* Eingesperrt *

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Wir spielten also Flaschendrehen und es waren ganz harmlose Fragen, was ich nie erwartet hätte bei diesen Chaoten. Vom ersten Kuss bis hin zu den dümmsten Streichen, die man bisher gemacht hatte. Also nix sonderlich spannendes, was man darüber niederschreiben könnte. Pflicht hingegen nahm eigentlich keiner, was auch gegen meine Erwartungen ging. Eigentlich sah ich schon einen der Jungs nackig über die Straße rennen, aber dazu kam es nicht. Ob das allerdings sehenswert gewesen wäre, mag ich nicht beurteilen.
Dann kam dieser eine Moment, in dem alle ein paar Schnäpse vertilgten und die Fragen schon spezieller wurden. Zum einen wurde nach der längsten Errektion gefragt oder die schlimmste Sex Story. Auch diese Sachen müssen nun nicht breitgetreten werden, denn was beim Flaschendrehen beantwortet wird, bleibt auch beim Flaschendrehen.
Ich ahnte schon schlimmes, als der Flaschenkopf plötzlich auf mich zeigte. Was sollte ich nur nehmen und irgendwas trieb mich dazu Pflicht zu nehmen. Was mich da geritten hat, keine Ahnung. Vielleicht der Pfeffi, den ich trank, obwohl ich davor so gut wie keinen Alkohol zu mir nahm. Wahrscheinlich ein Fehler, denn schon nach dem kleinen Shot, drehte sich kurzzeitig einiges in meinem Kopf.
Zurück zum Thema. Ich schaute in Stevens Richtung und sagte: "Pflicht!" Schon sein dreckiges Grinsen hätte mich warnen müssen, doch umswitchen war natürlich strengstens untersagt.
Er schaute durch die Runde und dann kam er auf die schlimmste Idee, die man haben kann: "Du musst hier jemanden aus der Runde küssen, besser gesagt, den rechts oder links von dir."
Ich dachte ich spinne. Ich schwor mir nie wieder einen Mann zu küssen, trotzdem realisierte ich die Pflichtaufgabe noch nicht so ganz, sodass mein Blick nach rechts schweifte, wo mich auch schon Tim mit Kippe im Mund und großen glänzenden Augen, was dem Alkohol geschuldet war, durch seine Brille anschaute. Ich weiß aus Erzählungen, dass ich meine Nase rümpfte. Es war nicht sehr nett, dass weiß ich, aber manchmal passieren halt Dinge, die man eigentlich nicht will.
Also drehte ich mich zur anderen Seite, wo auch schon Lukas mit einem dezenten Kopfschütteln zu mir starrte. Was das Kopfschütteln sollte, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, heute weiß ich aber, dass er mich damit vor Tim schützen wollte. Mhhh... naja ob das nur eine Ausrede war, weiß ich immer noch nicht.
Ziemlich selbstbewusst kam mir noch der Name meines Auserwählten über die Lippen, doch dann ging alles ganz schnell und der Mut ging mir verloren.
Lukas starrte mich nun an, mit seinen blauen Augen, die ich mittlerweile sehr lieb gewonnen habe und man sah ihn seine Unsicherheit an. Wiederum war er auch bereit für einen kleinen Schmatzer. Wir nährten uns an und plötzlich war ich wieder nüchtern im Kopf. Die Worte und alte Erinnerungen donnerten nur so durch meinen Kopf, bis ich schließlich aufstand, in Tränen ausbrach und einfach nur schnell in mein Zimmer rannte.
Ich hörte noch die Worte von Steven, der zu Lukas sagte: "Siehste, jetzt rennen sogar die Weiber vor dir weg..."
Im Normalfall hätte ich den Spruch lustig gefunden, aber in diesem Zustand nicht.

Ich wollte einfach nur weg, mich der Situation entziehen, in die ich mich eigentlich selber rein manövriert habe, immerhin hätte ich ja nicht mitspielen müssen. Oder vielleicht hätte Steven nicht so eine Aufgabe verteilen sollen, doch woher sollte er schon wissen, dass ich damit so ein Problem habe.
Nun lag ich also auf dem Bauch in meinem Bett und heulte Rotz und Wasser, mit dem Gesicht ins Kissen gedrückt. Doch wieso heulte ich eigentlich? Ganz einfach - es war mir zu viel, die Situation überrumpelte mich total. Daran merkte man, dass ich im Kopf immer noch nicht normal war. Doch das war mir schon bewusst.
Wie ich so auf dem Bett lag, mich nicht beruhigen konnte, dachte ich immer wieder daran, wie ich Lukas näher kam, das allerdings löste bei mir unzählige Dejavus aus, die mich wieder an besserte Zeiten denken ließ.
Tom wusste genau, was da jetzt passiert war mit mir, sodass er sich garnicht daran versuchte, mich aus dem Zimmer zu holen, denn das war sinnlos, weil ich einfach nicht reagieren würde und in meiner eigenen kleinen Welt war.
Das verstanden die anderen Jungs aber nicht. Immer wieder, so erzählte mir Lukas, fragten sie nach mir und ja sie machten Tom sogar dezente Vorwürfe, warum er sich in diesem Moment nicht um mich kümmerte.
Doch selbst aus meinem Bruder wurden sie nicht schlauer, was eigentlich mit mir los war. Er wollte ihnen meine Geschichte nicht erzählen, was ich natürlich auch gut so fand, denn das hatte niemanden zu interessieren und ich würde es schon erzählen, wenn ich soweit wäre.
Allerdings akzeptierte Lukas die Aussage Tom's nicht, dass ich nun erstmal meine Zeit brauchte und suchte im Haus nach meinem Zimmer. Warum tat er das? Hätte er etwa was übrig für mich? Konnte er nicht damit leben, dass es jemanden schlecht ging? Keine Ahnung, ich weiß nur, dass es plötzlich wie wild an meiner Tür klopfte und ich es nur realisierte, weil es irgendwie anders war, als das klopfen meines Bruders immer.
"Lilly, mach auf!", sagte Lukas doch relativ leise und sanft, doch ich weigerte mich. Niemals würde ich mich verheuelt vor jemand hinstellen.
Und schon garnicht vor eine noch relativ unbekannte Person, obwohl ich schon mehr von ihm wusste, als ich je hätte denken können.
Ich reagierte nicht, stattdessen ging ich zum Kleiderschrank um noch mehr in Selbstmitleid und alte Gefühle zu fallen.
Seit zwei Jahren machte ich das stets und ständig, um mich noch tiefer fallen zu lassen, anstatt mich aufzubauen. Da hing es, das in Folie gepackte Kleidungsstück, was es heute nach Jahren immer noch gibt. Lukas mag es nicht, doch ich bestehe darauf es zu behalten. Ich holte es am Kleiderbügel aus dem Schrank und drückte es fest an mich. Es war das letzte Erinnerungsstück, was ich mir aufgehoben hatte, bzw. was präsent war. Der Rest schlummerte in irgendwelchen Kisten, verteilt in Keller und Dachboden.
Immer wieder nahm ich nebenbei das Klopfen wahr, doch auch immer wieder kam ich in einen Trancezustand. An diesem Tag war trotzdem alles anders... Als ich mich an das Kleidungsstück schmiegte, merkte ich, wie plötzlich mein Kopf Ausstieg und weiße Sterne auf mich zurasten. Ich hatte es wirklich übertrieben und plötzlich war alles schwarz. Mein Körper fiel in eine Ohnmacht, um sich selber vor meinem inneren Gefühlen zu schützen. Es hört sich vielleicht doof an, aber das war das beste, was mir passieren konnte. Zum einen spürte ich nix mehr, der Schmerz und das Leid waren plötzlich weg. Alle Geräusche störten auch nicht mehr. Es war schön. Zumindest für mich...

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Where stories live. Discover now