„Es ist ganz leicht."
„Nein, Taehyung, ich will nicht."
„Versprochen."
„Yoongi hat mich davor gewarnt."
„Oh, ihr redet über mich, wenn ich nicht dabei bin?"
„Klar. Die ganze Zeit. Wir lästern immer über deine Nase."
„Was ist mit der?"
Sofort fasste Taehyung sich an seine Nase, was Jeongguk zum Lachen brachte und den Prinzen beleidigt das Gesicht verziehen ließ.
„Dafür musst du jetzt..."
„Nein, wirklich nicht", flehte Jeongguk und klammerte sich am Bartresen fest, während Taehyung an seiner Hand zog. „Ich bin bestimmt absolut unbegabt in sowas. Meine Freunde tanzen Ballett und Hip Hop. Ich hätte mir fast was gebrochen, als sie versucht haben mir eine Choreo beizubringen."
„Es sind Standard- und lateinamerikanische Tänze. Wenn du dir da was brichst, bin ich schwer beeindruckt." Verschmitzt grinsend ließ Taehyung von seiner Hand ab, um sich direkt vor ihn zu stellen.
„Und wenn schon... ich krieg meine Beine einfach nicht koordiniert. Es geht einfach nicht. Physikalisch nicht möglich."
„Wenn du genauso gut mit deinen Beinen umgehen kannst, wie mit deinen Händen, dann klappt das schon." Taehyung legte eine Hand auf seine Schulter und den Kopf schief, um Jeongguk einen so traurig bittenden Blick zuzuwerfen, dass er laut seufzte.
„Es tut mir leid, Yoongi. Ich hab alles versucht", rief er mit Blick nach oben, ließ von seinem Glas ab und sich von dem Barhocker heruntergleiten.
Sie hatten die Cocktailkarte gefunden und angestoßen. Mehrmals.
Er selbst war dadurch ein wenig müde geworden, doch sobald sie das Thema Tanz angeschnitten hatten, war Taehyung voll und ganz dabei gewesen. Eigentlich süß, wie sehr er sich freute, wenn er davon erzählte.
„Ich bin aber wirklich schlecht..."
„Kein Problem, dann hab ich was zu lachen", grinste er und zog Jeongguk zu der freien Fläche vor dem Bartresen, der vermutlich tatsächlich für Tanzeinlagen bestimmt war. Aus den Lautsprechern tönte noch immer Musik und Jeongguk warf einen letzten, verzweifelten Blick zu Shuhua, die jedoch nur unbeteiligt Gläser polierte und sie beide ignorierte.
„Willst du der Mann oder die Frau sein?"
„Wenn's ums Tanzen geht, dann lieber die Frau", meinte Jeongguk und ließ von Taehyung seine Arme platzieren, der auf die Anspielung gar nicht einging.
„Muss ich mit Walzer anfangen? Eigentlich passt zu dem Lied eher ein Tangoschritt."
„Mach, was du denkst. Ich bin schnell im Lernen. Das Einzige, was meistens nicht funktioniert, ist die Umsetzung."
„Oh, das kriegen wir hin", versprach Taehyung selbstsicher und begann Schritt für Schritt Jeongguk zu erklären, wie er seine Füße zu bewegen hatte.
In diesem Moment fühlte er sich an den Abend in Hoseok's und Jimin's Tanzstudio versetzt. Hoseok hatte sich eine neue Choreografie ausgedacht, die er Jimin und ihm beibringen wollte. Er hatte es einmal vorgetanzt und dann nach und nach die Schrittabfolge erklärt, nur um es dann noch einmal in gleicher Geschwindigkeit zu tanzen. Jimin hatte es hinbekommen. Jeongguk hatte den ganzen Abend üben müssen, um es auf die Reihe zu bekommen ohne dabei auszusehen, wie ein sterbender Krake.
Taehyung erklärte anders. Taehyung erklärte jeden Schritt und wiederholte die ganze Abfolge von vorn sobald etwas Neues dazu gekommen war. Und trotz des Alkohols in seinem Blut konnte Jeongguk sich wunderbar auf seine Anweisungen konzentrieren und diese ausführen.
Überrascht davon wie schnell er den Grundschritt gelernt hatte, sah er zu ihm auf und lächelte.
„Yoongi meinte, dass er nicht mehr laufen konnte, als du ihm das beigebracht hast. Aber an sich, ist es ja echt einfach..."
„Du kannst ja bisher auch nur die Grundschritte. Eigentlich tanzt man es so..."
Mit einem diabolischen Grinsen zog Taehyung Jeongguk ganz dicht zu sich ran, bis er seinen Herzschlag an seiner Brust spüren konnte und beschleunigte die Schrittabfolge, bis sie dem Takt angepasst waren.
Verzweifelt konzentrierte Jeongguk sich darauf mit Taehyung mitzuhalten, doch irgendwie machte er noch ganz andere Bewegungen, als er ihm vorhin gezeigt hatte.
„Was zur Hölle machst du da mit deiner Hüfte?", fragte er irgendwann verbissen und versuchte aufzusehen, doch Taehyung hielt ihn weiterhin dicht an sich gezogen. „Und ich mein... dein Aftershave riecht wirklich gut, aber kannst du mich wenigstens ein bisschen loslassen? Ich muss meine Füße sehen, sonst..."
Taehyungs tiefes Lachen an seinem Ohr verursachte ihm eine Gänsehaut und er verlor den Takt. Hilflos versuchte er mit seiner Bewegung Schritt zu halten und nahm im Hintergrund war, wie die Musik sich steigerte, bis sie ihren Schlusspunkt erreichte und Taehyung ihn fester am Rücken packte und nach hinten sinken ließ.
Erst als das nächste Lied anfing ließ er ihn los und Jeongguk sank komplett außer Atem auf den Boden.
„Das war versuchter Mord", keuchte er und atmete tief ein und wieder aus, um seinen schnellen Herzschlag zu beruhigen. „Ich hoffe hier sind Kameras, die das aufgezeichnet haben."
„Ich hoffe auch. Bis auf, dass du steif wie ein Brett warst, hast du dich echt ganz gut geschlagen. Yoongi war nach einem schnellen Walzer so fertig, wie du jetzt", grinste Taehyung und hockte sich neben ihn auf den Boden, um ihm eine Hand hinzuhalten.
Dankbar ergriff Jeongguk sie, doch statt dass Taehyung ihn zurück auf die Beine zog fiel sein Blick auf etwas anderes.
„Du trägst es?"
„Was?"
„Mein Armband." Mit der anderen Hand schob er Jeongguks Ärmel hoch und fuhr zärtlich über das schwarze Band mit dem violetten Stein. Schnell zog Jeongguk seinen Arm weg. Er wusste, dass es ein Fehler gewesen war, das Ding heute anzuziehen, doch vor ein paar Stunden war es ihm noch wie eine Respektbekundung vorgekommen. Jetzt war es einfach nur unangenehm.
Vor allem da Taehyung anfing siegessicher zu lächeln.
„Äh... ja, ich dachte mir..."
„Ja?"
„Nichts... eigentlich dachte ich mir nichts dabei. Tut mir Leid."
„Alles gut. Ich find's nur toll, dass du es immer noch nicht weggeworfen hast. Vor allem wenn man bedenkt, dass es die Idee von meinem Vater war dir was zu schenken." Er verdrehte die Augen. „Frei nach dem Motto... jede Frau liebt Geschenke, warum dann nicht auch du."
„Die Jacke war der Grund warum ich abhauen wollte", gab Jeongguk zu und grinste. „Wenn du das nächste Mal versuchst jemanden anzubaggern, dann mach es lieber ein wenig dezenter. Ich weiß auch so, dass du viel Geld hast."
Taehyung schwieg, als würde ihm diese Aktion gerade erst richtig unangenehm werden, und Jeongguk musste lächeln, als er es sah.
„Was nicht schlimm ist", setzte er nach und schloss seine Finger um Taehyungs Hand. „Ich... find es nur nach wie vor so... surreal, dass ich um ein Haar einen Sugar Daddy bekommen hab."
„Sugar Daddy?"
„Alte, reiche Säcke, die das Leben einer hübschen, jungen Frau finanzieren, welche im Gegenzug mit ihm schläft."
„Ich bin nicht alt", meinte Taehyung sofort und verzog das Gesicht. „Und ich würde dich nie zu etwas zwingen, was du nicht willst. Hätte ich auch nicht, wenn wir echt geheiratet hätten. Ob du es glaubst oder nicht... ich wurde zum Gentleman erzogen. Allerdings wäre ich jetzt auch echt dankbar, wenn du endlich aufstehst. Meine Füße schlafen ein."
Jeongguk lachte leise und zog sich zurück auf die Beine. Der Alkoholpegel in seinem Blut machte sich bemerkbar und er schwankte kurz zur Seite. Schnell griff Taehyung nach seinem Arm.
„Ist alles gut?"
„Ja, klar. Kurzer Schwächeanfall. Ich bin ein bisschen müde... irgendwie."
„Sicher?"
„Ja, keine Sorge", lächelte Jeongguk und schob Taehyung von sich, als dieser nicht aufhörte ihm kritische Blicke zuzuwerfen.
„Ich fand den Abend echt schön", versicherte er mit einem schnellen Blick auf die Uhr. Fast halb zwölf. Wie zur Hölle hatten sie so viel Zeit totschlagen können?
„Ich auch. Und ich... äh... ich hab noch was für dich."
„Was denn?"
„Überraschung. Aber du müsstest kurz noch einmal mitkommen, bevor ich dich hoch bringe, okay?"
Jeongguk nickte, unsicher über den plötzlichen Stimmungswandel des Prinzen.
Trotzdem folgte er ihm ohne zu zögern in die Richtung der Zimmer.
„Warum ist dein Zimmer so viel cooler als meins?", fragte Jeongguk neidisch, als Taehyung ein gedämpftes Licht anschaltete und in sein Reich eintrat. Sein Zimmer war sehr viel größer, als Jeongguks mit einem vernünftigen Doppelbett in der Ecke und einem komplett in violett gehaltenen Design. Pflanzen standen auf einem Regalbrett und Blumen säumten die lange Fensterfront bei der man sich weitaus mehr Mühe gemacht hatte, als bei ihm im Zimmer. Die Tür zum Bad war geschlossen.
„Wir können tauschen, wenn du willst. Ich bin eh nur einmal in der Woche hier, um zu gucken, ob du mal wieder Mist gebaut hast", zuckte Taehyung mit den Schultern und trat an seinen Schrank heran, um einen dünnen Stapel an gefalteten Klamotten herauszunehmen.
„Nein, alles gut. Ich mag mein Zimmer. Außerdem hat man eine bessere Aussicht auf den Hof", wimmelte Jeongguk das Angebot schnell ab und schob die Tür hinter sich zu. „Ich will es dir ja nicht wegnehmen."
„Du nimmst es mir nicht weg", lächelte Taehyung und kam wieder auf Jeongguk zu. In der Hand hielt er das gefaltete T-Shirt und die Jogginghose, die er sich letztes Mal ausgeliehen hatte. „Ich hab's im Schloss waschen lassen. Unser Weichspüler ist ein bisschen weniger penetrant."
„Das... das hättest du nicht machen müssen", murmelte Jeongguk überrascht. „Ich hätte sie nicht einmal vermisst, wenn du sie behalten hättest..."
Was eine Lüge war.
„Alles gut. Das war kein sonderlich großer Aufwand. Und irgendwie war ich dir das schuldig, nachdem..." Er stockte als Jeongguk ihm die Klamotten abnehmen wollte und sich ihre Hände berührten.
„Nachdem...?"
„Nachdem du..."
Es war faszinierend, dass Taehyungs Hände selbst in so einer Situation nicht wärmer geworden waren, doch Jeongguk zuckte nicht zurück. Im Gegenteil.
Er hielt den Stoff fest umklammert und jede Berührung von Taehyungs Hand an seiner brannte wie Feuer.
Er hatte den Prinzen abfüllen und verwirren wollen, um sich sicher zu sein, dass der letzte Freitagabend wie jeder andere Freitagabend gewesen war.
Blöd nur, dass er bei diesem Plan nicht an sich selbst gedacht hatte.
Beinahe zeitgleich ließen sie den ordentlich gefalteten Stoff zu Boden fallen und Taehyung machte einen Schritt auf ihn zu, sodass er sich erneut in der Situation von vorletzter Nacht befand. Mit dem Rücken zur Wand und dem Blick auf einen Mann, der allein an einem Abend noch zehnmal attraktiver geworden war. Dabei stand Jeongguk nicht einmal auf schlanke, ernste Schönlinge.
Nervös machte er einen Schritt zurück und kam mit dem Ellbogen gegen den Lichtschalter. Taehyungs Kopf wurde zu einer schwarzen Silhouette, doch er erschrak nicht, sondern ließ sich einfach nur von dem Prinzen führen, wie er ihn gerade eben auf der Tanzfläche geführt hatte.
„La nuit tous les chats sont gris", wisperte er heiser und Jeongguk fuhr ein Schauer über den Rücken.
„Ich wünschte, ich könnte Französisch", antwortete er genauso leise und versuchte in der Dunkelheit auszumachen, wo Taehyungs Lippen waren. Diese wunderschönen Lippen, die er gerade um jeden Preis der Welt noch einmal küssen wollte.
Verdammt, was hatte er nur getan...
„In der Nacht sind alle Katzen grau", übersetzte Taehyung und fuhr mit einer Hand über Jeongguks Wange. „Passend, oder?"
„Nur wenn du es noch einmal genauso sagst, wie gerade eben."
„La nuit tous les chats sont gris", hauchte der Prinz und Jeongguk gab sich dem zweiten, besten Kuss seines Lebens hin.
Weirde Tanzszenen, Mittelstufen Französisch und Easter Eggs... die Merkmale meiner Storys sind hiermit erfüllt
Wie war eure Woche so?
Songempfehlung des Tages:
Sunny Side Up [Red Velvet]
♡