Kapitel 92

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Skylar P.O.V

Noch immer im Halbschlaf will ich mich recken, als ich von schweren Armen zurückgehalten werde. Schlaftrunken öffne ich meine Augen und blinzle, für eine schärfere Sicht, einige Male.

Thomas schläft noch. Beim Schlafen sieht er wie ein völlig anderer Mensch aus. So friedlich und ohne jegliche Sorgen. Seine Haare sind verwuschelt und stehen in alle Richtungen ab.

Nach einiger Zeit atmet er tief ein und öffnet langsam seine dunklen Augen. „Stalkst du schon wieder," lacht er rau. „Wir fallen wohl wieder in alte Angewohnheit zurück, nicht wahr Spy?"

„Dir auch einen guten Morgen!" Ich verdrehe lächelnd die Augen und drehe mich mit dem Rücken zu ihm um. Thomas Arme sind noch immer um mich geschlungen. Anscheinend ist für ihn ein zu großer Abstand zwischen uns, weswegen er näher an mich heranrückt. Darauf spüre ich seine Lippen an meinem Hals. „Guten Morgen, Sky."

Sein Atem trifft bei jedem seiner Atemzüge auf meine Haut und löst bei mir eine Gänsehaut aus. Nach wenigen Minuten geht seine Atmung gleichmäßig, da er vermutlich wieder eingeschlafen ist. Als ich auf die kleine Uhr sehe, ist es bereits schon 9:30 Uhr. Vorsichtig entziehe ich mich seinen Armen und stehe auf.

Zufrieden, dass er noch immer schläft gehe ich aus dem Zimmer.
Mein Bruder sitzt auf der Couch und scheint in Gedanken zu sein.

„Hey," sage ich leise und lehne mich gegen den Türrahmen. Stumm sieht Sam mich an, bevor er wieder den Blick abwendet. Hörbar seufze ich und setzte mich neben ihn. „Tut mir leid, dass-" kurz suche ich nach den richtigen Worten. „Dass du dich im Stich gelassen gefühlt hast. Ich hatte dir versprochen, immer für dich da zu sein. Ich denke, das habe ich ziemlich vermasselt."

Noch immer wendet er seinen Blick nicht ab.
„Ich bin nicht mehr Allison Stuart. Bestimmt ist sie noch immer in mir. Das wird sie immer sein. Aber jetzt bin ich Skylar Jones. Und ehrlich gesagt, mag ich sie." Verächtlich schnaubt Sam. „Du hast deine Vergangenheit doch einfach nur verdrängt. Mehr nicht!"

„Nein das stimmt nicht! Ich habe mir jeden einzelnen Tag Vorwürfe gemacht. Täglich kamen immer mehr und mehr Schuldgefühle auf mich ein, weil ich dachte, du seist wegen mir tot. Ich dachte, ich hätte dich verloren," sage ich mit brüchiger Stimme. „Das hast du auch."
Seine Worte sind wie ein Schlag in die Magengrube. Schnell blinzle ich meine Tränen weg. „Ich kann deine Wut verstehen, wirklich. Trotzdem kann ich dich nicht erneut verlieren! Du kannst mich hassen. Du musst nicht einmal mit mir reden, aber ich flehe dich an, bitte komm mit mir mit! Hier bist du nicht sicher. Er wird dich finden und dann- Gott, ich will nicht, dass du länger seinen Frust zu spüren bekommst! Das du nicht verdient."

Endlich sieht mein kleiner Bruder mich an. Ausdruckslos nickt er bloß.
Verkrampf und konzentriert darauf nicht direkt in Tränen auszubrechen gehe ich ins Bad. Dort nehme ich unsere Kleidung aus der Waschmaschine und hänge sie zum trocknen raus. Leise schluchze ich ab und zu. Dennoch versuche ich mich abzulenken. Erst als ich ein leises Klopfen höre, halte ich inne. „Sky? Kann ich reinkommen?" Thomas Stimme klingt besorgt. Unfähig etwas zu sagen, öffne ich ihm die Tür.

„Komm her," sagt er leise und streckt seine Arme aus. Schnell falle ich in seine Arme, als könne er mich vor allem Bösen in der Welt beschützten. Langsam streicht er abwechselnd über meinen Hinterkopf und über meinen Rücken. Seine Nähe alleine lässt mich ruhiger werden. Einige Minuten stehen wir einfach still da. Thomas drängt mich nicht, ihm den Grund für meine Traurigkeit zu erklären. Er ist einfach da und hält mich. „Er hasst mich!" Meine kratzige Stimme bebt, als die Worte meinen Mund verlassen. „Vermutlich braucht er einfach ein bisschen Zeit, um sich damit abzufinden. Immerhin war er seit einigen Jahren im Glaube, du hättest ihn im Stich gelassen. Kannst du ihm das verübeln," erwidert er nach einer kurzen Stille zwischen uns.

„Nein, aber ich will ihn einfach nicht nochmal verlieren. Ich-"
„Hey, ich weiß. Aber du warst selbst noch ein kleines Kind. All das ist nicht deine Schuld." Anscheinend hat Thomas meinen panischen Ton direkt hört, denn er nimmt mein Gesicht beruhigend in seine großen Hände.

„Gib ihm noch ein wenig Zeit, ich bin mir sicher, er wird dir verzeihen können." Aufmunternd sieht er mich an und gibt mir einen Kuss auf den Ansatz. Dankend erwidere ich seinen Blick und beuge mich zu ihm hoch, worauf er unsere Lippen vereint. Durch diesen intensiven Kuss versuche ich ihm meine Dankbarkeit und meine Gefühle zu zeigen.

Gefangen in London (tbs ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt