Auszug

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Magnus

Ich habe gestern nach dem Gespräch mit Ragnor noch einen langen Spaziergang gemacht. Dabei habe ich weder an Calvin oder Neuseeland gedacht. Sondern ich habe einfach nur die Leute beobachtet die mir entgegen kamen oder an denen ich vorbei lief. Ich tat das gern auch wenn ich die Natur manchmal bevorzugte. Aber in Los Angeles hatte man davon nicht so viel. Zumindest nicht wenn man fast sein ganzes Leben hier wohnte.

Heute wollte ich für mich einen ersten Schritt gehen und meine Sachen aus der Wohnung holen. Vertraglich läuft sie sowieso auf Calvin. Obwohl ich betrogen wurde, mein Vertrauen damit gebrochen wurde, ich verletzt war und das sicherlich Auswirkungen auf die Zukunft haben wird, hat Ragnor recht. Ich konnte nicht so richtig traurig sein. War es überhaupt Liebe? Und wenn es keine Liebe war, wie fühlte sie sich dann an? Konnte ich wirklich lieben?

Ich sah auf den Schlüssel der ungewöhnlich schwer in meiner Hand lag, so als würde er nicht länger zu mir gehören und das tat er auch nicht. Aber das konnte ja der Schlüssel nicht wissen. "Alles in Ordnung?" Cat begleitete mich. Besorgt sah sie mich an. Ich konnte nur nicken und die Tür aufschließen.

Mich umgab ein fremder Geruch, worüber ich aber nicht weiter nachdenken wollte. Gezielt ging ich auf das Ankleidezimmer zu. In der hintersten Ecke stand mein babyblauer Hartschalen Koffer. Während Cat mir die Sachen reichte, faltete ich diese nach meinem Schema. Nichts durfte falsch geknickt werden. Alles legte ich perfekt zusammen und teilte alles auf die Seiten auf. Links kamen die Unterteile herein, rechts die Oberteile. Schuhe kamen oben drauf. Unterwäsche gerollt zwischen allen anderen Teilen.

"Ein Vorteil gibt es bei deinem Problem." Cat beschrieb meine Krankheit immer als Problem. Ich sagte meistens nur Diagnose. Eigentlich kam ich zu recht. "Du machst alles ordentlich. Bei dir kann nie ein Chaos entstehen." Sie grinste mich an und auch ich musste schmunzeln. Sie hat ja recht.

Nachdem der Koffer mit Teamwork und fast platzenden Reißverschluss endlich geschlossen ist und selbst meine Schlafmaske sowie mein Stitch Kuscheltier noch Platz gefunden haben, schaue ich in der Wohnung noch nach persönlichen Gegenständen. Außer meinen ersten Wecker besitze ich nicht mehr viel.

"Ah du musst Magnus sein." Cat und ich drehen uns gleichzeitig zu der Stimme. Vor uns steht ein Mann. Er müsste Mitte fünfzig sein? Seine Glatze glänzt in dem Licht. Die Hose sitzt etwas zu eng und auch vor dem Hemd muss man in Deckung gehen, damit man keinen Knopf ab bekommt.

"Und sie sind?" Er kommt etwas näher. Soll das etwa die Affäre von Calvin sein? "Valentine, ich bin ein Arbeitskollege von..." Er wird durch diese Idioten Stimme unterbrochen. "Schatz, bist du zu Hause?" Freude strahlend kommt mein Ex Freund herein. Stockt allerdings als er mich bemerkt. "Magnus, was machst du denn hier?"

Wahrscheinlich wäre Helen in diesem Moment angebrachter gewesen. Ich zähle bis fünf. Eins, zwei, drei, vier.. "Calvin du bist so ein Arsch. Magnus ist noch nicht mal ausgezogen. Ihr habt euch noch nicht offiziell getrennt und du hast schon einen neuen Schatz? Ernsthaft, mein Absatz ist höher als dein Niveau und ich trage heute ausnahmsweise mal Turnschuh." Etwas überfordert sehen die beiden Männer meine beste Freundin an. "Wisst ihr, ich hab nichts gegen Menschen. Überhaupt nicht. Nur die Idioten machen mir zu schaffen. Das ist wie ein visueller Tinnitus. Man sieht dauernd nur Pfeifen. Da fragt man sich manchmal echt, was die Natur einem damit sagen will."

Ich habe meinen Kiffer fest zusammen gekniffen um jetzt nicht loszulachen. Das würde die Stimmung versauen. Calvin möchte bereits seinen Mund aufmachen aber Cat hält ihn auf. "Tu mir einen Gefallen. Mach es wie Volvic und sei still. Sonst platze ich hier wirklich."

Damit nimmt sie mir den Schlüssel aus der Hand und legt diesen auf den Tisch. Ich schnappe mir meinen Koffer und gehe an den beiden Männern vorbei. Als die Tür hinter mir zufällt pruste ich los. "Du hast einen Dachschaden, Cat." Sie zuckt nur mit den Schultern während sie bereits zu ihrem Auto geht. "Je größer der Dachschaden, umso besser der Blick auf die Sterne." Ich kann nur weiter lachen. Ich liebe sie dafür wirklich sehr.

Im Auto habe ich mich wieder beruhigt. "Danke, Cat." Kurz blickt sie zu mir herüber. "Für dich jederzeit. Hast du nochmal über das Haus nachgedacht?"

Ich sehe aus dem Fenster. Heute morgen bei meinem Wecker Konzert habe ich ununterbrochen darüber nachgedacht. Welche Vorteile gibt es und was sind die Nachteile? Ich habe über die Folgen überlegt und was ich noch alles machen müsste. Wie das Leben wäre und ob es mich glücklicher machen würde. Ich bin zu keinem Entschluss gekommen. Noch nicht.

"Ja und wenn ich mich entschieden habe werde ich es dir sagen." Cat nickt nur und fährt uns dann zu ihrer Wohnung wo ich erstmal unterkommen werde. "Ich werde mich gleich für das Abend essen fertig machen. Schauen wir danach noch einen Film?"

Heute Abend würde ich meine Eltern besuchen. Zu fünft wollten wir in ein Restaurant gehen. Das machten wir jeden Monat. Ich wollte mit ihnen nochmal darüber reden. "Klar, wenn ich den Film aussuchen darf."

Ich konnte nur zustimmen. Helen war noch auf ihrer Arbeit. Sie arbeitete im Krankenhaus. Genau so wie Cat.

"Was glaubst du werden sie zu Neuseeland halten?" Ich zuckte nur mit den Schultern. "Meine Pflegeeltern werden wahrscheinlich die gleiche Meinung haben wie du und Ragnor."

Das Thema Familie war recht kompliziert und benötigt meistens eine Weile alles genau zu erzählen. Ich hatte zwei Elternteile mit jeweils zwei unterschiedlichen Verhältnissen. Das hat alles so viel komplizierter gemacht.

"Wenn du irgendwann mal jemand neuen kennen lernst und es so ernst wird, das du ihn auch deine Eltern vorstellen wirst, wird dieser jemand sich sehr freuen." Calvin hatte ich meine Familie nicht vorgestellt. Es hat sich nie ergeben und dazu hätte ich alles Preis geben müssen. "Wieso?" Cat grinst leicht. "Naja gleich zwei Schwiegereltern zu haben und kennen lernen zu müssen. Ich stelle es mir schrecklich vor." Ich kann nur wieder mit in das grinsen einsteigen. "Gut, das ich erstmal niemand kennen lernen möchte." Ernst sieht sie mich an und fast gleichzeitig sagen wir "Unverhofft kommt oft."

Falling in Love - Malec StoryWhere stories live. Discover now