„Welchen Geist hast du denn gesehen?", grinste Taehyung, als er sich neben Jeongguk auf den Fahrersitz des Hyundais fallen ließ und die Tüte mit den Einkäufen in Jeongguks Fußraum stopfte.
„Du wirst mir nicht glauben", meinte Jeongguk ernst und das Lächeln fiel dem Prinzen aus dem Gesicht. „Aber ich glaub, Seunghyun ist nicht der liebe Onkel von Nebenan. Zumindest nicht der, der ohne Hintergedanken mit kleinen Kindern fangen spielt."
„Wie meinst du das?", fragte Taehyung und zog die Stirn in Falten, während Jeongguk von Yeosang und seiner eher unglücklichen Begegnung auf den Tankstellentoiletten berichtete.
Nach einer langen Pause zwischen ihnen räusperte Taehyung sich endlich.
„Du hast Recht. Ich glaube dir wirklich nicht..."
„Aber es war so", fiel Jeongguk ihm sofort ins Wort. „Wenn Yeosang nicht so schnell abgehauen wäre, könnte ich es dir beweisen..."
„...aber ich vertraue dir", beendete Taehyung seelenruhig seinen Satz mit einem vielsagenden Blick in Jeongguks Richtung, der ihn zum Schweigen brachte. „Es ist nur... echt schwer sich das von jemandem vorzustellen, den man schon so lange kennt."
„Don't judge a book by its cover", wiederholte Jeongguk leise und beobachtete, wie Taehyung nachdenklich mit den Fingern über das Lenkrad fuhr.
„Was denkst du sollen wir jetzt tun?"
„Du wolltest doch eine gute Tat vollbringen."
„Aber das ist keine Spielerei. Stell dir vor Yeosang wäre nicht der Einzige. Ich sollte meinen Vater darauf ansetzen."
„Warum?"
„Wie warum?", fragte Taehyung verwirrt. „Weil es am sichersten ist, dass Seunghyun bekommt, was er verdient? Ein Fingerschnipsen und er sitzt hinter Gittern."
„Und du bleibst daneben stehen und hast nichts aus der Situation gelernt, außer dass Daddy schon alles richten wird."
„Was fällt dir eigentlich...", setzte Taehyung wütend an und drehte sich zu Jeongguk, doch der war nicht wirklich beeindruckt davon.
Es war vermutlich das erste Mal in Taehyungs Leben, dass er mit ernsthaften Problemen konfrontiert wurde und alles was er tat, war, es auf seinen Vater abzuwälzen? Kein Wunder, warum niemand ihn ernst nahm.
„Es wär nur so viel leichter zu sagen... hier ist der König. Wir haben Zeugen. Ergib dich", seufzte Taehyung und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
„Und was hast du davon?", fragte Jeongguk gereizt.
„Einen dankbaren Siebzehnjährigen?", schoss Taehyung zurück.
Ein paar Augenblicke lang war es still zwischen ihnen, bis Taehyung wortlos den Motor startete und Jeongguk seufzte.
„Wir wär's mit einem Kompromiss?"
„Und wie sähe der aus?"
„Wir versprechen Yeosang, dass wir hinter ihm stehen, damit er bei der Polizei aussagt. Dann schleichen wir uns in Seunghyuns Haus, jagen ihm einen ordentlichen Schrecken ein und lassen irgendwas Nettes mitgehen. Er hat es verdient."
Nervös trommelte Taehyung mit seinen Fingern auf dem Lenkrad, dann holte er tief Luft und nickte resigniert.
„Hast du einen Plan, was den zweiten Teil angeht?"
„So in etwa", grinste Jeongguk. „Aber erst einmal müssen wir herausfinden wo Yeosang wohnt. Er hat ein rotes Moped. Sollte in so einem Dörfchen also nicht schwer zu finden sein."
„Ich geh schon, Mama!", rief eine helle Stimme hinter der Tür.
Es war wirklich nicht schwer zu finden gewesen.
„Das ist er", raunte Jeongguk Taehyung zu und setzte sich die Sonnenbrille des Prinzen auf. In seiner Panik hatte Yeosang ihn vielleicht nicht erkannt, doch Taehyung und er hatten nach einer kurzen, aber heftigen Diskussion beschlossen, dass es trotzdem eindeutig sicherer wäre, wenn Taehyung sich zu erkennen gäbe als er. Die Fragen würden vermutlich deutlich kürzer und höflicher ausfallen.
Die Tür wurde so schwungvoll aufgerissen, dass sofort klar wurde, dass Yeosang jemand anderes erwartet hatte, als zwei seltsame Typen in Hoodie und Jogginghose wo von einer von ihnen eine spiegelnde Sonnenbrille trug. Um kurz vor elf. Nachts.
„Ähm... guten Abend", murmelte er verwirrt und Jeongguk machte einen Schritt vor, um sich vorzustellen, doch Yeosang hatte ihn schon erkannt und wollte gerade die Tür zu werfen, als Taehyung schnell einen Fuß dazwischen schob.
„Yeosang, bitte. Können wir nur kurz reinkommen und mit dir reden?"
„Liebes, wer ist denn da?"
„Mrs..." Jeongguk warf einen kurzen Blick auf das Klingelschild. „Kang?"
Die Tür wurde weit aufgerissen und Taehyung seufzte erleichtert auf. Eine kleinwüchsige, rundliche Frau mit einem breiten, herzlichen Lächeln stand im Rahmen und sah freudestrahlend zu Jeongguk und Taehyung auf.
„Was wünschen die Herren denn zu so später Stunde?", fragte sie höflich und sah neugierig von Jeongguk zu Taehyung, der sich jetzt langsam seine Kapuze vom Kopf zog, sodass das Licht der Straßenlaternen auf sein Gesicht fiel.
„Ich möchte, mich ein wenig mit Ihrem Sohn unterhalten, Mrs. Kang", sagte Taehyung ernst. „Prinz Taehyung", fügte er nach kurzem Zögern hinzu und verbeugte sich tief. „Wenn ich mich vorstellen darf."
Yeosangs Augen wurden ganz groß und er warf einen schnellen Blick auf Jeongguk, der sich bemühte bei Taehyungs Vorstellung nicht zu grinsen.
„Prinz...", hauchte Mrs Kang ehrfürchtig und machte ebenfalls eine tiefe Verbeugung bevor sie zur Seite trat und sie beide hereinführte.
Als Jeongguk Taehyung jedoch in das warme Haus folgen wollte, packte Yeosang ihn am Handgelenk und hielt ihn zurück.
„Das ist ein Witz, oder?", zischte er. Seine Augen waren noch immer genauso weit aufgerissen und füllten sich schon wieder mit Tränen. „Ich hab gesagt du sollst mich in Ruhe lassen. Ich krieg nur Ärger, wenn du dich einmischst. Und überhaupt... das ist niemals der Prinz."
„Google ihn", zuckte Jeongguk mit den Schultern. „Und bitte vertrau mir, wenn ich dir sage, dass dir nichts passieren wird. Wir werden dir helfen, aber dafür musst du uns ein bisschen entgegen kommen."
Man konnte sehen, wie unentschlossen Yeosang war, doch ein weiterer Blick auf Taehyung, der gerade dankend jedes Angebot von Tee und Keksen ablehnte, schien ihn letztendlich zu überzeugen.
„Eigentlich kann es gar nicht schlimmer werden", murmelte er resigniert und ließ Jeongguks Handgelenk los. „Komm mit."
Mrs. Kang führte sie ins Wohnzimmer, schaffte es jedoch erst die drei allein zu lassen, als Taehyung sie mit seinem charmantesten Lächeln darum bat. Jeongguk hatte noch nie in seinem Leben jemanden gesehen, der jemanden so höflich aus seinem eigenen Wohnzimmer geworfen hatte, doch irgendwie hinterfragte er bei dem Prinzen schon vieles nicht mehr.
„Also...", setzte er an und faltete die Hände. Taehyung saß auf dem einen Sessel, Jeongguk auf der Couch und Yeosang auf einem Klavierhocker, der eigentlich zu einem schwarzen Flügel gehörte. Das Haus war schön eingerichtet, warm, wohnlich. Es war die Art von Wärme, für die Jeongguk in der Wohnung seiner Eltern alles gegeben hätte. „Wir müssen alles wissen, was passiert ist, um dir zu helfen."
„Seunghyun hat gesagt, wenn ich damit zur Polizei gehe, wird er dafür sorgen, dass mich alle hier hassen werden."
„Wenn du damit erstmal zur Polizei gegangen bist, hat er vermutlich genug damit zu tun, seinen eigenen Ruf zu retten", widersprach Taehyung geduldig und Yeosang warf ihm einen scheuen Blick zu. Es war offensichtlich, dass er noch nicht ganz sicher war, was er von dem Prinzen halten konnte.
„V-vor einem Jahr hat ein Mädchen versucht sich zu wehren, aber er hat ihren Eltern erzählt, sie hätte versucht mit Sex an ein Praktikum in der Hauptstadt zu kommen. Sie hatte schon davor immer wieder ... Probleme in die Richtung gehabt und das hat bei ihren Eltern das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie haben sie rausgeworfen. Seitdem hat sie niemand mehr gesehen." Er holte zitternd Luft und Jeongguk unterdrückte das Bedürfnis aufzustehen und den Jungen in den Arm zu nehmen. „Seunghyun hat gesagt, wenn ich jemandem davon erzähle, wird... wird er dasselbe mit mir machen, was er mit ihr gemacht hat, nachdem ihre Eltern sie rausgeworfen haben."
Taehyung warf Jeongguk einen vielsagenden Blick zu und es war klar, dass sie an das selbe dachte.
Wie krank konnte dieser Mann noch sein?
„Technisch gesehen, hast du mir nichts davon erzählt, Yeosang", versuchte Jeongguk ihn zu beruhigen. „Und ganz ehrlich... die Info, die du jetzt hast, ist für ihn weitaus schädlicher, als er für dich sein könnte. Außerdem hast du, falls alle Stricke reißen, immer noch Taehyung hinter dir..."
Der Prinz nickte zustimmend und lächelte aufmunternd, auch wenn in seinen Augen gerade blanke Überforderung glänzte.
„Wir werden dir helfen", versprach Jeongguk sicher. „Noch heute Nacht."
Yeosang sah wenig überzeugt aus, doch trotzdem fing er langsam an zu nicken.
„Aber meine Mutter darf nichts davon erfahren. Sie wird mich hassen..."
„Sie wird dich nicht dafür hassen, dass du von einem Mann misshandelt und sexuell missbraucht worden bist", fiel Jeongguk ihm sofort ins Wort. Yeosang zuckte leicht zusammen und wischte sich schnell eine Träne aus dem Augenwinkel. „Bitte vertrau uns."
Es dauerte eine Weile bis Yeosang endlich nickte und wieder aufsah.
„Es tut mir Leid, Hoheit", murmelte er leise an Taehyung gewandt, doch der Prinz winkte rasch ab.
„Ich werde bald ein Versprechen geben, dass ich jeden Menschen in meinem Land achten und mich um ihn kümmern werde. Und du fällst darunter. Das ist eine Selbstverständlichkeit."
Yeosang lächelte schüchtern und wischte sich noch eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Fühlst du dich bereit uns jetzt noch ein paar Details zu dem Fall zu geben?", fragte Jeongguk leise und lächelte ebenfalls probehalber, um dem Jungen ein Gefühl von Sicherheit zu geben.
„Ja ähm... aber kannst du mir vielleicht vorher sagen, wer du bist? Irgendwie... verwirrt mich das ganze hier ein wenig. Erst du und dann... der Prinz." Er lachte nervös und senkte peinlich berührt den Blick auf seine Hände.
„Sicherheitschef. Jeon Jiyong ist mein Sicherheitschef", erklärte Taehyung und sah dabei so überzeugt aus, dass Jeongguk sich auf einmal ganz wichtig fühlte.
„Aha", machte Yeosang und musterte Jeongguk noch einmal, der sich ein wenig aufrichtete, damit seine Schultern breiter aussahen.
„Deswegen die Sonnenbrille?"
„Deswegen die Sonnenbrille."
„Aha", machte er nach einmal, wenig überzeugt.
Trotzdem fing er an zu erzählen.
Mittlerweile ist es mir echt egal, was Butter für ein Konzept bekommt... zwischen Dynamite, Fake Love und No more dream nehm ich echt alles... Hauptsache es kommt neue Musik
Songempfehlung des Tages:
Bonnie & Clyde [Yuqi]
♡