Kapitel 52

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Inzwischen ist es viertel vor fünf. Seitdem wir draußen waren, haben wir kein Wort miteinander gewechselt. Gegenseitig schweigen wir uns an. Ich weiß nicht, ob er nicht mit mir reden will oder ob er in Gedanken ist.

Es fühlt sich bei jedem Pinselstrich heißer in dem Raum an. Fast so, als würde die Temperatur gar nicht mehr aufhören zu steigen.

Anscheinend ergeht es Thomas genauso, denn er atmet erschöpft, wie ich. Er steigt von der Leiter runter und legt seinen Pinsel weg.

Dann zieht er sein Shirt aus.

Ich will ihn nicht ansehen, aber ich kann meinen Blick nicht von ihm losreißen. Er steht mir mit dem Rücken zugewandt und schmeißt das Shirt auf den Tisch.

„Stalkst du etwa schon wieder, Jones?"

Als würde ihn schon von Anfang bewusst sein, dass ich ihn beobachte. Mit seinem Halbgrinsen sieht er mich überlegen an. Mein Blick fällt auf seinen Oberkörper, welcher von einem Sixpack gezeichnet ist. Es ist nicht zu viel und nicht zu wenig. Sondern genau-

„Nein, Sangster," ich atme tief ein und überlege mir eine Ausrede. Denn ich würde ihm niemals diesen Triumph gönnen. „Ich habe gerade nur unsere Arbeit betrachtet und dabei ist mir aufgefallen, dass du definitiv kein guter Maler bist."

Staunend sieht er mich an.
„Bitte?", fragt er amüsiert.

„Ja, deine Arbeit ist unrein," ich nicke übertrieben,"sehr unrein."

Belustigt atmet er aus und sieht sich seine von ihm bemalte Wand an. „Unrein?", fragt er nach und stemmt die Hände in die Hüfte.

„Ja! Sieht richtig schlampig aus," necke ich ihn weiter und unterdrücke mir ein Lächeln. „Weißt du, was schlampig aussieht?", fragt er frech grinsend.

Thomas nimmt den Pinsel in die Hand und lässt durch einen Schwung viele Kleckse von der Farbe auf meine Kleidung spritzen. Schockiert sehe ich an mir herab, bevor ich ihn ansehe.

„Das hast du jetzt nicht ernsthaft gemacht."

Belustigt mustert er mich.
„Wie schlampig das aussieht. Ich muss schon sagen, da fällt einem die Wand gar nicht mehr auf," sagt er und lehnt sich an den Tisch an.

Gespielt empört sehe ich ihn an.

Dann tunke ich den Pinsel in die Farbe und tue es ihm gleich. Anscheinend überrascht ihn das, denn er sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an.

Darauf entwickelt sich eine Farbschlacht zwischen uns. Thomas ist inzwischen fast überall voller Farbe. Ich weiche ihm immer wieder aus und versuche vor ihm wegzurennen. Irgendwann packt er mich, wie auch vor einiger Zeit auf der Wiese und schmeißt mich dieses Mal sogar über seine Schulter.

Lachend hämmere ich kraftlos mit dem Fäusten auf seinen Rücken. Ich halte inne, als ich kaum sichtbare blaue Flecke an seiner Seite sehe. Mein Lachen verstummt augenblicklich und ich taste vorsichtig an die besagte Stelle.

Anscheinend merkt Thomas, dass ich darauf aufmerksam geworden bin. Ich spüre, wie er sich anspannt und abrupt stehen bleibt. Er lässt mich runter und geht zügig wieder zu unserem Arbeitsplatz. Mit dem Shirt in der Hand stampft er verkrampft zu den Schlafräumen.

Wie versteinert sehe ich ihm nach.

Was ist passiert?

Gefangen in London (tbs ff)Where stories live. Discover now