T H I R T Y N I N E

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T H I R T Y N I N E | Gehetzt lief ich neben Harrys schnellen Schritten her. Meine Rippe pochte unangenehm, aber diesmal schien es Harry nicht sonderlich zu interessieren.

"Wohin gehen wir?", fragte ich zum gefühlt hundertsten Mal, da er mir noch immer nicht auf diese Frage geantwortet hatte.

"Ach Amalia, wohin wohl? Stell doch nicht immer so viele dumme Fragen. Und du wunderst dich, wieso ich oft genervt von dir bin?", seufzte er frustriert. Beleidigt schnaubte ich.

"Ich bin kein Hellseher, woher soll ich wissen, wo wir hingehen, wenn du nichts sagst?", knurrte ich angegriffen, doch er verdrehte nur die Augen und lief weiter. 

"Harry-"

"Du hast die Lösung doch gerade schon in den Mund genommen!", schnauzte er zurück und unterbrach mich somit. Baff hielt ich kurz inne und dachte nach. "Mann, manchmal bist du schon ziemlich hohl. Wonach hab ich heute Nachmittag noch gesucht?" Er klang sichtlich frustriert.

"Der Hellseher? Ich dachte, wir hätten mit dieser unsinnigen Idee abgeschlossen, als du vor über fünf Stunden mein Handy wortlos zurückgegeben hast!", schnaubte ich.

"Nein, ich hab einen Termin gemacht! Du denkst doch nicht, dass wir einfach so aufkreuzen können! Hellsehen ist ein Beruf.", knurrte er.

"Du glaubst das also wirklich, ja? Dass ein Hellseher sich da einfach hinsetzt, uns anguckt und sagt, 'Ach ja, ihr habt mit dem bösen Geist von Charles Jillson und seinem Zauberbuch zu tun, ich hab hier die Lösung, schaut mal, da habt ihr die Anleitung.'? So leicht ist das Leben leider nicht, das solltest du doch eigentlich wis-" Mit einer schwungvollen Bewegung seinerseits wurde mir plötzlich der Mund zugehalten. Verbissen schielte ich auf seine Hand hinunter, die sich gegen mein Gesicht presste.

"Ich glaube es nicht unbedingt. Aber es ist die beste Hellseherin im ganzen Umkreis, zumindest laut aller Bewertungen, und diese eine halbe Stunde wäre den Versuch wert, denkst du nicht? Oder hast du eine bessere Idee? In die Villa rennen und das Buch suchen? Zehn verschiedene Wege ausprobieren, um das Buch zu zerstören? Und dann schlagen alle fehl und sie töten uns?"

Als er es erwähnte, schwieg ich. Viele Gedanken irrten durch meinen Kopf. Mir war klar, dass wir sie aufhalten mussten, aber irgendwie war dieser Gedanke, dass wir so oder so bei dieser Mission sterben würden, nicht aus meinem Kopf zu löschen. Vielleicht würde ein halbstündiges Gespräch doch helfen. Vielleicht ein kleines bisschen. Ich klammerte mich an die Hoffnung, auch wenn sie unmöglich erschien.

"Denkst du,", begann ich schließlich leise, "dass Charles böse war? Dass das Buch durch das Böse in ihm wiedergekommen ist? Ich meine, du sagtest es schon. Die Chance, dass es nach so langer Zeit einfach wieder bei ihm auftaucht ist gering. Und dann dieses... was er damit getan hat. Diese Geisterstadt, die er erschaffen hat. Aber wieso, wenn er nicht böse war, verstehst du? Wieso so etwas grauenhaftes-"

"Ich weiß.", unterbrach Harry mich etwas zu grob, "aber es ändert doch nichts, oder? Ich weiß, es gibt Lücken. Wieso war Charles so verängstigt in der Kirche, wenn er doch so böse war? Wieso hatte er Angst davor? Aber.. es ist doch auch egal. Der einzige Grund, wieso er noch lebt, ist dieses verdammte Buch, und wenn wir es erst einmal zerstört haben, dann ist der böse Charles auch egal." Er seufzte tief. "Hätte es nicht einfach ein böser Charles Jillson sein können, der so verbittert war, dass er als Geist heimgekehrt ist? Das wäre wahrscheinlich so viel leichter gewesen, als ein unzerstörbares Zauberbuch zu zerstören."

"Nichts ist unkaputtbar. Selbst Magie hat Schwachpunkte.. Das sagen zumindest die Filme.", grübelte ich.

"Ja, genau.", erwiderte er ironisch, "weil die Filme nicht immer alles beschönigt darstellen."

Relapse (H.S.)Where stories live. Discover now