32 - À l'hotel

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Antoine's Sicht:

Ich beobachtete Julie den ganzen Abend über genaustens. Jede Bewegung, jede Geste, jede Mimik. Am liebsten wollte ich sehen, was ihr Problem war, denn so ganz schlau daraus wurde ich nicht. Sie hatte auf ihrem Instagram Account damals noch fröhlich Fotos gepostet, mit ihren Freundinnen und auch von ihren Bildern und auf einen Schlag war alles anders. Es wurde still um sie und jedes Mal wenn man ihr Profil anklickte, waren da drei Fotos. Eines mit ihrem Bruder, eines von ihrem Laden und das eine Bild von Pauline, Corentin, ihr und mir an einem der Abende, an denen wir das Restaurant des Basislager als Club benutzt hatten. Sonst nichts. Es war einfach leer.
"Ich werde jetzt bald zum Hotel fahren, Jungs." Julie gähnte leicht und lächelte meine Teamkollegen höflich an, die alle natürlich zustimmten. "Es war schön euch mal wiederzusehen."
Ich meinte ihre Stimme brechen zu hören, nur ganz leicht.
"Oh, jetzt schon?" fragte ich.
"Ja, Antoine. Ich bin müde und..."
"Ich bringe dich zurück. Paul, kannst du das Bild bitte mitnehmen?" Mein Freund nahm ganz selbstverständlich das Gemälde von Mía in die Hand, klemmte es unter seine Achsel und küsste Julie zweimal links und rechts.

Schweigsam schlenderten wir auf das Hotel zu, welches ich gebucht hatte. Sie hatte mir bereits erklärt, dass sie alleine hier war, weil ihre Freundin nicht freinehmen konnte und sie eh lieber alleine gekommen wäre. Zum Glück hatte sie dieses grauenvolle Stillschweigen von letztens abgelegt.
Ich erzählte ihr von den letzten Monaten auch wie es in Macôn gelaufen war und dass wir beim Präsidenten eingeladen waren. Sie hätte das alles im Fernsehen gesehen, sagte sie.
"Habe ich dir etwas getan?" fragte ich sie dann als wir im Aufzug standen, weil ich vorher immer Angst gehabt hatte, sie würde mir bei der falschen Frage weglaufen.
"Nein", sie schüttelte den Kopf.
"Es war zu spät, habe ich recht?"
Wieder schüttelte sie den Kopf.
"Und warum habe ich dich dann nie mehr wiedergesehen? Es hat mich verrückt gemacht nicht zu wissen, was mit dir ist, warum du mich immer wegdrückst", sprach ich auf sie ein, doch sie senkte nur ihren Blick.
Die Türen öffneten sich.
Noch immer hatte ich keine Antwort erhalten. Ohne mich anzusehen stolperte sie an mir vorbei, die Zimmerkarte in der Hand.
"Julie!"

Ich eilte ihr so schnell es ging nach, versuchte zeitgleich einzusortieren, ob ich denn etwas Falsches gesagt hatte oder ob sie sich einfach wirklich nur geändert hatte. So schnell ich konnte, griff ich nach ihrer Hand, die sie den ganzen Abend über nicht benutzen wollte. Julie reagierte erst auf meine Berührung als sie merkte, wie sehr ihr Arm zurückgehalten wurde.
"Bitte, lass mich los", wisperte sie, zeitgleich steckte sie die Karte in den Schlitz und hielt mit ihrem Fuß die Tür auf. Als ich von ihr abließ, schob sie die Tür auf und wartete bis ich in das kleine Zimmer eingetreten war. Puh, wenigsten schickte sie mich nicht fort. Wäre ja noch schöner. Ich zahlte Hotel, Zug und Lounge und sie würde mich am selben Abend wieder wegschicken.
Seufzend setzte ich mich an den Bettrand und musterte sie. Ihre Haut war farblos, als wäre sie den Sommer über kein einziges Mal nach draußen in die Sonne gegangen, ihre Haare gingen ihr mittlerweile bis unter die Brust und ihr Gesicht strahlte eine solche Trostlosigkeit aus, dass selbst eine Blume verwelkt wäre. Würde ich sie nicht anders kennen hätte ich sie für ein wenig seltsam gehalten.

Langsam legte sie ihre Tasche auf dem kleinen Stuhl vor dem Schreibtisch ab, platzierte ihr Handy daneben und die Zimmerkarte auch. Dann ging alles ganz schnell.

Julie's Sicht:

Dass er da vor mir in meinem Hotelzimmer saß und mich beobachtete, löste in mir dasselbe komische Gefühl wie heute im Restaurant aus. Mental war ich wieder in Moskau und nicht in Marseille. Als hätten sich die letzten Monate gar nicht abgespielt.
Tasche, Handy und Zimmerkarte platzierte ich auf dem Schreibtischstuhl und dachte an all die Worte, die er mir gesagt hatte. Sein trauriger Blick, weil er noch immer diese Gefühle für mich hatte.
Oder war es, weil ich diese Gefühle noch für ihn hatte?
Weil ich mich wieder verliebt fühlte?

Und dann wurde mir klar, dass ich die ganze Zeit über so dumm gewesen war.
Antoine wusste nicht, wie es mir ging und musste es auch nicht wissen, wenn ich wenigstens nur einem Abend unsere Gefühle nochmals zuließ. Für ihn und für mich.
So schnell ich konnte drehte ich mich herum, steuerte direkt auf ihn zu, nahm sein Gesicht so gut es ging in meine Hände und presste meine Lippen auf seine. Dieses unbeschreibliche Gefühl breitete sich in mir aus.
Langsam ließ er sich zurückfallen und zog mich mit sich auf's Bett. Es schien auch ihm so zu gehen. Die gesamte Situation war wie am Abend des Finals am 15. Juli.
"Ich hab dich so vermisst", sagte er zwischen zwei Küssen und fuhr mit seinen Händen meine Seiten auf und ab.
"Du weißt nicht, wie lange ich mich nach diesem Moment gesehnt habe", fuhr er fort und streichelte mich leicht am Rücken, wo seine Hand zum liegen gekommen war. Ich stützte mich mit den Händen links und rechts von seinem Kopf ab und musste schlucken.
"Ich habe es auch vermisst", wollte ich ihm sagen, doch mein Mund machte nicht was er sollte. Nein, dachte ich mir, bitte nicht jetzt. Antoine runzelte bei dem seltsamen Gegrunze, das aus meine Mund kam die Stirn, dann sackte mein linker Arm zusammen und ich fiel ruckartig auf ihn. Nein, wieso musste das denn jetzt wirklich passieren?
"Oh Gott, Julie, bist du ohnmächtig?" Er schob meinen Körper von seinem und wischte vorichtig die Strähnen aus meinem Gesicht, weil man mich nicht erkennen konnte. Verkrüppelt lag ich auf meinem Arm und spürte wie sich der Frust schon in meinem Körper ausbreitete. Diese düstere Wolke kam nun wieder aus meiner Magengegend hervor und wanderte bis hoch in meinen Kopf. Ich musste warten, bis der Anfall vorbei war.
"Julie, was ist los?"
Voller Besorgnis hatte er seine Stirn gerunzelt und mir die stumme Träne von der Nase gewischt. Ich presste sie als Antwort heraus.

Plötzlich kämpfte ich mich schwermütig aus dem Bett was ohne meinen linken Arm nicht wirklich funktionieren wollte und stolperte ins Badezimmer, wo ich den sauren Geschmack meines Mageninhalts schon in meinem Mund spürte. Schwungvoll ergab ich mich in die Toilette, hüstelte und würgte. Warme Hände strichen mir die Haare zurück, hielten sie am Hinterkopf. Ich wollte nicht dass er mich in diesem Zustand sah, dass er bemerkte, wie es mir wirklich ging...
Endlich bekam ich mein Gefühl ihm Arm zurück und griff nach seinem Handlenk, um es zu drücken. Nachdem ich wieder aufhören konnte mich zu übergeben, lehnte ich meinen Kopf an meinen halbtauben Arm und ließ die Tränen einfach laufen. Es war ein grausames Gefühl, wenn mein Kopf alles abstellte.
"Was war das?" fragte Antoine, dessen Gesicht käsebleich geworden war. Er sah aus als hätte er einen Geist gesehen.
"Mein...mein Glioblastom."

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Katsching, da sind wir wieder 🙂
Dieses Kapitel ist mir besonders schwer zu schreiben gefallen und ich hoffe, dass ich es einigermaßen rüberbringen konnte.
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Außerdem möchte ich ausdrücklich daran erinnern, dass ich von solchen Krankheiten etc. absolut keine Ahnung habe und ich die Situationen alle nur so beschreibe, wie ich sie mir selbst vorstelle.
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Wie ihr euch vorstellen könnt, sitze ich zur Abwechslung mal wieder im Zug und musste mich beschäftigen, somit ein schönes Wochenende 💕

Julie ~ A.GriezmannWhere stories live. Discover now