27 - Les mots d'armour

756 26 2
                                    

Mein Wecker klingelte.
Mit pochendem Kopf, blinzelte ich ganz oft. Drückte auf stopp. Ich gähnte.
Ich wollte gar nicht wissen, wie spät es schon war.
Die Sonne strahlte hell und stark in das Zimmer herein und ich erinnerte mich an den schönen Abend, beziehungsweise die schöne Nacht. Es war nicht überstürzt gewesen oder gar drängend, nein. Es war alles sanft, liebevoll und zärtlich, dass ich es am liebsten noch ewig wiederholen wollte.
Jede Berührung war wie Glut auf meiner Haut, die nicht weh tat. Es löste dieses wohlige Gefühl aus, das sich im Unterleib ausbreitete.

Blinzelnd drehte ich mich herum und wollte in sein schlafendes Gesicht sehen, doch als ich mich umsah, stellte ich fest, dass der Platz neben mir hergerichtet war. Das Kissen aufgeschlagen. Die Decke zusammengelegt am Bettende.
Hastig sprang ich auf und spürte den pochenden Schmerz in meinem Kopf, der bestimmt von dem ganzen Tequila kam, den Kylian mir eingeflößt hatte als wäre es Wasser. Beim Umsehen traf mich wirklich der Schlag
Das gesamte Zimmer war komplett aufgeräumt, hier glich nichts einem bewohnten Raum.
„Antoine?" fragte ich krächzig, weil in mir eine schreckliche Befürchtung auftauchte.
Da keine Antwort kam, sprang ich aus dem Bett, riss den Schrank auf und musste enttäuscht feststellen, dass alles leergeräumt war. Jede gottverdammte Schublade war leer.
„Nein", flüsterte ich leise in meine Hand, die ich an meinen Mund geführt hatte. Ich konnte es nicht glauben.
Mein Blick fiel auf mein Kleid, welches gemeinsam mit meiner Unterwäsche zusammengelegt auf dem Stuhl neben der Kommode lag. Er hat mich alleingelassen.

Mit verwüsteten Haaren, dem Abendkleid und meiner Unterwäsche in der Hand verließ ich das Zimmer des französischen Stürmers, was einen faden Beigeschmack hatte. Es war lächerlich armselig, dass er mich nicht einmal wecken wollte.
Nein, stattdessen verzog er sich mit seiner Mannschaft zum Flughafen, schrieb nichtmal eine Nachricht an mich. Ich war dumm, dass ich an das alles gestern wirklich geglaubt hatte, dass ich meinem Bauchgefühl ein einziges Mal wirklich vertraut hatte, zumal er und ich wohl beide gestern verstanden hatten, was Sache war. Besser gesagt: ich hatte das kapiert. Am Ende war das alles nur eine dumme Idee von Paul gewesen.

In fünfungvierzig Minuten wurde ich abgeholt, weshalb ich im Schnelldurchlauf alles in meinen Koffer schmiss, dabei die aufsteigenden Tränen unterdrückte und unsanft den Reißverschluss zuzog. Ich wollte hier so schnell wie möglich weg. Klar, es war wundervoll gewesen, aber...
Schnell schüttelte ich den Gedanken von mir, erhob mich in meinem weißen Adidas Jogginganzug, warf einen letzten Blick durch das Zimmer, das die letzten Wochen mein Zuhause war und zog meinen Koffer mitsamt Rucksack nach draußen auf den Flur, wo mich all diese Kerle nochmal ansahen. Es war besser, wenn ich das als schöne Erinnerung abspeicherte. Auch den letzten Abend, denn eines war er wirklich: Schön.

„Madame", sagte Willian, den Didier mir extra beordern hatte lassen, reichte mir meinen Koffer und lächelte mich an. Willian hatte ich in letzter Zeit nicht mehr oft gesehen, aber er war ein lieber Kerl und der einzige, bei dem ich mich anständig verabschieden durfte.
„Passen Sie auf sich auf, Willian", sagte ich und umarmte ihn, was er perplex annahm. Vermutlich wurde ein Fahrer nicht oft in die Arme genommen, doch er hatte es verdient. Auch er war wochenlang von Zuhause weg gewesen.
Ich wollte gerade auf den Eingang des Flughafens zugehen, da reichte mir Willian einen beigen Umschlag.
„Monsieur Griezmann hat ihn mir heute Morgen gegeben."
„Wirklich?"
„Ja, und die hier auch." Hinter seinem Rücken holte er eine einzelne zartrosafarbene Rose hervor.
„Danke, Willian. Vielen Dank."

Als mein Flug abgehoben hatte und Frankfurt ansteuerte, denn es gab keinen einzigen Direktflug nach Nizza, öffnete ich vorsichtig den Brief. Er war sorgfältig zugeklebt worden, also hatte er sich Mühe gegeben.
„Chère Julie", begann der Brief, was meine Finger zittern ließ. Schnell sah ich mich um, ob mich jemand im Flugzeug beobachtete, dann las ich weiter.
„Ich bin schlecht darin die richtigen Worte zu finden und wollte dich nicht aufwecken. Du denkst bestimmt gerade, was für ein Arschloch ich bin, dass ich einfach so abhaue, aber als mein Wecker geklingelt hat, hast du seelenruhig weitergeschlafen. Ich hab dich eine Weile beobachtet und musste meine Sachen packen. Denk also nicht ich bin gegangen, weil ich wollte...ich musste. Vermutlich sitzt du jetzt schon im Flugzeug nach Nizza - diese Info habe ich von Pauline, die mich gerade mit überbreitem Grinsen beim Brief schreiben beobachtet. Ignorier außerdem bitte die Sprachfehler, ich bin schlecht im Schreiben." Ich schmunzelte leicht, weil ich mir Pauline unheimlich gut dabei vorstellen konnte, wie sie so gegenüber von ihm saß und andauernd ihren inneren Anfall vor Entzückung hatte.
„Wir werden heute in Paris noch gefeiert, dann fahre ich nach Mâcon zu meiner Geburtsstadt und werde dort mit Mía einen kleinen Besuch abstatten. Da du aus Lyon kommst, wollte ich dich und deine Familie einladen dort vorbeizusehen, natürlich nur wenn es zeitlich passt. Hoffentlich siehst du dann genauso unglaublich aus wie gestern Abend. Bisous, Antoine."

Lächelnd drehte ich selbst bei meiner Ankunft die Rose von links nach rechts, von rechts nach links. Diese Geste war unglaublich süß gewesen.
„Julie!" Ich schreckte hoch, als ich die Stimme meiner Mutter hörte, die breit grinsend auf mich zulief und mich in die Arme schloss. Papa schlenderte gemächlich hinterher.
„Maman, Papa", flüsterte ich sprachlos und starrte meine Eltern an. Mit ihnen hatte ich absolut nicht gerechnet.
„Was macht ihr denn hier?"
„Dich abholen! Wir wollen alles wissen, wirklich alles. War es schön, Liebling? Wir haben dich sogar im Fernsehen gesehen!" Maman nahm mir den Koffer ab und wollte gar nicht mehr aufhören zu plappern, während ich merkte, wie die Rose nach unten fiel und ich mit meiner Hand danach greifen wollte, jedoch nichts passierte.

Ich konnte meine linke Hand einfach nicht bewegen.

Julie ~ A.GriezmannWhere stories live. Discover now