T H I R T Y F I V E

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T H I R T Y F I V E | Mein Schlaf in der folgenden Nacht war nicht der festeste, auch wenn die Schmerzmittel ganz gut zu wirken begonnen hatten. Jeder Atemzug schmerzte noch immer und ich befürchtete, dass sich das auch nicht so schnell ändern würde.

Es erklärte sich also von selbst, dass ich aufwachte, als Harry sich eher schwerfällig aus dem Bett hob und leise begann, in seiner Tasche zu wühlen und Kleidung herauszuziehen. Stumm beobachtete ich ihn dabei, wie er sich eine Hose über seine Boxershorts zog und sich dann das T-Shirt auszog, um sich ein frisches anzuziehen. Mein Herz rutschte mir in die Hose, als ich seinen Oberkörper betrachtete.

Er war von dicken, geschwollenen Kratzern überseht, wie die, die er mir einst mal vor meinem Büro auf seinem Rücken gezeigt hatte. Und auf seiner Brust und seinem Bauch bildeten sich dunkelblaue Flecken, und irgendwas sagte mir, dass es meine Fäuste gewesen waren, als er vor der Bibliothek versucht hatte mich zurückzuhalten.

Das scharfe Luft holen meinerseits löste ein lautes Wimmern aus, woraufhin Harry zu mir herüberblickte. "Wieso schläfst du nicht?", fragte er.

"Wohin gehst du?", erwiderte ich ohne eine Antwort auf seine Frage. Er zog unzufrieden die Augenbrauen zusammen.

"Lenk nicht ab.", brummte er.

"Gut. Ich bin wach, weil meine Rippen gebrochen sind. Wohin gehst du?", wiederholte ich. Er seufzte, ich merkte, wie er nachdachte. "Denk bloß nicht daran, mir eine Lüge aufzutischen.", knurrte ich.

"Ich hole die Mappe. Wir brauchen sie.", murmelte er widerwillig. Sein Blick wich meinem aus und landete stattdessen auf der Wand gegenüber vom Bett.

"Und wieso sagst du mir das nicht?", fragte ich aufgebracht. Die Anspannung tat meinen Rippen zwar weh, aber sein Schweigen schmerzte mehr, "denkst du, ich krieg das nicht hin?"

"Um ehrlich zu sein, Amalia, nein, eigentlich nicht. Du würdest es zwar schaffen, aber es würde deinem Körper eher schaden. Du solltest dich schonen.", erklärte er etwas deutlicher sprechend und sah mich endlich an.

"Nein.", entgegnete ich entschlossen und warf träge meine Beine über die Bettkante. Es verlangte mir definitiv ein wenig Kraft und eine hohe Schmerzgrenze ab, aber ich stand schnell auf den Füßen. "Das ist auch meine Sache, ich komme mit."

"Bitte, leg dich wieder hin.", seufzte er.

"Und wenn ich wieder so einen Anfall hab, während du weg bist? Ich komme mit, Harry, da ist keine Möglichkeit, dass ich hier bleibe, während du der Lösung näher kommst. Gebrochene Rippen hin oder her.", erklärte ich festen Willens.

Daraufhin erwiderte er nichts mehr. Wahrscheinlich stimmte er mir zu, als ich die Anfälle erwähnte, und so wehrte er sich nicht, als ich mir irgendwelche Kleidung zusammensuchte und im Bad verschwand, um mich anzuziehen.

Zehn Minuten später befanden wir uns auch schon in der kühlen Nachtluft, auf dem Weg zum Pfarrerhaus. "Hast du dir Gedanken gemacht, wie wir reinkommen?", fragte ich schließlich atemlos. Der Fakt, dass ich nicht mal normal Luft holen konnte, machte mir Harrys schnellen Gang nicht einfacher, aber ich wollte nicht meckern. Es war mitten in der Nacht und wir wollten schließlich nicht erwischt werden.

"Denkst du, ich bin dumm? Natürlich.", erwiderte er schockiert.

"Dein Ernst? Bis heute Mittag hatte ich das eigentlich nicht gedacht, aber dann bist du ohne Plan beim Pfarrer aufgekreuzt und wusstest nicht mal, was du wolltest. Das war schon ziemlich dumm.", brummte ich Luft schnappend. Er widmete mir einen kritischen, analysierenden Blick und musterte mich von oben bis unten. 

"Wehe, du kommst jetzt mit, 'ich sagte doch, du sollst im Bett bleiben'", machte ich ihn mit einer tiefen, meckernden Stimme nach, "sonst schlag ich dir doch noch die Zähne aus dem Gesicht und hole nach, was ich in der Bibliothek verpasst hab." Er lachte jedoch nur kurz auf.

Relapse (H.S.)Where stories live. Discover now