Kapitel 95

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Thomas P.O.V

„Los, raus damit, Zwerg," dränge ich ihn und sehe ihn mit meinem typischen mach-lieber-was-ich-sage-Blick an.

„Nh scheiß mache ich! Das ist privat!" Genau, wie seine Schwester, widersetzt er sich mir. Wütend gehe ich auf ihn zu, bereit ihm klar zu machen, dass er gefälligst auf mich hören soll.

„Ah, ah! Allison fände das bestimmt nicht sehr nett von dir." Überlegen, dass er etwas gegen mich in der Hand hat, grinst er mich an. Genervt schnaube ich. „Sie will nicht mehr so genannt werden, Zwerg!" Meine Stimme hört sich genauso drohend an, wie ich rüberkommen will. Ich bin kurz vorm explodieren. Beinahe ist mir egal, was Sky dazu sagen würde. Zu seinem Glück, kann ich mich jedoch zusammenreißen.

„Hör zu, ich hab keine Lust auf dieses dämliche Getue. Sag mir einfach, wo du jetzt warst! Sky wird es so oder so erfahren!" Dabei betone ich ihren Name übertrieben, sodass er endlich mal checkt, dass sie jetzt so heißt.

Unbeeindruckt sieht er mich an.
Ich bin wieder ein Stückchen näher dran, es jeden Moment aus ihm herauszuprügeln. Er hat nichts anderes verdient.

„Spätestens, wenn sie dich fragt, wirst du ihr erklären müssen, wo du warst." Schulterzuckend drehe ich mich um.

„Liebst du sie?"
Abrupt bleibe ich stehen. „Sky meine ich."
Schwer schlucke ich. Die Frage habe ich mir selbst noch nicht gestellt. Ich war noch nie verliebt oder so. Jedenfalls nie so richtig. Natürlich fand ich ein paar Weiber mal geil, aber das ist ja was anderes. Skylar kann man mit denen nicht vergleichen. Gegen sie sind die anderen ein Witz!

Aber, ob ich sie liebe?
Bisher kam mir die Frage immer so einfach, so simple vor. Nie dachte ich, dass es so schwer ist, sie zu beantworten.

„Wieso," frage ich und wende mich zu ihm. "Na ja sie ist immerhin meine Schwester." Misstrauisch mustere ich ihn. „Na und? Hat dich ja anscheinend bisher auch nicht interessiert."
„Trotzdem ist sie meine Schwester," sagt er mit versucht bedrohlicher Stimme. Schmunzelnd verdrehe ich meine Augen und versuche nicht zu lachen. „Vielleicht solltest du dich ihr gegenüber auch mal so verhalten." Mein überlegendes Grinsen breitet sich auf meinen Lippen aus.

In seinen Augen kann ich deutlich die Wut erkennen. Er ist genauso impulsiv wie seine Schwester.

„Aber die Sache mit Sky kaufe ich dir nicht ab. Sag schon, wo hast du dich rumgetrieben?" Fordernd gehe ich auf ihn zu. „Spucks aus, Zwerg. Wir wissen beide, dass ich es so oder so erfahren werde."

Vor ihm baue ich mich groß auf und sehe ihn bedrohlich an. Schwer schluckt er, was mir beweist, dass ich ihn fast habe. „Also?" Das ist seine letzte Chance, die er einsieht.

„Okay, gut," sagt er hastig und wendet den Blick ab. „Ich hab es angezündet."

Verwirrt sehe ich ihn an. „Wovon redest du, verdammt?" Eine Vorahnung schleicht sich ein. Um Gottes Willen, lass ihn nicht so dämlich gewesen sein!

„Er wollte, dass ich es niederbrenne, wenn wir auffliegen könnten."

Die bekannte Wut über unüberlegtes handeln steigt in mir auf. Wieso können sie beide nicht ihr verficktes Hirn benutzen, wozu es ihnen gegeben wurde?! „Und wieso hast du das verdammt nochmal gemacht?! Willst du nicht, dass ihr endlich in Sicherheit seid," fahre ich ihn an. Dabei achte ich keines Wegs auf meine Lautstärke.

Im Hintergrund nehme ich wahr, wie eine Tür ins Schloss fällt. Ich spüre ihre Anwesenheit. Alleine ihr Dasein beruhigt mich. Jedoch will ich das gerade gar nicht!

„Was ist hier los?" Sie kommt ins Wohnzimmer und atmet erleichtert aus, als sie den dämlichen Giftzwerg sieht. Offensichtlich will sie zu ihm rennen und ihn in ihre Arme schließen, doch sie hält sich zurück.

„Thomas?"
Sobald ich in ihre Augen sehe, weiß ich, dass nicht länger so wütend bleiben werde. Mein Verstand schreit mich förmlich an, sie auf keinen Fall anzusehen. Doch jede Faser meines Körpers drängt mich dazu. Dennoch verharre ich mit dem Blick auf ihren Bruder gerichtet.

Sie scheint dies zu bemerken und stellt sich vor mich. Im Augenwinkel sehe ich ihren flehenden Blick. Ich darf jetzt nicht einknicken! Schließlich bin ich Thomas Sangster! Sie soll sich da gefälligst raus halten!

Ihre weichen Hände legen sich auf meine Wangen. Sanft streicht sie über meine Haut. Dieses nervige Gefühl in meinem Bauch macht sich in meinem gesamten Körper breit und bewirkt eine Gänsehaut.

„Hey, Tommy."
Sky's sanfte Stimme quält mich. Trotzdem ist mein Stolz standhaft. Ich will mich jetzt nicht beruhigen. Dennoch zwingt sie mich, sie anzusehen, da sie meinen Kopf zu ihr runter bewegt und mich mit ihren großen Augen ansieht. „Was ist passiert," wiederholt sie ihre Frage.

„Er hat alles vernichtet!"
Ohne mit der Wimper zu zucken dreht sie sich langsam zu ihm um. „Wovon redet er, Sam?"

Schwer schluckt der Giftzwerg und wendet den Blick von uns ab. „Ja, erzähl es ihr," provokant funkle ich ihn an. „Sam?"

Sky geht einen Schritt auf ihn zu. Ich muss sie nicht ansehen, um zu wissen, dass sie versucht die Antwort in seinen Augen zu finden.

„Ich hab alle Beweise verbrannt."

Sky's Atem stockt und sie tritt einen Schritt zurück.

„A-aber... wieso?" Ihre Stimme klingt brüchig. Sanft lege ich eine Hand auf ihre Schulter und stelle mich dicht hinter sie.

„Dad kennt eine menge Leute, A- Sky. Du wärst überrascht, wie schnell sie hier wären."
Beunruhigt sehe ich aus dem Fenster. Was zur Hölle meint er damit?!

„Sam... Wieso hast du nichts gesagt? Wir- wir hätten irgendwas unternehmen können. Wir hätten das verhindern können."

Grinsend schüttelt er den Kopf. Seine Augen werden glasig, während eine Träne sein Auge verlässt. Ich spüre, dass Sky zu ihm gehen will, doch ich halte sie zurück. Irgendwas stimmt nicht.

„Er hat dafür gesorgt, dass alle die ich liebte sterben. Sky, er ließ meine Freundin ermorden... Vor meinen Augen. Ich will nicht, dass du das gleiche erleben musst."

Ängstlich sieht sie mich über die Schulter an. Ich kenne diesen Blick. „Vergiss es," warne ich sie.

Sky dreht ihren Kopf wieder nach vorne und atmet hörbar aus.

„Ist okay. Wir fliegen trotzdem morgen zurück. Geh dich duschen, damit wir aufbrechen können."

Der Zwerg nickt und verschwindet in dem Badezimmer. Sky dreht sich zu mir um. Paralysiert sieht sie mich an. Sie so zu sehen versetzt mir einen Schmerz in meiner Brust.

Ich schließe sie in meine Arme und halte sie fest an mich. „Shhh, alles wird gut," murmele ich ihr immer wieder zu, bis sie sich beruhigt.

Gefangen in London (tbs ff)Where stories live. Discover now