* Dann stand er einfach so da *

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Ich erinnere mich fast genauso, als wäre es gestern gewesen...
Ich blickte also auf den Schnee und plötzlich kam es über mich. Ich wollte endlich mal wieder richtig rumspinnen. Ich hatte richtig Lust darauf. Ich sah einen kleinen Hang und ging dahin. Ein kleines Lächeln hüpfte über meine Lippen und dann ließ ich mich einfach fallen. Nun lag ich mitten in dem tiefen Schnee und tat das, was die Kinder heutzutage immer noch machen. Einen typischen Schneeengel und es fühlte sich verdammt gut an. Einfach befreiend.
Da ich keine Handschuhe besaß, fuhren meine Hände durch das kalte Weiß. Immer hin und her und es tat so gut. Es war die Freiheit, die ich zwischen meinen Fingern spürte.
Kalt war mir nicht, denn meine dicke Jacke ließ es nicht zu, die Minus Temperaturen an meinen Körper dringen zu lassen. Doch hätte sie das gemacht, wäre es auch nicht weiter schlimm gewesen. Ich bin nicht so eine Frostbeule, wie manch andere. Nun lag ich da, mitten auf dem Hang aus dickem Schnee und mein einzigstes Problem in diesem Moment war es nur noch irgendwie hoch zu kommen, ohne mein Kunstwerk zu zerstören. Ich meine, wenn man sonst keine anderen Probleme hat, dann scheint ja alles in Ordnung zu sein.
Ich beschloss noch eine Weile liegen zu bleiben, bis ich eine Lösung für mein Problem finden würde. Dass die Lösung aber schon Recht nah war, konnte ich nicht ahnen.
Meine Blicke wanderten im Universum hin und her. Diese sternenklare Nacht, war für mich wie ein Wunder. Es funkelte und glitzerte am Firmament und ja auch ein paar Sternschnuppen durchquerten den dunklen Nachthimmel.
Ich war so abwesend mit meinen Gedanken, dass ich garnicht bemerkte, dass sich mir eine Person nährte.
Erst ein dumpfer Aufschlag neben meinem Gesicht, holte mich in die Realität zurück. Dann erblickte ich ihn und er stand einfach so da... Anhand seiner langen dünnen Form erkannte ich ihn sofort. Es war Lukas der sich sichtlich amüsierte über den Schneeball, den er nur einige Zentimeter neben meinen Kopf landen ließ.
"Na, kannst du auch nicht schlafen?", fragte er und reichte mir die Hand.
Ich griff zu und schwungvoll konnte ich meinem Kunstwerk auf dem Boden entfliehen, ohne es auch nur im Ansatz kaputt zu machen. Genau da war mein Ziel erreicht. Ich hatte mich also in Österreichischen Schnee verewigt. Zwar kein Denkmal für die Ewigkeit, aber immerhin war es der schönste Schneeengel, den ich je gemacht hatte. Er starrte ihn an und meinte nur, dass da noch etwas fehlen würde. Ich schaute skeptisch und ohne dass ich groß was sagen konnte, malte er mit einem langen Stock noch ein Heiligenschein über meinen Kopf.
Scheinbar hatte nicht nur ich eine kreative Ader, sondern auch der Mann, der nun neben mir stand und sich heute ein Bett mit mir teilt - und das sogar freiwillig. Diese Aussage war gerade eigentlich doof. Natürlich muss er als Musiker kreativ sein. Ohne das eine geht das andere ja nicht.
"Du hast noch nicht auf meine Frage geantwortet: Kannst nicht schlafen?", fragte er ein weiteres mal. Normalerweise war die Frage hinfällig, denn hätte ich schlafen können, dann stände ich jetzt bestimmt nicht an diesem Ort.
Ich nickte.
Es war komisch. Wann war ich das letzte mal mit einem "fremden" Mann am See und das in einem fremden Land? Soweit ich mich erinnern konnte, noch nie. Doch es störte mich nicht. Normalerweise war ich immer gestresst, wenn ich nicht meine Ruhe hatte, doch jetzt war alles anders. Ich schob es einfach darauf, dass man sich ja schon das ein oder andere mal gesehen hatte. Oder vielleicht war ich sogar so entspannt, weil mir derjenige schon auf meinen Teller gefasst hatte, um Pommes zu klauen. Das musste es gewesen sein, anders hätte ich es mir nicht erklären können.
"Komm, wir laufen ein wenig hier rum, die frische Luft macht uns schon müde.", meinte er und wir zogen los. Vorbei an kahlen Bäumen, die wie mit Puderzucker überstreut schienen. Ein absolutes Bilderbuch Flair.
Die Schneeflocken, die vom Himmel fielen wurden immer weniger. Und da war noch das andere Problem, was sollte ich mit dem Mann neben mir bloß reden? Nur stumm nebeneinander her laufen, das konnte es ja auch nicht sein.
Verschiedene Themen huschten mir durch den Kopf, doch keines davon schaffte den Ausweg über meinen Mund. Die Stille wurde zunehmend peinlich, doch dann änderte sich alles, denn Lukas fing an zu reden. Zwar war das Thema ganz arbeitstechnisch, aber immerhin wurde geredet.
Er erklärte mir, dass er bislang wenig Zeit hatte, seine Kostümwünsche mit mitzuteilen, aber das sollte bald ein Ende haben. Denn sobald wir wieder alle in Deutschland wären und wir uns alle etwas erholt haben, dann würde er mich besuchen und dann könnten wir alles in Ruhe besprechen.
"Das ist auch schon alles mit deinem Bruder abgeklärt.", erklärte er und ich nickte wie gewohnt mit dem Kopf.
Er atmete lautstark aus und meinte: "Du bist nicht so gesprächig, kann es sein? Hast du überhaupt ne Stimme?"
Ich spielte das Spiel mit und schüttelte mit dem Kopf. Ein grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Nun schüttelte auch er mir dem Kopf und ich lief schon einige Meter weiter, als er sich seinen Schuh zu machte.
Plötzlich spürte ich etwas, was mir die Härchen aufstellen ließ und ich dadurch eine Gänsehaut bekam.
Erst ein heftiger Schlag in den Nacken und dann die Kälte, die meinen Nacken herunter glitt. Ich konnte nicht anders und stieß einen herzhaften Schrei aus.
"Du hast ja doch eine Stimme...", sagte Lukas und grinste böse. Hatte er mir doch tatsächlich einen Schneeball mit einer Präzession eines Scharfschützen, so in den Nacken geworfen, dass Teile davon durch den Kragen der Jacke und des darunterliegenden Pullovers, bis zu meinem Rücken vordringen konnten und es mir eiskalt den Rücken runterlief.
Das war gemein, aber dennoch raffiniert, wie er mich locker machen wollte. Wie heißt es so schön? Rache ist süß. Er konnte sich auf jeden Fall auf was gefasst machen.
Das Eis zwischen uns war gebrochen und endlich unterhielten wir uns, nachdem er mir über den Rücken strich, damit sich der Schnee gänzlich auflösen konnte und mir eine Gänsehaut bereitete. Eigentlich mochte ich es nicht, wenn mich jemand fremdes anfasste, doch da war es anders. Ich wusste nicht aus welchen Gründen, aber ich schob es darauf, dass er so locker war und es vielleicht das war, was ich Ewigkeiten nicht hatte.
Irgendwann bot sich endlich die Gelegenheit sich zu rächen und dann tat ich das, was ich nie getan hätte. Ich schubste ihn mit voller Wucht in einen Schneehaufen, da er es nicht kommen sah, lag er nun mitten in dem kristallisierten Wasser und auch damit ging er locker um. Plötzlich bewegte er sich auch und machte einen Schneeengel. So etwas lässiges und entspanntes hatte ich noch nie erlebt.
Er begeisterte mich und zog mich unbewusst in seinen Bann.
Nachdem wir nun beide durchfroren waren gingen wir wieder in unsere Zimmer und fanden unseren verdienten Schlaf, nach dem wir schon lange suchten...

Dann stand er einfach so da... (Alligatoah Fan-Fiction)Where stories live. Discover now