Kapitel 73

838 35 1
                                    

Für Thomas ist der Flug vermutlich tausendmal anstrengender, als für mich. Ständig blubbere ich aufgeregt vor mich ihn oder bekomme vor lauter Schuldgefühlen beinahe eine Heulattacke. Normalerweise würde er sich über mich lustig machen oder irgendwann völlig durchdrehen, aber er lässt es über sich ergehen und versucht mich durchgehend zu beruhigen.

Zwar weiß ich nicht, wann ich eingeschlafen bin und wie es dazu kam, aber durch einen Kuss auf die Stirn werde ich wach und sehe in Thomas typisch grinsendes Gesicht. Mit einem Kopfnicken deutet er auf das Fenster links von mir. Verwundert drehe ich meinen Kopf nach links und reiße meine Augen staunend auf. Ein breites Lächeln umspielt meine Lippen. Glücklich sehe ich wieder zu Thomas.

„Heb dir den Schrei für einen Ort mit etwas weniger Menschen auf, okay." Zwar ist seine Stimme genervt, aber ich weiß, dass er sich ebenso freut.

Wir fliegen an der Freiheitsstatue vorbei. Die Aussicht ist unbeschreiblich schön. Ich wollte schon immer mal nach Amerika, auch wenn Rick es dort hasst. Bisher konnten mich seinen Geschichten nie abschrecken. Endlich kann ich mir einen eigenen Eindruck von der riesigen Stadt machen.

Unruhig rutsche ich auf meinem Sitz hin und her. Thomas wir dadurch anscheinend nervös und presst irgendwann seine Hand auf meinen Oberschenkel, sodass ich still sitze. „Fünfzehn Minuten, dann kannst du dir von mir aus eine Treppe suchen und die so oft hoch und runter springen, wie du willst."

In seinem Blick liegt eine gewisse Reizbarkeit, welche mich wieder ruhiger werden lässt. Ein Trip mit einem gereizten Thomas ist nicht gerade etwas, was ich unbedingt erleben will. Nachdem wir aussteigen und endlich durch die Menschenmasse nach Draußen gelangen, realisiere ich erst, was wir soeben getan haben.

„Hast du jetzt doch kalte Füße?" Seine Tonlage ist zu undeutlich, um sie einzuschätzen. Daher sehe ich ihn bloß schweigend an. „Jetzt ist es sowieso zu spät. Sag mir wenigstens, dass du weißt, wohin wir jetzt gehen."
Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals. „Na ja, also-"
„Du hast keine Ahnung, wo wir hingehen oder?" Nun ist seine Stimme eindeutig gereizt. „Wie hast du dir das denn vorgestellt? Dass du mal eben nach New York fliegst, deine Sachen hier erledigst und dann wieder schnell nach Hause zurückkehrst?!", motzt er mich an und lässt mir somit keine Gelegenheit, etwas zu erwidern.

„Du kannst von Glück reden, dass ich mit dir mitgekommen bin."
„Sangster."
„Ohne mich wärst du wahrscheinlich auch noch in den falschen Flieger gestiegen."
„Sangster."
„Oder du hättest dich bereits hier verlaufen."
„Jetzt lass mich doch auch mal was sagen, Sangster!" Meine Stimme ist etwas zu laut, aber wenigstens habe ich jetzt seine Aufmerksamkeit.

„Denkst du wirklich, ich würde in die USA fliegen und noch nicht einmal wissen, wo ich unterkomme?!" Kurz mustere ich seine Mimik. „Komm mit, du Meckertasche," sage ich genervt und gehe vor raus.

Gefangen in London (tbs ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt