2 - Die Bedrängnis des Drachen

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Verlorene Hoffnung
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Kapitel 2

»Warum starrst du mich so an?«, murmelte Vin geistesabwesend

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»Warum starrst du mich so an?«, murmelte Vin geistesabwesend. Ihre Gedanken waren woanders, sie flogen hoch über den Wolken. Sie fühlte sich zurückversetzt in jene Nacht, als unter dem zürnenden Auge des ergrauten Himmels Klauen und Zähne in die beschuppte Haut ehemaliger Gefährten geschlagen wurden. Jene Nacht, die Götter vom Himmel riss und viele Opfer forderte. Ja, jene Nacht, die ihr Leben komplett über den Haufen geworfen hatte und in der sie sich in jedem Moment ohne Pause gegen ihre Vorurteile behaupten musste.

Vin war eine Beobachterin aus der Ferne gewesen und hatte sich kein Urteil gebildet über das, was geschehen war und den Drachen, der zwischen ihren Kürbisbeeten gelandet war, versorgt. Erst später, als sie verstanden hatte, worum es ging, wusste sie, was Ascalour getan hatte, wofür er verantwortlich war.

Ich will dich sehen, zu verstehen lernen, erklang es von dem Jungdrachen. Daraufhin blinzelte Vin und wandte ihr Gesicht wieder dem kleinen, roten Geschöpf zu. Verwirrt durchlebte sie die Sekunde noch einmal. Worte hatte der Drache nicht von sich gegeben, dessen war sie sich sicher, dennoch war es, als habe aus dem Bild, das in ihrem Kopf erschienen war, eine Stimme gesprochen.

Herausfordernd hielt sie dem goldenen Blick stand. So sehr etwas in ihr auch protestierte, Vin wollte den Drachen kennenlernen. Dass er sie bereits kannte, stand fest, schließlich hatte sie ihn die letzten Wochen, Monate, mit sich herumgetragen und gehütet wie einen Augapfel. Da sie jedoch nicht weiter wusste, wie das frisch gesschlüpfte Wesen zu ihr stand, musste sie sich Respekt verschaffen. Musste alles tun, sodass sie ihn nicht zu einem Nachfolger Ascalours großzog. Alles, was sie konnte. Alles für Atlas.

Mit einem Mal begann der Drache zu knurren und zu fauchen, nur um sich danach auf seine zarten Pranken zu legen. Ein leiser, langgezogener Klageruf erfüllte das Gewächshaus, während Vin auf ihn zurobbte. Miserabel sah er aus, seine Augen funkelten boß noch matt und sein Maul öffnete und schloß sich inmitten seiner Elegien, als würde er die Luft zu essen versuchen.

Natürlich! Der Drache musste unglaublichen Hunger haben. Sofort eilte sie zu der Wasserpumpe unweit der Gewächshauses und ließ die Schale, die sie soeben mitgenommen hatte, vollaufen. Dies hätte sie sich jedoch sparen können, dachte sie, als sie beobachtete, wie zögerlich eine Kralle in die Schale getaucht wurde und danach ruckartig wieder hinausgezogen wurde. Stöhnend rappelte sie sich auf und streckte dann ihre Arme nach unten, woraufhin der Drache in die nebeneinander geöffneten Handflächen krabbelte.

Die beiden Flügel des Drachen schoben sich über ihre Unterarme bis hin zu Vins Ellenbogenbeuge. Dann richtete sich ihr goldener Blick auf den Mantel, der neben der Tür des Gewächshauses hing und wie von Geisterhand wurde er von dem Haken genommen und begann, ihre Schultern zu umschmeicheln. Eine Sekunde später und ihre Arme sowie der Drache wurden ebenfalls von dem dünnen, braunen Stoff verhüllt. Schnell noch nach einer grünen Buddel gegriffen, dann machte Vin sich auf den Weg.

Der Fall des Drachen [2] - Verlorene HoffnungWhere stories live. Discover now