F O R T Y

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F O R T Y | Noch immer schweigend betraten wir den ersten Stock des kleinen Gebäudes, in das wir soeben getreten waren, eine leise Klingel ertönte, dann setzten wir uns in ein vollkommen leeres Wartezimmer. Auf den Stuhl sinkend glitt mein Blick zu Harry, der schon saß. In seinem Blick lag etwas Unergründliches.

Kurz darauf kam auch schon eine etwas molligere Frau in das Wartezimmer geschritten. Sie sah sympathisch aus, hatte ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht und ihre Haare waren schulterlang, blond und lockig. Sie hatte einen Pony. 

"Hallo, ihr beiden. Ihr müsst Harry Styles und Amalia Donovan sein, nicht wahr?", fragte sie in einer sanften, melodischen Stimme. Ihre braunen Augen funkelten verspielt. Ich nickte überfordert und folgte Harrys Geste, als er sich aus dem Stuhl erhob.

"Genau, kommt mal mit. Wir gehen in mein Sprechzimmer. Harry, du hast mir die Situation ja schon ein wenig geschildert. Ihr seid da, weil ihr Fragen über das Übernatürliche habt, hab ich das richtig verstanden?", fragte sie, aber es klang, als wüsste sie, dass dem so war. Wieder einmal nickte ich unbrauchbar.

"Ich hoffe, es ist okay, wenn ich euch duze. Ich finde, das gibt eine etwas engere Verbindung. Die braucht man so manchmal, wenn man den Klienten etwas für die Zukunft mitgeben will. Aber es ist Gang und Gebe in dieser Industrie. Nun gut." - wir waren ihr inzwischen in ein kleines, dunkles Zimmer gefolgt, in dem einige angezündete Duftkerzen standen. Es roch nach Lavendel und Zimt. Sie setzte sich auf einen bequem aussehenden, schwarzen Ledersessel und Harry und ich setzten uns ihr gegenüber auf eine ähnlich designete, schwarze Ledercouch - "dann beginnen wir mal."

Ihre Augen musterten mich aufmerksam, sie schien direkt in mich hineinzublicken. Mich unwohl fühlend rutschte ich auf meinem Sitzplatz hin und her. "Entspann dich, Liebes. Ich sehe, du bist viel zu sehr gestresst in letzter Zeit, und das dauerhaft."

"Darauf deute ich sie schon länger hin.", brummte eine tiefe Stimme neben mir. Empört blickte ich zu Harry herüber. 

"Sie sollten als Hellseherin sicher wissen, dass der Stress berechtigt ist.", gab ich verbittert zurück.

"Du kannst mich Katherine nennen, natürlich auch Miss Emmerson, wenn es dir lieber ist. Gewiss sehe ich, dass dein Stress nicht irgendein Arbeitsstress ist. Da ihr auch Fragen über das Übernatürliche stellen wollt, gehe ich davon aus, dass ihr damit eine schlechte Erfahrung gemacht habt?", fuhr sie fort. Ich hatte Mühe, nicht in ein ironisches Kichern auszubrechen. Ich war missmutig und misstrauisch.

"Mehrere ziemlich schlechte Erfahrungen.", antwortete Harry ehrlich, "sagen wir mal, wir haben so etwas wie einen Geist an der Backe."

"Einen Geist mit einem Zauberbuch, welches unzerstörbar ist.", fügte ich hinzu. Ich spürte Harrys bösen Blick auf mir, aber ich ließ mich nicht beirren. Wir wollten Antworten, und ich würde es nicht wieder so wie im Pfarrerhaus machen. Wenn sie etwas wusste, sollte sie es sagen.

"Ich erkenne Spannung zwischen euch beiden.", meinte sie offen. Ich unterdrückte ein Seufzen. Wer erkannte die Spannung nicht? Aber es war immer dasselbe. Ich stand nicht hinter Harrys Meinung, und er meistens nicht hinter meiner. Noch dazu kam das Gespräch auf dem Weg hierher, welches schon wieder dieses unangenehme Schweigen zwischen uns ausgelöst hatte. Ich wünschte, er hätte meine Worte geschätzt. Ich hatte sie ernst gemeint.

"Können wir bitte beim Thema bleiben? Die Spannung ist nämlich fast immer da.", seufzte ich leise.

"Natürlich.", sie musterte mich, "du meintest das mit dem Zauberbuch ernst, nicht wahr?"

"Hören Sie mal, wir wären nicht hier, wenn wir nicht total verzweifelt wären. Wir wollen einfach wissen, ob jemand wie Sie eine Ahnung hat, wie man das Übernatürliche bekämpft oder vielleicht sogar, wie man unkaputtbare Zauberbücher zerstört.", seufzte ich frustriert. Wieder dieser lesende Blick ihrerseits.

Relapse (H.S.)Where stories live. Discover now