T H I R T Y F O U R

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T H I R T Y F O U R | Etwas presste viel zu fest gegen meinen Mund und Nase und meine Hände fühlten sich feucht an. Ich sah nichts, konnte nicht sagen, ob meine Augen offen oder geschlossen waren. Obwohl ich mich wehren wollte, brachte ich keine einzige Bewegung zustande. Dann knickten meine Knie unter mir weg, doch ich landete nicht auf dem Boden. Der Druck an meinem Gesicht hielt mich gegen die Wand hinter mir genagelt stehen.

Doch der Druck löste sich schnell von mir und ich schnappte hilflos röchelnd nach Luft und knallte schließlich doch auf allen Vieren auf dem kalten, harten Boden. Irgendwo von links hörte ich das Rauschen von Autos über das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren hinweg. Dann setzten die Tränen ein, während ich noch immer laut nach Luft schnappend mit meinen zitternden und nachgeben wollenden Armen kämpfte. Ich fühlte mich schrecklich, schwach und krank. Ich wollte in mein Bett, zu Noah, wollte kuscheln mit ihm und Indie. Ein Schluchzer entfuhr mir unkontrolliert.

"Mali?", hörte ich jemanden besorgt über mir murmeln. Meine Augen flatterten auf und eine Träne tropfte zeitgleich auf den dunklen Asphalt.

"Noah?", flüsterte ich heiser, weil es nur Noah sein konnte, der mich so nannte. Unter Tränen hob ich das Gesicht an.

"Nein, das- das bin nur ich.", murmelte die Stimme, während meine Augen sich an das helle Licht gewöhnen mussten, erst dann machte ich Harrys in Sorge verzogenes Gesicht aus. Er zitterte selbst, als er sich zu mir beugte und mich sanft an den Ellenbogen nahm, um mir aufzuhelfen. Ich richtete den Blick nicht von seinem Gesicht ab, auch wenn ich eine kurze Welle der Enttäuschung spürte, die ich nicht nachvollziehen konnte.

"Nur Noah hat mich so genannt.", erwiderte ich kaum hörbar, meine zitternden Hände ballend, um sie zu stabilisieren. Wieder merkte ich, wie feucht sie waren, und als ich einen kurzen Blick riskierte, sah ich, dass sie blutüberströmt waren. Kurzer Schwindel erfasste mich bei dem unerwarteten Anblick. Wieder griff Harry stabilisierend an meinen Oberarmen.

"Tut mir leid, ich- war nur ziemlich besorgt, es ist mir einfach-"

"Schon okay.", murmelte ich, als ich mich gegen die Wand hinter mir lehnte, "es stört mich nicht. Es kam nur.. unerwartet." . Kurz scannten meine Augen die Umgebung ab, um zu erfassen wo wir waren. Es war eine Seitengasse, unauffällig, aber nicht unsichtbar für vorbeilaufende Passanten an der Straße fünfzehn Meter entfernt. Zum Glück waren nicht viele Leute unterwegs. Wahrscheinlich waren wir in der Nähe der Bibliothek, aber so ganz erkannte ich die Gasse nicht. "Was ist passiert?", fragte ich schließlich zögernd. Wirklich wissen wollte ich es nicht.

Harry schwieg ein paar Sekunden, bevor er antwortete. "Dein Verstand hat einfach ausgeschaltet. Gut, dass ich es in deinen Augen gesehen hab, bevor du irgendwelche Regale umwerfen konntest. Ich hab dich nach draußen gebracht, auch wenn fast alle kritisch zugeguckt haben. Du hast ziemlich gezittert. Dann bist du kurz vor der Tür vollkommen ausgetickt und hast versucht mich zu schlagen, also hab ich dich in die nächstbeste Gasse gezogen, wo dich niemand so schnell sieht. Du standest völlig neben dir und hast versucht mich zu verprügeln, weil ich dich hinterher geschleift hab, dabei hast du auch ein paar Mal die Wand erwischt." Seine Hände waren bei seinen letzten Worten auf meine Hände gerichtet, die inzwischen angefangen hatten, schmerzhaft zu pochen.

"Hab ich dich getroffen?", fragte ich leise und versteckte meine Hände in den Jackentaschen, um sie von seinen Blicken zu schützen.

"Ich denke, das war unvermeidlich.", seufzte er. "Aber nichts Schlimmes. Gut, dass ich weiß, wie man kämpft oder ausweicht.", hängte er scherzend an, verstummte aber schnell bei meinem Gesichtsausdruck, "deine Hände hat es wahrscheinlich schlimmer getroffen als mich. Geht's?"

Ich nickte stumm. Harry schien nicht zu wissen, was er darauf antworten sollte und schaute sich unwohl fühlend um. "Tut mir leid, wenn ich dir wehgetan hab. Du hast angefangen zu schreien, ich wollte keine Aufmerksamkeit auf uns richten, da hab ich dir den Mund zugehalten. Das war schwer, so wie du dich gewehrt hast."

Relapse (H.S.)Where stories live. Discover now