T H I R T Y E I G H T

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T H I R T Y E I G H T | Ich träumte diese Nacht von ihm. Wir kamen uns näher und näher, wir lachten zusammen. Wir hatten beide ein Leben, in dem es keinen Grund zur Trauer gab. Wir waren nicht einsam, oder verzweifelt. Wir waren glücklich. Er war glücklich, und ich hielt krampfhaft an diesem Bild von ihm fest, während etwas versuchte, mich von ihm zu reißen und ihn loszulassen. Er lachte, es war ein schöner Klang, aber er driftete immer weiter weg.

Bis ich die Augen aufschlug und geradewegs in zwei grüne über mir starrte. "Auch endlich wach?", brummte er und richtete sich auf, "fast wünsche ich mir deinen leichten Schlaf zurück, das war ein volles Workout, dich aufzuwecken."

"Ach halt die Klappe.", murmelte ich schlecht gelaunt. Mein Traum-Harry wurde durch diesen Miesepeter ersetzt, und das war schon ein Grund genug, um zu trauern. Noch dazu waren wir uns gestern nicht näher gekommen, zumindest nicht mehr nach unserem Gespräch. Stattdessen hatte er rumgezickt, weil ich die Bilder der Mappe hatte sehen wollen. Und natürlich hatte ich sie immer noch nicht gesehen.

"Darf ich jetzt auch endlich mal die Mappe lesen?", brummte ich, nachdem ich mich träge aufgesetzt hatte.

"Bei deiner Aufdringlichkeit hätte ich gerne nein gesagt, aber dein Ruhetag ist jetzt leider vorbei und wir müssen weitermachen. Also muss ich dir leider genau das geben, was du willst, und irgendwie nervt mich das.", er verdrehte die Augen und warf mir das Handy zu, welches gegen meine Brust knallte, weil meine Reflexe noch am Schlafen waren.

"Au.", jammerte ich und griff schlecht gelaunt nach dem Handy in meinem Schoß. "Zicke.", knurrte ich, ließ mich dann aber nicht weiter ablenken, als er etwas zurück grummelte und öffnete meine Galerie.

Mai 1876, Charles Jillson.
Charles ist nach Langem in den Beichtstuhl zurückgekehrt. Für einen Buben von zehn Jahren klang er ernstlich bekümmert. Er sprach von einer unerklärlichen Abneigung gegen das Haus Gottes. Während er sprach, verspürte ich einen grausenden Hass von seinem Leibe ausgehen. Als ich ihn fragte, was denn passiert sei, erzählte er von einem magischen Buch, welches er beim Spiel im Wald entdeckte. Auch erzählte er, dass es in der Erde vergraben gewesen war, und doch sei es in einem wohlerhaltenden Zustand gewesen. Seine Wortwahl verriet großes Interesse an diesem Werk, und nach Fragen meinerseits gab er zu, das Buch nur sehr schwer und nicht für Lange weglegen zu können. Ich hörte das Verlangen in seiner Stimme, welches aufkam, wenn er von diesem Teufelswerk sprach und mir wurde klar, dass dieses Buch vernichtet werden musste. Charles bat daraufhin um Vergebung. Seine vergossenen Tränen legten seine Aufrichtigkeit dar.

Juli 1876, Charles Jillson.
Ich habe Charles lange nicht mehr in meiner Messe gesichtet. Mariah, seine Mutter, kommt nach der Messe des Öfteren zu mir und klagt über Wutausbrüche in ihrem Hause, wenn Gottes Name auch nur erwähnt wird. Scheinbar weigert sich Charles ebenso, sich in die Nähe des Hauses Gottes zu wagen. Das Böse lauert in ihrer Gegenwart, wenn sie davon berichtet. Mir ist bewusst, das dies nur das Werk des Teufels sein kann. Des letzten Sonntages bot ich ihr einen Hausbesuch an, den sie dankend annahm.
Nach dem gestrigen Mittagsmahl begab ich mich zum Jillson Anwesen. Das Gebäude machte selbst von außen einen sehr bedrückten Eindruck. Ich konnte die negative Energie schon von Weitem spüren. Mariahs blässliches Gesicht zeigte große Sorge. Sie beichtete, dass etwas Seltsames sich in ihrem Hause abspiele. Selbst bei genauerem Nachfragen wagte sie es nicht, etwas zu erzählen. Alles, was sie zu sagen wagte, war, dass Charles ihr große Angst mache.
Bei Betreten seines Gemaches konnte ich die Augen nicht von den dunklen Zeichnungen schwarzer Wirbel abwenden. Das Böse geht definitiv von diesem Raume aus. Charles selbst trug einen besessenen Ausdruck auf seinem rot befleckten Gesicht. Die fast schwarzen Hämatome unter seinen beschatteten Augen können nur von einer Besessenheit stammen. Er reagierte selbst bei direktem Ansprechen nicht auf mich, als sei ich gar nicht dort. Erst, als dass ich sein Zauberbuch erwähnte, sah er zu mir. Seine Stimme war kratziger als sonst, als er lächelnd, ja sogar stolz darüber erzählte, dass die Zaubersprüche funktionierten. Er habe es geschafft, und nun spuke es im Hause. Es brauchte ein starkes Gebet, um Charles zu angemessenem Verhalten zu bringen. Erst da gab er zu, dem Buch nicht widerstehen zu können und wisse nicht dagegen anzukämpfen. Als ich fragte, es zu sehen, fiel er zurück in alte Muster, weigerte sich mit allen Mitteln und demselben besessenen Ausdruck und lachte in gezwungenen, atemlosen Ausbrüchen. Ich wies ihn darauf hin, dass Gottes Vergebung nur möglich sei, wenn er den Teufel besiegen könne. Nach seinem darauffolgenden, verzerrenden Schrei sah ich keinen Sinn darin, ihn weiter zu bereden und suchte Mariah auf. Ich klärte sie über die Situation auf und wir einigten uns auf einen Termin, an dem ich ihr mögliche Lösungen auflisten würde.

Relapse (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt