T H I R T Y S E V E N

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T H I R T Y S E V E N | Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, hatte ich das Gefühl, in einem anderen Zeitalter aufgewacht zu sein. In mir hing noch immer dieser tiefe Schlaf, der es mir fast unmöglich machte, die Augen zu öffnen. Doch als ich endlich das still vor mir liegende Zimmer erblickte, erkannte ich durch das Fenster die hochstehende Sonne, die auf den Mittag hindeutete.

"Harry?", murmelte ich heiser, und für einen kurzen Moment war meine gebrochene Rippe vergessen, bis ich versuchte, mich aufzusetzen und wieder zurück ins Kissen fiel. Ich bekam keine Antwort. Stöhnend stützte ich mich mit meinen Armen, bis ich hoch in eine sitzende Position kam.

"Harry?", rief ich nochmal, diesmal etwas lauter und deutlicher. Abermals kam keine Antwort zurück. Die Badezimmertür war leicht geöffnet und der Raum dahinter dunkel. Er war wieder einmal abgezischt, ohne mich.

Stell dich nicht so an, Amalia. Du hast eine gebrochene Rippe, er meint es nur gut. Ich seufzte. Ich wusste, mein Unterbewusstsein hatte recht, aber dieser Gedanke, alleine in diesem langweiligen Zimmer zu sitzen, während er sonst was tat oder gar unserem Geheimnis näher kam, ärgerte mich irgendwie. Es könnte was weiß ich wie lange dauern, bis er wiederkam...

Augenblicklich schoss mein Kopf zu meinem Nachttisch, um zu sehen, ob mein Handy dort lag. Natürlich nicht. Ich hatte ein Gefühl, wo es sein könnte, aber da es meine Wut nur noch weiter steigerte, versuchte ich mir einzureden, dass Harry es schon irgendwo hingelegt haben könnte. Ich riss die Schublade im Nachtschränkchen auf, quälte mich dann auf die Beine und suchte meine Kleider und den Schrank durch, und als ich es nicht fand, schaute ich sogar im Badezimmer nach, aber vergeblich. 

Ich setzte mich leicht erschöpft wieder aufs Bett. Wieso hatte er mein Handy mitgenommen? Hatte er die Berichte etwa schon gelesen und dachte, ich würde mit dem Inhalt nicht klarkommen? Hatte er etwas herausgefunden, wodurch er dachte, es würde mich nur zu sehr stressen? Was war sein verdammtes Ziel? "Harry!", stieß ich frustriert aus, "wenn du wieder kommst und deinen Arsch in dieses Zimmer bewegst, knallt es." Ich wünschte, er hätte mich gehört, aber natürlich war das unmöglich.

Gleichzeitig dachte ich mir, was er sich bloß dabei gedacht hatte. Ihm würde doch bewusst sein, dass ich ihn zusammenschreien würde, bis meine Stimme versagte, wenn er wiederkam. Er wusste doch, dass ich es hasste, nicht zu wissen, was los war. Vollkommen egal, ob er mich nun schützen wollte oder nicht. Und mich alleine in diesem Zimmer zu lassen ohne Handy war bescheuert. Wenn ich wieder einen meiner Anfälle bekommen würde, wäre ich dem hilflos ausgesetzt. Wenn ich dabei wegrennen würde, hätte er gar keine Gelegenheit mich zu erreichen. Und ich traute mir momentan selbst nicht mehr. 

Meine Finger spielten unruhig miteinander, ich konnte nicht herunterfahren. Wo war er denn so lange? Würde er wirklich einen ganzen Tag lang verschwinden, ohne mir Bescheid zu sagen, mir nicht einmal einen Zettel da zu lassen? Augenblicklich kamen die Erinnerungen wieder hoch. Dieser eine Tag, an dem ich dort aufgewacht war und Harry einfach spurlos verschwunden war. Und plötzlich bekam ich Angst, dass sich die Vergangenheit wiederholte.

Wo sollte ich denn weitermachen? Ich konnte nicht wieder beim Pfarrer einbrechen, beim zweiten Mal in wenigen Tagen würde das niemals gut gehen. Ich hatte keinen Anhaltspunkt und noch dazu konnte ich nichts machen. Mein Körper würde versagen, bevor ich überhaupt anfing. Ich würde elendig untergehen.

Ich starrte angespannt und ohne zu blinzeln auf meine zitternden Hände. Mir war bewusst, zu was für einem Wrack ich innerhalb weniger Wochen geworden war, und doch konnte ich nicht aufhören. Ich hatte Angst, dass es jeden Moment zu spät sein könnte. Dass sie mich jeden Moment umbringen könnten, wenn sie wieder einmal die Kontrolle über mich ergriffen oder ich mir wieder etwas einbildete und mich selbst umbringen würde. Ich hatte Angst, dass ich jeden Moment gefunden und in eine Anstalt gesteckt werden würde, wo ich für den Rest meines Lebens versauern müsste. All dieser Druck machte mich paranoid.

Relapse (H.S.)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon