3 - Comme un Klitschko

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„Und glaub mir, einige der Jungs sind wirklich süß", schwärmt Pauline verträumt und rührte in ihrer Tasse Kaffee, ich hingegen beschäftigte mich mit der unfertigen letzten Tür vor mir. Heute musste ich noch fertig werden, ansonsten würde ich abreisen und diese eine Tür war noch hellgrau. Am Ende bekäme ich dann keinem Cent, weil Griezmann unzufrieden wäre.
„Der hier sieht furchtbar unsympathisch auf dem Bild aus", murmelte ich, weshalb Pauline sich nach vorne lehnte und es mir aus der Hand nahm. Er strahlte eine gewisse Attitüde aus, die ich nicht leiden konnte.
„Was?" Pauline quietschte fast vor Entsetzen.
„Was denn?" Ich nahm gelangweilt den Pinsel in die Hand und begann die ersten Farbtupfer auf die Tür zu bringen.
„Bist du wahnsinnig? Grizou ist einer der nettesten Spieler der Équipe! Und auch äußerlich, wenn du verstehst." Pauline wackelte mit den Augenbrauen, was mich zum lachen brachte.
„Das sieht ulkig aus", kicherte ich und meine neugewonnene Freundin wiederholte das Gewackle nochmals.
„Hach", seufzte sie. „Hätt ich nicht Emmanuel, dann wäre er ganz oben auf meiner Liste." Erneut nahm sie einen großen Schluck ihres Kaffees und holte ihr Handy hervor.
„Findest du ihn wirklich nicht gut?" Selbst nachdem ich mir mehrere Fotos von ihm angesehen hatte, die Pauline für mich herausgesucht hatte, konnte ich mich noch immer nicht überzeugen. Ich schüttelte den Kopf.
„Gut", sie zuckte mit den Schultern, „dann bleibt mehr für mich zum Anschauen." Pauline bleckt ihre Zunge und wir tauschten Handy gegen Bild. Ich wollte diesen blöden Griezmann bald fertig bekommen, ob gutaussehend oder nicht.
„Hast du in Nizza eigentlich einen Freund?" fragte sie mich beiläufig.
„Nein, hat sich bisher seit meiner Zeit in Lyon nicht mehr ergeben. Bin für's alleine sein geschaffen."
„Dann müsstest du fast zuschlagen, aber die meisten Jungs sind vergeben", murmelte sie.
Ab diesem Moment stellte ich meine Ohren für die Thematik Flirts auf Durchzug, weil ich mich konzentrieren wollte.

Gerade als ich mir die blaue Farbe zusammen gerührt hatte, hörte ich einen spitzen Schrei von Pauline. Und ehe ich mich versah war der Farbbecher umgeworfen, die gesamte Tür nur mehr eine Mischung aus blau mit grau und meine Hose nahm den Farbton auf wie ein Schwamm.
„Oh mein Gott", schrie sie und tippelte wie verrückt durchs Zimmer. Entsetzt starrte ich auf die Farbe, welche mittlerweile bis zum Rand verlaufen war und auf die Unterlage tropfte.
Pauline krallte sich mit ihren Fingernägeln tief in meine Schulter, da sie sich nun hinter mir zu verstecken schien.
„Pauline", wetterte ich. „Wenn es jetzt keinen anständigen Grund dafür gibt, dass du die letzte Tür zerstört hast, köpfe ich dich!" Die Pariserin lehnte sich nach vorne um über meine Schulter einen Blick auf die Sachlage zu erhaschen. Entsetzt hielt sie ihre Hand vor den Mund.
„Julie das tut mir leid... ist...", sie zögerte bevor sie weitersprach, „eine Spinne Grund genug oder sollte ich nun besser laufen gehen?" Zum Ende hin wurde ihre Stimme immer piepsiger. Ich holte tief Luft. Jetzt bloß nicht aufregen, Julie, sowas konnte mal passieren, absolut kein Stress.
„Wenn du mir eine geeignete Lösung für dieses Problem hier gibst, dann verschone ich dich vielleicht."
Als ich aufstand sah das vor mir nach einer absoluten Katastrophe aus. Hierdrauf konnte ich keine Zeichnung mehr anfertigen, alles war blau.
„Du stellst Forderungen." Pauline tippte sich rätselnd ans Kinn, anschließend konnte man wortwörtlich eine Glühbirne über ihrem blonden Haarschopf angehen sehen und sie eilte in den Flur. Ich hinterher.
„Das ist perfekt! Wir müssen nur die Türen tauschen. Auf die kannst du irgendwas zeichnen und deine Tür wird die von Grizou ganz easy!" Begeistert klatschte sie in die Hände, dann sah ich hinein und musste ihre Euphorie tragisch zunichte machen.
„Hast du denn die nötige Fähigkeit eine kiloschwere Feuerschutztür auszubauen?" Rätselnd sah sie wie ich ins Innere des Zimmers und presste die Lippen aufeinander. Toll, also hatten wir beide absolut keinen blassen Schimmer, wie man das erledigen sollte.
„Ich nicht, nein, aber vielleicht..."

Tja, gesagt getan. Dimitri, ein russischer Bauarbeiter, war eine halbe Stunde nach Paulines verzweifeltem Anruf aufkreuzt, hatte die Türen getauscht und ich hatte nun nochmals die Chance diese Tür perfekt werden zu lassen, egal wie wenig mir dieser Kerl gefiel. Es gab da nämlich einige bei denen ich ein seltsames Gefühl hatte. Insbesondere wenn ich daran dachte mit all diesen Leuten bald mehrere Wochen in einem Hotel gefangen zu sein und ich möglichst gute Bilder von ihnen machen sollte. 
Manchmal fragte ich mich sogar weshalb Didier denn genau auf mich gekommen war! Selbst wenn mein Vater von mir erzählt hatte gab es da wesentlich bessere Künstler als mich, die diese Gemälde vermutlich noch filigraner und realitätsnäher gezeigt hätten.

Ich brauchte ein paar Stunden bis ich den letzten Pinselstrich zog und glücklich mein Werk betrachtete. Mittlerweile war es schon neun Uhr abends. Die Müdigkeit setzte auch dementsprechend schnell ein.
„Pauline", rief ich in den Flur, „ich bin fertig!" Schon vermahm man leises Getippel im Gang, was von ihren Hausschlappen kam, die sie anscheinend bewusst für den neu eingelegten Teppich gekauft hatte. Flecken waren ein No-Go.
„Zeig her", tauchte sie breit grinsend in der Tür auf und stellte sich zu mir um mein Bild zu betrachten.
„Die ist genauso toll wie der Rest", begann sie zu schwärmen.
„Nur hat die hier gefühlt hundert Stunden gedauert." Meinen Seufzer verstand sie als kleine Anschuldigung und holte tief Luft. Bestimmt wollte sie sämtliche Erklärungsversuche auf mich einprasseln lassen, doch ich stoppte sie mit meiner erhobenen Hand.
„Du bist nicht Schuld Pauline. Die Spinne war es", versicherte ich ihr.
„Oh", sie verstand meine Anspielung und nickte zustimmend. „Die Spinnen hier in Russland sind schon eine besondere Sorte, die haben richtig fette Muskeln in den Vorderfüßen." Ich kicherte bei dieser Aussage leise.
„Natürlich, richtige Klitschkos."

Julie ~ A.GriezmannWhere stories live. Discover now