* Kopfschmerz *

161 6 0
                                    

Ich wusste, dass ich bald bereuen würde, was ich jetzt tat, aber eine durchsichtige Hand trieb mich zu dem, was ich nun tat.
Der scharfe Gegenstand, war nicht mehr oder weniger als eine Schere, die ich nun automatisiert durch meine langen braunen Haare fahren ließ. Die Haare fielen Büschelweise zu Boden. Auch wenn ich nun irgendwie noch beschissener aussah, als vorher, tat es irgendwie gut. Es war ein Ballast, der abfiel. Auch wenn das alles nichts an meinem Gemütszustand ändern würde, war es befreiend.
Die Haare die vorher fast bis zum Po reichten, waren nun kurz und struppelig. Es hört sich komisch an, aber plötzlich gefiel ich mir, auch wenn mir meine Haare immer heilig waren.
Die Schere fiel zu Boden und ich ging näher an den Spiegel und fuhr mir mit meinen Händen durch die kurzen Haare. Die zerschnittene Hand ließ einige Blutspuren in ihnen zurück und färbten sie Strähnchenweiße in einem dunklen rot.
Wie in Trance ging ich zur Tür und öffnete sie. Tom stand immer noch davor und ihm vielen tonnenweise Steine vom Herzen, als ich das tat. Doch der Gemütszustand hielt nicht lange an, denn dann erblickte er meine Blutverschmierten Klamotten, Haare und die Hand.

"Was hast du getan?"

"Das was nötig war...", sagte ich und er fiel aus allen Wolken.
Es war das letzte was er wollte - mich in Psychologische Behandlung schicken, doch so langsam wusste er mit mir nicht mehr weiter.
Heute sagt er immer wieder, dass er kurz davor war mich einliefern zu lassen, doch dann hat er es gelassen, denn scheinbar war die Situation im Bad, wie ein Korken, der plötzlich aus der Sektflasche knallte. Einfach eine Handlung, die sein musste, um mich neu zu entdecken.
Immernoch umarmte er mich. Es fühlte sich an wie Stunden, doch es tat so gut. Mir wurde endlich bewusst, was mein Bruder die letzte Zeit mit mir durchgemacht hatte und ich fing an mich zu schämen, doch das zu zeigen, war nicht mein Ding.
Nach dem ganzen verarztete er meine Hand. Gut, dass es nur oberflächliche Schnitte waren, sodass mir der Weg ins Krankenhaus erspart blieb.
Nachdem er den Verband fixierte, fielen seine Blicke wieder auf meine Haare, die in manchen Blickwinkeln, wie eine gute alte Vokuhila wirkten.
"Was machen wir damit?", sagte Tom und struppelte durch meine Haare. Ich zuckte nur mit den Schultern.
"Soll ich mich mal daran versuchen?", fragte er weiter und wieder hatte ich nur die gleiche Reaktion übrig.
Auch dazu erzählte er mir im Nachhinein, dass, wenn ich ihn nicht daran gelassen hätte, er mich auch einweisen lassen hätte. Einfach weil er dann an einem Punkt angekommen wäre, an dem er nicht mehr an mich ran kam. Doch wie gesagt, soweit kam es nicht.
Ich setzte mich auf einen Stuhl im Bad und Tom schwang die Schere.
Jeder Friseur hätte die Krise gekriegt, wenn er gesehen hätte, dass wir mit einer handelsüblichen Schere in meinen Haaren rumzupften. Doch im Endeffekt ließ sich das Ergebnis, zumindest für uns Leihen, echt sehen lassen. Meine langen braunen Haare gehörten nun in die Vergangenheit, zu den schlechten Geschichten. Ein ganz neues Gesicht sah mich aus dem zerbrochenen Spiegel an. Ich bin der Meinung, dass mir sogar ein grinsen über die Lippen huschte, was diesesmal garnicht gespielt war. Sollte das wirklich der Beginn eines neuen Lebens sein? Wenn ja - was stell ich damit an? War es wirklich wahr, dass Frauen nach einer Privaten Veränderung auch eine optische brauchten? Bisher kam mir das immer komisch vor, aber irgendwie fühlte es sich gut an.

"Du weißt schon, dass du jetzt mit in den Baumarkt musst, einen neuen Spiegel kaufen?", fragte Tom und auch da verstand ich, dass er Recht damit hatte. Also musste ich in Säuren Apfel beißen und das Haus verlassen. Ich musste raus aus meiner Komfort Zone und viele neue Dinge auf mich wirken lassen. Es war angseinflößend, aber auch spannend zu gleich. Wie schon gesagt, habe ich seit wirklich einem Jahr das Haus nicht verlassen. Naja gut, ab und zu bin ich zum Briefkasten gegangen, aber der lag auch nicht besonders weit weg.
Ich zog mir eine gute Hose an, die ich schon ewig nicht mehr an hatte und bemerkte plötzlich, wir schrecklich dünn ich geworden war. Es war kein Halt mehr, oder irgendeine Form zu erkennen.
Ich hatte immer wieder Diäten probiert, dennoch hat nie etwas geklappt, umso geschockter war ich nun, wie viel Platz in der Hose war.
Doch der Schock hielt nur kurz an, denn dann stand auch schon Tom in der Tür, um mich für den ersten Shoppingtrip seit langem abzuholen.
Ich stieg in sein Auto und wir fuhren die paar Kilometer zum Baumarkt. Die Welt da draußen war so schnelllebig, dass sich einiges verändert hatte. Meine Blicke streiften überall lang und sogen alles auf, wie ein Schwamm. Ich war schockiert, wie nun alles war. An Orten wo vorher noch grüne Wiesen waren, standen nun Häuser und blockierten den Blick ins Land.
Es war alles zu viel für meinen Kopf und der Schmerz zog sich in die Schläfen. Zu viele Eindrücke, mit denen ich nicht umgehen konnte und dennoch zog ich alles durch.
Das Einkaufen war dann Stress pur für mich. Überall Menschen, laute Musik und ein Überfluss an Ware.
Der Schädel dröhnte und auf das eigentliche konnte ich keine Konzentration mehr legen. Ich ließ es halt einfach über mich ergehen. Im Endeffekt war es gut, mich mit so vielen Einflüssen zu überschütten. Es war wie eine Therapie mit Überfluss, wo man sensibilisiert wird.
Fakt ist auch, Tom entschied sich für einen neuen Spiegel, so genau bekam ich das alles garnicht mit, weil ich von anderen Dingen abgelenkt war. Trotzdem saßen wir irgendwann wieder in Auto auf den Weg nach Hause, wo ich mich komplett fertig auf meine Ecke auf dem Sofa fielen ließ, während sich Tom im Bad beim aufhängen ausließ.
Ich überlegte mir, wie es nun mit mir weiter gehen soll, doch einen klaren Kopf zum überlegene hatte ich nicht, denn immer wieder hämmerten Blitze in meinen Kopf, die unendlichen Schmerz bereiteten. Außerdem war ich immer noch abgelenkt von allen Einflüssen, die ich so mitbekam. Ich war so fertig, dass ich schlussendlich einschlief.
Irgendwann spürte ich ein pieksen auf meinem Oberarm, ich wälzte mich rum und aufstehen wollte ich eigentlich nicht, doch das pieksen fand kein Ende. Ich öffnete die Augen und Tom stand nah vor mir mit einer ernsten Miene. Ich wusste, dass da nix gutes zu heißen hatte. Doch hatte ich mich allerdings auch schon an Schicksalsschläge gewohnt, sodass mich nix mehr schocken konnte.
Ich setzte mich auf und schon sagte er mit gesengtem Blick, dass er mit mir reden müsse.
Was da wohl schon wieder auf mich zu kam?

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Where stories live. Discover now