzlich hoch. Ich schlinge meine Beine und Arme um ihn und lasse mich zu meiner Wohnung zurück tragen.

Dort angekommen trägt er mich jedoch bis in mein Schlafzimmer, wo er mich absetzt und in meinem Schrank herum wühlt. Kurz darauf hält er triumphierend ein Paar Kuschelsocken und einen dicken Pulli in der Hand. Ich ziehe beides an, woraufhin er zufrieden nickt.

"Harry... darf ich dich was fragen?" Er sieht mich an und nickt dann erneut. "Wissen die anderen drei Jungs denn von dir?", frage ich leise, nicht, dass ich mich später noch verplappere. "Ja. Ich habe ihnen alles erzählt, wodurch wir dann auch auf die Idee gekommen sind, heute hierher zu kommen. Wir haben uns die letzten paar Tage alle nicht melden können, weil wir mit den Vorbereitungen zu tun hatten", erklärt er.

"Woher wusstet ihr denn überhaupt, dass ich nicht zu Hause bin?", hake ich verwirrt nach.

Harry grinst leicht und meint dann: "Ein Vögelchen hat uns gezwitschert, dass du die Weihnachtsgeschenke für deine Familie vergessen hattest". Belustigt verdrehe ich die Augen. "Lass mich raten: meine Mum?" Harry nickt grinsend. "Sie musste dich dann aber nochmal aufhalten, da wir noch nicht mit allem fertig waren, also hat sie dich glaube ich erneut angerufen, oder?" Ich nicke. Meine Mum ist wirklich in Schlingel.

In dem Moment höre ich Niall rufen: "Essen ist fertig!"

"Niall hat gekocht?", frage ich verwundert. Harry lacht und sagt: "Die drei meinten, dass ich ihnen genau aufschreiben soll, was sie machen sollen, damit ich in der Zeit mit dir reden kann. Ich hoffe, sie haben sich an mein Rezept gehalten".

"Das hoffe ich auch!"

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Emerald green eyes || Part 1 (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt