~Kapitel 11~

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Ich wollte mich gleich bei euch für die vielen Kommentare beim letzten Kapitel bedanken, das bedeutet mir richtig viel und ist die beste Motivation weiter zu machen ❤️
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"Ich steh es mit dir durch. Dafür ist die Familie da", antwortete er kühl und trotzdem lösten seine Worte extrem viel Wärme in mir aus.
Er hatte mir schonmal gesagt, dass ich zur Familie gehörte und auch damals hat es mir viel bedeutet.
Doch gerade eben sah er mich an meinem tiefsten Punkt und selbst da zählte er mich noch zur Familie.

"Willst du drüber reden?", harkte er nach, nachdem ich eine Weile nichts dazu gesagt hatte. Ich schüttelte langsam den Kopf und trank nochmal einen Schluck.

"Willst du mir zuhören? Ich erzähle dir was", schlug er nun vor und ich sah kurz zu ihm rüber, weshalb auch er den Kopf drehte und wir uns einen Moment lang ansahen.

Ich nickte dankend.

"Gut, dann erzähle ich dir jetzt, wieso ich hier gelandet bin. Mach dich gefasst auf eine absolut spannende Story, ich würde dir ja Popcorn anbieten aber du kotzt es sowieso wieder aus", merkte er an und grinste kurz, bevor er seine Hände nervös knetete.

Er überspielte offensichtlich nur, dass es ihm schwerfiel darüber zu reden. Und es bedeutete mir unglaublich viel, dass er es trotzdem tun wollte.

"Mein Vater hat meine Mutter verlassen, als sie schwanger mit mir war, ich hatte also nie einen Dad. Und als ich fünf geworden bin, hat mir meine Mutter das schöne Geschenk beschert, sich in der Badewanne die Pulsadern aufzuschneiden", begann er zu erzählen und ich sog erschrocken die Luft ein, krallte meine Fingernägel in die Haut an meinen Beinen.
Natürlich konnte ich mich in eine derartige Lage nicht versetzen, doch allein der Gedanke daran, irgendjemanden in diesem Zustand aufzufinden, ließ es mir eiskalt den Rücken runter laufen.

"Ich bin dann ins Heim gekommen, hab aber ziemlich schnell eine Pflegefamilie bekommen. Zwei verfickte Arschgeigen kann ich dir sagen. Sie haben mich missbraucht, sowohl meine Pflegemutter, als auch mein Pflegevater. Nicht nur mich, meine Geschwister auch, meine Pflegegeschwister meine ich.
Ich war elf Jahre dort Nova, ich weiß wie du dich fühlst. Ich war nur ein Kind und sie haben mich benutzt wie ein Gegenstand. An Vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, an Anderes noch viel zu gut. Berührungen machen mir bis heute Angst, weißt du? Manchmal versetzt mich ein Händedruck in Panik", er lachte humorlos auf, als wäre das Alles total lächerlich, dabei brannte mir das Herz beim Zuhören dieser Geschichte.
Ich war viel zu erschrocken, um irgendetwas sagen zu können. Vielleicht sollte ich aber auch garnichts sagen.

"Ich weiß ich reiße unglaublich viele anzügliche Witze aber ich hab bis heute nicht mit einer Frau geschlafen", erzählte er und ich traute mich endlich wieder ihn anzusehen.
Das hatte ich absolut nicht erwartet.

Alles, aber nicht, dass ausgerechnet Cameron und ich uns so ähnlich waren, was unsere Vergangenheit betraf. Und es stimmte, er machte andauernd anzügliche Bemerkungen oder Witze aber erst jetzt wurde mir bewusst, dass er die bösen Gedanken damit vermutlich versuchte auszusperren.

"Es tut mir so leid", hauchte ich ehrlich und kam mir dabei trotzdem schäbig vor.
Meine Worte waren so nutzlos gegen das, was er erlebt hatte. Ich wünschte, ich könnte mehr für ihn tun, als diese lächerlichen Worte bereit zu haben. Andererseits traute ich mich gar nicht mehr zu sagen.

"Ich bin mit 16 abgehauen und bei Shawn gelandet. Ich war ziemlich verschlossen, absolut nicht der Mann, der ich heute bin.
Zuerst habe ich beinahe ein Jahr lang kaum gesprochen und mich nur zum Training überzeugen lassen. Es war Alles was ich konnte, die Wut aus mir herausprügeln. Und das hat geholfen, aber wenn die Wut erstmal weg ist, bleibt mehr Platz für die Trauer", erzählte er und gab damit exakt das wieder, was ich erst heute Mittag nach dem Training gedacht hatte.

"Wie bist du die Trauer losgeworden?", harkte ich leise nach und hoffte, ihm damit nicht zu nahe zu treten.
Aber wenn Cameron es geschafft hatte, bestand für mich vielleicht auch noch eine Chance. Immerhin schien er sein Leben in den meisten Fällen im Griff zu haben und mehr wollte ich gar nicht.

"Ich hab erzählt, was passiert ist. Hab mich immer mehr geöffnet und durch die Reaktionen der Jungs gelernt, dass nichts falsch ist mit mir. Dass ich deshalb nicht weniger wert bin und nicht ich mich schämen sollte, sondern meine Pflegeeltern.
Nichts geht von heute auf morgen aber ich habe gelernt damit umzugehen. Indem ich gesprochen habe. Alles für dich zu behalten ist wie ein Gift, dass dich von innen zerfrisst, Nova", sagte er und ich verstand die versteckte Bitte darin klar und deutlich.

Er legte mir nah, über das zu sprechen, was passiert war. Nur so würde die Zeit meine Wunden heilen können.

"Ich.. I-ch weiß nicht wie..", murmelte ich beschämt und senkte den Blick.

"Das kann ich dir auch nicht sagen. Aber ich weiß, dass Shawn in genau dem Moment da sein wird. Ich vertraue dir, du bekommst das hin. Wenn ich das schaffe, dann du doch wohl locker", sagte er nun entspannter und lächelte mich neckend von der Seite an, was auch mir ein sanftes Lächeln ins Gesicht zauberte.

"Es tut mir alles so unfassbar leid, Cam. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es bedeutet mir viel, dass du mir all das anvertraut hast. Das zeugt von so viel Stärke. Danke", sagte ich noch immer angeschlagen und er nickte nur leicht lächelnd.

"Wir wollen jetzt mal nicht sentimental werden. Geht's dir denn besser? Denkst du, du kannst weiterschlafen?", wollte er wissen und ich erhob mich vorsichtig, hielt mich dabei an der Badewanne fest und ging zum Waschbecken um mit einer Mundspülung zu gurgeln.

Ich fühlte mich wirklich viel besser und nickte schließlich, nachdem ich mich wieder zu Cam gedreht hatte.

Unsicher ging ich auf ihn zu und umarmte ihn kurz, als Zeichen meiner Dankbarkeit. Er legte ebenfalls einen Arm um mich und drückte mich kurz, bevor er wieder loslies.

Das aprubte Ende unserer Konversation war für ihn vermutlich bitter nötig und ich würde jetzt nicht noch grundlos in der Wunde herumstochern, wenn er mir schon von allein so viel anvertraut hatte.

"Dann geh wieder ins Bett, ich muss echt pissen", gab er in seiner üblichen Tonlage von sich und ich kicherte kurz, bevor ich das Bad verließ und zurück ins Schlafzimmer schlich.

Ich wünschte, ich könnte eines Tages auch so stark sein, wie all meine Freunde hier. Wie meine Familie.
Keiner dieser Menschen hatte es nur im Ansatz leichter als ich und trotzdem führten sie ein gutes Leben, konnten schöne Momente genießen und die Vergangenheit zum Teil verarbeiten. Das ist Alles was ich mir je wünschen könnte.

Als ich mich ins Bett legte, begann Shawn sich unruhig zu bewegen und öffnete schließlich die Augen, musterte mich skeptisch. Ich lächelte ihn sanft an, wobei er das in der Dunkelheit vermutlich gar nicht sehen konnte.

"Wo warst du?", wollte er mit rauer Stimme wissen.

Ich legte mich neben ihn, drehte mich in seine Richtung und rückte näher an ihn heran. Er wirkte überrascht, sagte jedoch nichts.
Im Augenblick machte mir seine Nähe keine Angst, sie strahlte ruhige Wärme aus, die ich bitter nötig hatte. Er war mein Anker, was auch kommen wolle.

Ich rutschte noch ein Stück heran und kuschelte mich an seine Brust, woraufhin er sanft eine Hand an meiner Taille ablegte, ganz sanft als hätte er angst, ich würde mich gleich wieder zurückziehen. Doch heute nicht.

"War nur kurz im Bad", behauptete ich und drückte einen kurzen Kuss auf seinen Hals, bevor ich mich wieder an ihn kuschelte und kurz darauf erschöpft, jedoch ruhiger einschlief. 

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Was denkt ihr über Cameron's Background Geschichte? Und wann und wie wird sich Nova überwinden und über alles reden?

S.M.|| Saints - A Shawn Mendes FanfictionWhere stories live. Discover now