Epilog

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„Und hier haben wir den Ausgang des privaten Bereichs für Familie und Freunde um live beim Spiel dabei zu sein", erklärte mir einer der Offiziellen und führte mich vor eine Leinwand. Sofort spürte ich eine kleine Hand in meiner, woraufhin mich Mia mit großen Augen ansah. Heute trug sie ein zartrosa Kleid, welches ich für sie aussuchen durfte und zwei Zöpfchen.
„Weißt du wo wir hier sind?" fragte ich sie und sie grinste zu mir auf.
„Barça!" quiekte sie, weil ich ihr das in letzter Zeit viel zu oft gesagt hatte.
„Señor, hier ihr Trikot, wir machen jetzt ein Foto", wurde ich angesprochen, dann bückte sich der Mann und reichte Mia ihr eigenes kleines Trikot.
Schnell winkte ich Erika noch zu mir, die ich kurz küsste und dankbar anlächelte.
„Es war eine gute Entscheidung", flüsterte sie mir zu und nahm mir das Trikot ab, damit ich meine Tochter festhalten konnte. Dann wurden ein paar Bilder geschossen und die Vorstellung war vorbei. Für heute waren wir fertig.
„Ich würde mit Mia zurück nach Hause fahren, kommst du mit?"
Erika sah mich einfach nur an, weil sie wusste, dass ich selbst keinen blassen Schimmer hatte wie ich mit der Situation umgehen sollte. Anschließend nickte ich dann doch. Was sollte ich hier alleine im Stadion?

Erika und Mía malten gerade am Tisch, während ich mit meinem Handy im Wohnzimmer auf den bequemsten Sesseln dieser Welt saß und die Bilder mit Julie durchsah, sowie ihre letzten Nachrichten an mich las.
Barcelona ist die schönste Stadt der Welt" hatte sie geschwärmt.
Jetzt saß ich hier. An dem Ort, an dem sie sich für immer verabschiedet hatte und für sich ausgemacht hatte, dass es der richtige Weg war. Mittlerweile war ich nicht mehr wütend auf sie. Sie hatte alles richtig gemacht und mich wirklich beschützt. Julie wollte nicht, dass ich so leiden musste wie sie selbst.

Eine Nachricht wurde angezeigt.
„Bonsoir ami, Pauline und ich kommen diese Woche vorbei. Haltet euch fest wir haben tolle Neuigkeiten", schrieb Pog.
„Erika", rief ich, „Paul und Pauline kommen diese Woche vorbei."
„Okay. Hoffentlich sind bis dahin deine Termine vorbei", antwortete sie und schenkte mir ein sanftes Lächeln. Mein Blick wanderte nach rechts zu dem großen Esstisch, dahinter befand sich eine schwarze Wand und an genau jener Wand erleuchtete die Leinwand mit den gelbroten Farben den Raum. Das Bild sah dort wundervoll aus.

Ich zappte weiter durch meine Bildergalerie und blieb dann an den Fotos von Weihnachten hängen, das Mía, Erika und ich zum ersten Mal wieder als Familie verbracht hatten. An diesem Abend hatten uns beide die Gefühle übermannt und wir ließen es einfach passieren. Danach ging alles ganz schnell.
Die Trennung von Mark, der Umzug in meine vier Wände.
Es war als wäre die Liebe zu meiner Ex-Frau durch das Schicksal meiner Freundin wieder entfacht. Sie und Mía hatten mich aufgefangen, waren sozusagen mein rettender Hafen, der mich vorm Absinken in die Tiefen des Meeres aus Tränen und Wut bewahrt hatte. Ich seufzte.
Meine Augen wanderten von meinem Bildschirm zu meinem tätowierten Arm, auf dem ich ihre letzten Wort an mich verewigt hatte: La heine tue toujours, l'amour ne meurt jamais.
Der Hass, welchen ich verspürte war ab diesem Zeitpunkt der Beerdigung vorüber, die Liebe blieb. Sie verankerte sich so fest in mir, dass ich unfassbar oft an sie denken musste. Immer tauchten Situationen mit ihr in meinem Kopg auf bei denen ich gern manche Dinge anders gemacht hätte. Aber nun konnte ich nichts mehr ändern. Der Tag an dem mir mitgeteilt wurde sie wäre tot war der Schlimmste meines Lebens. Man hatte mich gezwungen noch zum Hotel zurück zu fahren, dort eine Nacht zu bleiben. Danach hatte ich ihre Freundin Irene kontakiert, die wiederum das Beichten an ihre Eltern übernahm und ich einsam vor mich hintrauerte. Manch einer dachte es täte mir gut, wenn man versuchte mir Gesellschaft zu leisten, aber die einzige Ablenkung die mir wirklich geholfen hatte war Mía.

Mein Mädchen saß auf ihrem Platz und biss konzentriert auf ihre Zunge, während sie den schönen Pinsel von Julie über ihr Papier wandern ließ. Sie fragte oft nach ihr, wollte wissen, wo sie war und wir erzählten ihr, dass Julie oben im Himmel war und immer zusah, wenn sie Bilder malte. Dann blieb mein Blick an dem Barcelona Trikot mit meinem Namen hängen.
Ich fühlte mich gut mit meiner Entscheidung hierher gewechselt zu sein. Es war richtig.
„Denk nicht so viel an sie", Erika kam zu mir und lächelte mich an.
„Ich versuch's." Meine schwangere Frau strich einmal über ihren Bauch und nahm meine Hand.
„Vielleicht wollte sie, dass es so kommt", sagte Erika, „manchmal hab ich das Gefühl, dass Julie schon immer wusste, dass wir beide unheimlich dumm waren uns zu trennen."
„Vermutlich. Sie wollte, dass ich ihr nie mehr schreibe und mein Kind mit dir großziehe bevor ich sie aufgesucht habe..." Bei dem Gedanken an das heranwachsende Baby musste ich schmunzeln.
„Julie war ein guter Mensch. Sie hat alles für jeden wundervoll werden lassen", murmelte Erika und fuhr mit ihren Fingern über das rote Armband.
„Für Paul und Pauline, für Didier, für uns. Selbst für mich, dadurch, dass sie ihr Atelier auf mich überschreiben hat lassen. Ich kann zwar nicht zeichnen, aber jedes Mal wenn ich darin stehe fühle ich einfach nur Dankbarkeit. Sie hat uns den richtigen Weg gezeigt." Plötzlich tauchten die zwei blonden Zöpfchen unserer Tochter vor uns auf und ich hob sie auf meinen Schoß, wo sie sich an mich kuschelte.
„Julie hat den richtigen Weg gefunden, ja", bestätigte ich ihre Aussage und musste lächeln, als ich die schönen Farben des Sonnenuntergangs am Horizont ausmachte. Sie waren eins zu eins die auf dem Bild an der schwarzen Wand neben der Fensterfront.

Und für immer würde sie mich dabei ansehen, so wie sie es gezeichnet hatte.

Julie ~ A.GriezmannWhere stories live. Discover now