* Hundert Lichter *

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Ich deckte den Tisch ab, packte die Wurst und den Käse in den Kühlschrank und kaum drehte ich mich wieder rum, war Lukas auch schon wieder weg. Ich schüttelte für mich mit dem Kopf und konnte mir nicht erklären, wie er heute drauf war. Alles war merkwürdig, dennoch war er aber auch normal, wenn wir zusammen waren. Ich verstand die Welt nicht mehr so wirklich.
Ich stellte mich ans Küchenfenster und beobachtete die Sonne, wie sie langsam immer roter wurde und ganz langsam hinter den Bäumen untergehen wollte. Die Sonnenstrahlen, die sich durch die Äste kämpften, blendeten mir im Gesicht, doch ich fand es schön und den Tag äußerst gelungen.
Es fing an hinter mir zu klimpern, sodass ich mich umdrehte und da stand nun Harry vor mir, mit seiner Leine in der Schnauze, die er dann ganz provokativ vor mir ablegte.
"Och wirklich? Es wird doch schon dunkel...", sagte ich zu ihm. Eigentlich war es garnicht seine Zeit noch einmal Gassi zu gehen. Doch konnte man diesem großen, verknautschten Gesicht etwas abschlagen? Erschwerend kam hinzu, dass nun auch noch Lukas, der plötzlich wieder auftauchte, mir auch einredete, dass die Nacht ja schön klar werden würde und man tausende Sterne flimmern sehen würde. Außerdem wäre ja Vollmond und von daher würde es ja nicht so dunkel sein.
Ich konnte einfach nicht Nein zu meinen beiden Männern sagen. Kurios war es ja eigentlich schon, dass Lukas bereits eine Jacke an hatte, doch wieso, das werde ich euch gleich noch aufklären. Auch ich pellte mich nun in eine, stattete mich mir der Leine aus, die noch in der Küche lag, während Lukas noch schnell die Batterien der Taschenlampe wechselte. Ich fühlte mich ein wenig, wie auf Klassenfahrt vor zwanzig Jahren, als wir zur Nachtwanderung aufbrachen. Es wäre einfacher gewesen durch das beleuchtete Dorf zu laufen, doch Lukas bestand darauf, dass wir den Wald unsicher machen sollten. Wir hätten ja schließlich unseren Lieblingsplatz noch nie im Dunkeln gesehen. Schon komisch, dass mir das damals so wenig komisch vorkam. Es war bestimmt meiner guten Tagesstimmung geschuldet, dass ich jeden Mist mit machte.
Wir liefen durch unser hinteres Gartentor und die Nachtwanderung konnte beginnen. Es war tatsächlich nicht sehr angsteinflösend. Den Weg hatten wir schon so oft hinter uns gebracht, sodass wir jede Wurzel und jeden Stein kannten, der zur Stolperfalle werden könnte.
Es hatte schon was beruhigendes so ein dunkler Wald. Ein Uhu schrie ununterbrochen, doch den kannten wir schon, denn wir hörten ihn auch immer in unserem Schlafzimmer, sodass sein Schrei nicht so angsteinflösend war, wie es für andere rüber gekommen wäre.
"Guck mal da oben ist der große Wagen...", sagte Lukas und zeigte in den Himmel. Genau da fing der Plan der nächsten Zeit an. Er suchte nur kurz eine Ablenkung für mich, so weiß ich das heute, um Harry etwas um den Hals zu hängen. Lukas wusste, ich lasse mich auf solche Suchspiele gerne ein und meine Augen jagten über das Himmelszelt, um das Sternenbild zu finden, was ich nach kurzer Zeit auch tat.
Ich erfreute mich an dem funkeln der Sterne, bis ich dann eine kalte, feuchte Hand an meiner spürte, die endlich weiter laufen wollte.
"Ist dir kalt?", fragte ich Lukas und er verneinte es. Nein, war ihm wirklich nicht, wie ich es jetzt auch weiß. Er war einfach nur aufgeregt und selbst gespannt, ob sein Plan, den er rein telefonisch abgeklärt hatte, aufgehen würde.
So langsam kamen wir zu dem Hügel, der direkt an unserem Teich war. Es waren nur noch zwei, drei Schritte entfernt, dass man das Wasser glitzern sehen konnte. Lukas stoppte einen kleinen Moment und sagte leise: "Tut mir leid..."
Ich hatte keine Möglichkeit mehr zu fragen, was er damit meinte, da zog er mich schon auf die Kuppe des Hügels und bei dem Anblick verschlug es mir die Sprache. Jetzt wusste ich, wieso er sich entschuldigte. Romantik war nicht mein Ding, doch was ich da sah, gefiel mir dann schon. Der kleine Teich war besiedelt von hunderten Schwimmkerzen, die langsam vor sich hintrieben und den Teich zum funkeln brachten. Es war wunderschön. Doch es sollte ja noch weiter gehen...

Ich stand also wie angewurzelt da und bestaunte die ganzen Kerzen mit einem grinsen auf dem Gesicht, ich war so fixiert auf dieses Bild, was sich mir da bot, dass ich garnicht mitbekam, was neben mir von statten ging. Lukas zog sich anscheinend die Jacke aus und positionierte Harry mit einem Fingerzeig neben sich.
Als ich mich dann endlich in seine Richtung drehte, kniete er auf der nassen kalten Erde und Harry saß daneben. Durch den Vollmond erkannte man alles ziemlich gut. Lukas hatte unter seiner Jacke ein Sacko und ein weißes Hemd an und damit er und Harry ein Accessoire gleich hatten, trugen beide eine Fliege um den Hals.
Mein Gesicht erstarrte und mein Herz pocherte wie wild, als ich die beiden so sah. Er nahm meine Hand und fing an zu reden:
"Lilly, ich weiß, du wolltest nie etwas romantisches und es ist okay, wenn du mir nun ein wenig sauer bist, doch das ist mir egal. In meinen Vorstellungen habe ich diesen Moment immer romantisch durchlebt und nicht irgendwo im Bad... Ich finde du hast ein wenig Romantik verdient und doppelt hält ja bekanntlich besser. Von daher frage ich dich jetzt noch einmal, ob du meinen Namen annehmen möchtest und somit meine Frau sein willst?"
"Ja, natürlich will ich das...", sagte ich und fiel ihm um den Hals. Er drückte mich leicht von sich und zauberte aus seiner Innentasche einen Ring. Er war Silber und drei kleine Sterne aus Steinchen prahlten auf ihm. Besser hätte das Design nicht zur Situation passen können und ich liebte diesen Ring. Bisher hatte ich keinen Verlobungsring, doch irgendwie war es doch schön, dann in den Genuss von einem zu kommen. Wir küssten uns und schauten noch ein wenig auf den Teich.
"Bist du jetzt sauer, Zuckerschnute?", fragte er bei mir nach, doch ich hatte wirklich keinen Grund dazu. Vielleicht hatte ich auch immer nur im Kopf, dass ich nix romantisches wollte, aber so wie es jetzt passiert war, war es einfach nur perfekt. Es war eine gelungene Überraschung, die meinen Tag zum Ende hin noch so richtig versüßte.

Wer nun der Leidtragende war, der die hunderten Schwimmkerzen auf den Teich verteilte, weiß ich wie gesagt bis heute nicht, obwohl ich immer jeden durch die Blume frage, aber es will nie jemand gewesen sein. Irgendwann finde ich es hoffentlich noch heraus, und wenn nicht, dann möchte ich demjenigen mit dem guten Feuerzeug hier an der Stelle danken. ❤️

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Where stories live. Discover now