~Kapitel 29~

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Nachdem er mir an diesem Morgen mehrere Male versucht hatte davon abzuhalten, saßen wir nun tatsächlich in seinem Auto und fuhren zu der Adresse, die Aaliyah ihm in ihrem Brief aufgeschrieben hatte.

Meine Sommerferien liefen mittlerweile seit mehr als 3 Wochen und auch unser Streit lag nun schon einige Tage zurück. Glücklicherweise war bereits am nächsten Morgen wieder alles wie zuvor.
Er war nicht mehr sauer wegen des Briefes und ich im Gegenzug auch nicht mehr wegen seiner Betrunkenheit bzw. den Sachen, die er in diesem Zustand gesagt hatte. Wir strichen es einfach aus unseren Gedanken und das war mir auch verdammt recht so.

Die letzten Tage waren trotzdem eine Berg - und Talfahrt, weil er beinahe jede Stunde eine andere Meinung zu dem Vorhaben, zu seiner Familie zu fahren, hatte.
Im einen Moment war er entschlossen, im nächsten bekam er Angst und gleich darauf folgten Wut und Trauer. Und ich konnte ihn dabei wirklich verstehen, es war nunmal verdammt nervenaufreibend, trotzdem war ich fest davon überzeugt, wie würden das Richtige tun.

Und sollte er nach diesem Ausflug doch fallen, würde ich ihn auffangen. Bildlich gesprochen natürlich, denn auffangen könnte ich ihn wohl nicht tatsächlich, er würde mich eher platt drücken.

"Soll ich die restliche Strecke fahren, Baby?", fragte ich irgendwann, nachdem wir bereits mehrere Stunden unterwegs waren. Es waren nur noch knapp 50 Kilometer, bis wir unser Ziel erreicht hatten und mit jedem Meter wurde mein Freund nervöser und unruhiger. Es war gleichsam ungewohnt, wie auch bedrückend zu sehen, was er vermutlich gerade durchmachte. Und noch dazu war er am Autofahren und ich glaubte nicht, dass dies eine so gute Kombination war.

"Du meinst, damit wir sterben bevor wir dort ankommen? Halte ich gerade für eine durchaus überlegenswerte Alternative", brummte er zum Teil angespannt, zum Teil versuchte er auch seine scherzhafte Art aufrecht zu erhalten. Er wollte mich nicht merken lassen, was in ihm vorging. Doch das durchschaute ich auch ohne jedes Wort von ihm.

"Das, mein Lieber, war eine absolut überflüssige und mitten ins Herz treffende Bemerkung. Ich glaube mein Fahrlehrer macht einen guten Job und ich wäre durchaus in der Lage uns sicher ans Ziel zu bringen!", spielte ich jedoch mit und versuchte ihm dadurch ein leichtes Gefühl von Lockerheit zu vermitteln.

"Oh jetzt bin ich also schon dein Lehrer? Wieso finde ich das unglaublich heiß?", harkte er provokant nach und ich verdrehte sofort die Augen. Natürlich musste eine dämliche Bemerkung von ihm kommen, so war er nunmal und so liebte ich ihn.

Außerdem war es zudem die Wahrheit, er brachte mir das Fahren in den letzten Wochen endlich anständig bei. Klar hatte er es mir in der Vergangenheit hin und wieder versucht zu zeigen und ich bin hin und wieder ein paar Meter gefahren, doch seit ein paar Wochen üben wir regelmäßig und ich bekam so langsam ein Gefühl für Autos.

"Weil du ein Idiot bist", antwortete ich schlicht und spürte kurz darauf seine Hand auf meinem Oberschenkel und seine Finger, die sich fest in meine Haut drückten. Anschließend wanderte er immer weiter hoch und ich konnte ihn gerade noch, mit einem Schlag auf seine Hand, davon abhalten, meine Mitte zu erreichen.

"Konzentrier dich auf die Straße!", tadelte ich, während ich trotzdem lachen musste und konnte sehen, wie er leicht zu schmunzeln begann.

Die letzten Meter, bis wir die Straße erreichten, in der seine Mutter und seine Schwester zu wohnen schienen, waren die absolute Hölle. Shawn kannte keine Verkehrsregeln mehr, überfuhr beinahe eine rote Ampel und gurkte mit knappen 30 Km/h durch die Gegend.
Ich war also heilfroh, als das Auto zum Stehen kam und wir auf ein kleines, aber reizendes Vorstadthäuschen blickten.
Ich stieg sofort aus und musterte die Gegend, während mein Freund im Auto blieb und mit starr nach vorne gerichtetem Blick noch immer das Lenkrad in der Hand hielt.

Natürlich war ich ebenso nervös, immerhin bestand tatsächlich eine geringe Chance, dass die Beiden anders reagierten, als ich es mir für ihn wünschen würde. Doch nur darüber nachzudenken brachte uns nicht weiter und ich wollte das Ganze so souverän wie möglich mit ihm durchstehen. Also ignorierte ich mein pochendes Herz, ging um das Auto herum und öffnete die Fahrertür, um Shawn beobachten zu können.

"Möchtest du rein gehen?", fragte ich sanft und er schüttelte tonlos den Kopf. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest hatte er das Lenkrad umgriffen. Auch seine Kiefermuskulatur zeichnete sich hart ab und zuckte hin und wieder.

"Sollen wir nach Hause fahren?", harkte ich also weiter nach, denn obwohl wir Stunden unterwegs waren und ich mir so sehr wünschte, dass er seine Familie wieder sah, würde ich ihn nie dazu zwingen und auf der Stelle wieder umdrehen, wenn er das wollte. Doch wieder schüttelte er den Kopf und ich biss mir ratlos auf die Lippe.

"Okay pass auf. Ich setz mich wieder ins Auto und sobald du irgendetwas machen möchtest, können wir das tun, okay? Und wenn nicht, bleiben wir einfach nur sitzen", schlug ich vor und er sah endlich zu mir rüber.

Bei der Leere in seinen Augen taumelte ich beinahe einen Schritt zurück. Nicht nur, dass sich Tränen in ihnen gestaut hatten, sie sprachen gleichzeitig so viel und so wenig und es war der erste Moment in dem ich wirklich das Gefühl hatte, mitten in seine Seele blicken zu können.
Und was ich sah ließ mein Herz erschüttern. Angst, Zweifel, Trauer, Verletzlichkeit, pure Panik, er ließ mich alles sehen und obwohl es unglaublich weh tat, war dies der schönste Liebesbeweis den er mir hätte machen können.

Eine einzelne Träne verließ sein Auge und ich beugte mich zu ihm, um sie mit meinem Daumen aufzufangen. Dann legte ich meine Stirn an seine und schloss die Augen, wünschte mir, ich könnte ihm durch diese Geste irgendwie die zerstörenden Gedanken und die Angst aussaugen. Er atmete tief aus, sein Atem zitterte.

"Ich bin hier", flüsterte ich und hielt sein Gesicht mit meinen Händen umfasst, streichelte seinen Nacken sanft mit meinen Daumen. Es konnte Einbildung sein, doch ich dachte, sein Herz bis zu mir schlagen zu hören.

Seine Hände fanden meine Taille und er zog mich langsam auf seinen Schoß, um sein Gesicht in meiner Halsbeuge verstecken zu können und sich an mir festzuhalten. Ich streichelte nun seinen Rücken mit der einen und seinen Kopf mit der anderen Hand, ließ zu, dass sich seine Hände beinahe schmerzhaft um mich schlossen, denn er brauchte das. Und es war mir eine unglaublich Ehre sein Anker sein zu dürfen.

Eine ganze Weile saßen wir stumm in seinem Auto und umklammerten einander, bis er den Griff um mich lockerte und den Kopf von meiner Schulter anhob. Wir sahen uns gegenseitig in die Augen und ich lächelte ihm aufmunternd zu, bevor er mir einen hauchdünnen Kuss auf die Lippen drückte.

"Wir können rein", sprach er schließlich und es folgte wie so oft eine stumme Konversation über unsere Blicke. Ich gab ihm zu verstehen, dass er alle Zeit der Welt hatte, wenn er nicht bereit war. Doch er antwortete, dass er sich bereit fühlte.

Also stiegen wir gemeinsam aus, schlossen das Auto und gingen Hand in Hand langsam auf den Eingang des kleinen Einfamilienhauses zu. Davor blieben wir stehen und warteten. Ich wollte nicht einfach klingeln oder ihn zu irgendwas drängen. Doch als er mich bat, für ihn zu klingeln, war ich beinahe erleichtert, dass es nun kein zurück mehr zu geben schien.

+++
Was meint ihr, wie es weiter geht? Wie wird seine Familie reagieren?

Und ich hab mal wieder nicht auf die Rechtschreibung geachtet, I'm sorry :D



S.M.|| Saints - A Shawn Mendes FanfictionWhere stories live. Discover now