T H I R T Y T H R E E

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T H I R T Y T H R E E | Trotz der frühen Sonne, die über unseren Köpfen stand, lief ich mit gesenktem Kopf und übergezogener Kapuze neben Harry her, er mit einem Kaffee in der Hand. Dies schenkte uns viele unangenehme und vor allem unwillkommene Blicke anderer Passanten ein. Dadurch, dass wir in einer Kleinstadt unterwegs waren, in der ich auch noch aufgewachsen war und somit einige der Leute mich kannten, waren wir mehr als nur auffällig. In Manchester hätte dies keine große Aufmerksamkeit erlangt, in Großstädten waren viele seltsame Leute unterwegs.

Hier, wo man sich kannte, war dies ein eher auffälliges und verdächtiges Verhalten. Ich spürte die Blicke der Leute, die uns nachschauten, während wir schnellen Schrittes durch die Straßen liefen und auf die kleine Stadtbibliothek zusteuerten.

"Sind wir bald da, Harry? Ich sehe nicht viel.", seufzte ich gestresst. Ich beneidete Harry. Harry, der nicht eben noch in den Nachrichten gezeigt wurde. Harry, den hier sowieso niemand mehr kannte, weil er seit fast neun Jahren als verschwunden galt. Solange wir nicht seinen Eltern begegneten, die ihm einen genaueren Blick schenken würden - was wohl passieren würde, so auffällig wie ich durch die Straßen lief - , war alles in bester Ordnung.

"Noch eine Straße. Ich sehe sie schon.", antwortete er und beschleunigte seinen Schritt nochmals. Fast joggend folgte ich ihm, bis wir kurz darauf ein paar Treppenstufen nach oben liefen und den leicht gekühlten Vorraum zur Bibliothek betraten. Erleichtert zog ich mir die Kapuze vom Kopf und betrat in Harrys Schatten die eigentliche Bibliothek, wo ich bewusst meinen Kopf von der Theke wegdrehte und vorgab, das erste Regal zu betrachten.

"Komm.", sagte Harry und steuerte zielstrebig in den hinteren Teil der Bibliothek, bis wir am Regal der lokalen Geschichte ankamen.

"Woher wusstest du, wo wir hin müssen?", fragte ich überrascht. Harry deutete auf einen Bereich zwei Regale weiter, wo ein Schild hing: "Weltgeschichte"

"Ich habe hier schon so einige Aufsätze für Geschichte in der Schule geschrieben. Unser Lehrer damals war unfähig zu erklären, also bin ich mit-", er stockte kurz, während ich den Blick einer schmerzhaften Erinnerung auf seinem Gesicht erhaschte, "mit Finn hierher gekommen und hab gelernt.", fuhr er leise fort. Seine Augenbrauen zogen sich kurz in Trauer zusammen, bevor er sich wieder fing und sich enthusiastisch dem Buchregal widmete.

"Eine alte Villa mit reichen Vorfahren. Da muss es doch sicher Artikel, wenn nicht sogar ein Buch dazu geben. Jillson.", das letzte Wort flüsterte er nachdenklich vor sich her, während er offensichtlich nach dem Abteil des Buchstaben J suchte.

"Harry... Wieso denkst du, dass es zur Jillson Villa Artikel gibt?", fragte ich zweifelnd. 

"Denk doch nach. Wieso wollte niemand einziehen?", kurz sah er auf und schenkte mir einen Blick, als hätte ich etwas offensichtliches übersehen.

"Naja. Es liegt viel zu abgelegen und ist viel zu alt als dass dort jemand hinziehen und alles renovieren möchte." Sein Blick war erwartungsvoll, als würde er mehr erwarten, also fügte ich hinzu, "außerdem soll es spuken. Was stimmt. Und auch wenn viele behaupten, sie glauben es nicht, trauen sich die meisten trotzdem nicht ans Haus ran. Immerhin sind viele dort verschwunden."

"Das ist alles richtig, aber schau mal. Sie waren reich, sie waren respektiert. Der letzte verbleibende Jillson hat die Villa nie renovieren wollen, alles war heruntergekommen und alt. Und als er verstarb, wollte niemand einziehen, aus reinem Respekt. Jeder wusste, dass die Jillsons Modernität verachteten. Das war ein Grund. Der zweite war, dass die Villa viel zu teuer für den Stand des Hauses von Charles Jillson hinterlassen wurde.", erklärte Harry aufgeregt. Auf seinen Wangen lag ein Hauch von Rosa, den seine Haut vor Aufregung angenommen hatte. Er war voll in der Erzählung.

Relapse (H.S.)Where stories live. Discover now